Zinsdeckungskennzahlen – Was Sie über Mittelstandsanleihen wissen müssen – DVFA-Kennzahlen Teil 3 – von Peter Thilo Hasler, Gründer und Analyst bei Sphene Capital GmbH

Mittwoch, 16. April 2014


Im dritten und abschließenden Teil zur Kennzahlenanalyse von Unternehmensanleihen befassen wir uns mit den Zinsdeckungskennzahlen. Zinsdeckungskennzahlen, auch hierzulande unter dem angelsächsischen Begriff Debt Service Coverage Ratio bekannt, geben an, inwieweit das operative Ergebnis eines Unternehmens für die ordnungsgemäße Bedienung seiner sämtlichen zinstragenden Verbindlichkeiten ausreicht. Im Allgemeinen werden sie als Quotient aus einer Ertragsgröße und den unbedingten Zinszahlungsverpflichtungen eines Unternehmens gebildet.

Bei der am häufigsten verwendeten Zinsdeckungskennzahl steht im Zähler wahlweise das EBIT oder das EBITDA. Die Zahlungsverpflichtungen im Nenner beinhalten mindestens die Zinsanteile aus Finanzierung und Finance Leasing. Wegen ihrer Langfristigkeit können darüber hinaus auch Miet- und Capital Lease-Verpflichtungen berücksichtigt werden. Tilgungsverpflichtungen bleiben im DVFA-Ansatz dagegen außen vor, ganz im Gegensatz übrigens zu angelsächsischen Gewohnheiten.

Im DVFA-Kanon werden zwei, in der Praxis zu sehr ähnlichen Ergebnissen führende Kennzahlen als für den Emittenten verpflichtend genannt, der EBIT-Zinsdeckungsgrad

EBIT Zins Coverage =  EBIT /(Zinsen + Zinsanteil Leasing)

und der EBITDA-Zinsdeckungsgrad

EBITDA Zins Coverage =  EBITDA /(Zinsen + Zinsanteil Leasing)

Liegt der Zinsdeckungsgrad unter dem Wert von eins, sind die aus dem operativen Geschäft generierten Erträge nicht ausreichend für die Begleichung der unbedingten Zinsverpflichtungen. In diesem Fall muss der Emittent diese entweder aus dem bestehenden Liquiditätsstock begleichen oder zusätzliche Verbindlichkeiten aufnehmen. Für eine mittel- bis langfristig ordnungsgemäße Bedienung der zinstragenden Verbindlichkeiten müssen die Kennzahlen der Debt Service Coverage-Ratio daher Werte von mindestens eins einnehmen.

Basierend auf dieser Minimalanforderung wird im Allgemeinen unterstellt, dass ein Unternehmen umso sicherer ist, je höher seine Zinsdeckungskennzahlen sind. Die Gültigkeit dieser weit verbreiteten Feststellung steht und fällt jedoch mit der Volatilität eines Geschäftsmodells. Die betriebliche Profitabilität ist eine veränderliche Größe, die bei Zyklikern während einer Rezession auch negative Werte annehmen kann. Zwei Unternehmen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vergleichbare Zinsdeckungsgrade aufweisen, können daher trotzdem unterschiedlich eingestuft werden, wenn es um eine Einschätzung ihrer Risiken geht. In der Praxis kalkulieren Investoren daher häufig eine „Margin of Safety“ ein und fordern zum Teil deutlich höhere Zinsdeckungskennzahlen ein.

Verschlechterungen der Zinsdeckung erkennen

Dies gilt umso mehr in Zeiten steigender Zinsen. Dann nämlich können zuweilen sprunghaft rückläufige Zinsdeckungskennzahlen beobachtet werden, zum Beispiel wenn ein Unternehmen sich ursprünglich zu niedrigen Zinsen verschulden konnte, gleichzeitig die Anschlussfinanzierung aber nur zu deutlich schlechteren Konditionen gelingt. Auch bei Unternehmen mit hohem operativem Leverage kommt es häufig zu einer deutlichen Verschlechterung der Zinsdeckung, wenn sich die Profitabilität etwa im Zuge eines Umsatzrückgangs verschlechtert. In beiden Fällen können plötzlich schlagartige Verschlechterungen der Zinsdeckung die Folge sein, die konservative Anleger auf- und abschrecken sollten.

Bekanntlich kann die Ertragslage einer Gesellschaft von buchhalterischen Faktoren beeinflusst sein – und zwar im positiven wie im negativen Sinn. Da Zinszahlungen grundsätzlich aus dem Cash-Bestand beglichen werden müssen, mag eine auf dem Cashflow basierende Zinsdeckungskennzahl geeigneter sein als eine auf dem operativen Ergebnis basierende Kennzahl. Neben den beiden, von der DVFA bevorzugten Kapitaldienstdeckungskennzahlen gibt es in der Praxis daher weitere, auf den operativen Cashflow bezogene Varianten. Ein Beispiel hierfür ist die Free Operating Cashflow-Zinsdeckung:

Free Operating Cashflow Zins Coverage =

(Free Operating Cashflow+Zinsen)/(Zinsen+Tilgungsverpflichtungen)


Peter Thilo Hasler


Sphene Capital GmbH

Foto: Peter Thilo Hasler

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