Wolfgang Zinn: „Sicherheit der Mittelstandsanleihen wird überschätzt“

Freitag, 29. Juni 2012

Wolfgang Zinn, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Grossbötzl, Schmitz & Partner, im Interview.

Mit der BKN biostrom AG und der Solarwatt AG gibt es zwei neue Insolvenzfälle von Emittenten von Mittelstandsanleihen. Die Anleihen Finder Redaktion befragte für eine lose Serie von Kurzinterviews Experten und Marktteilnehmer zu den Auswirkungen der Insolvenzfälle auf den Markt der Mittelstandsanleihen.

Wolfgang Zinn ist Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Grossbötzl, Schmitz & Partner (GS&P). Er managt einen Fonds mit Aktien vor allem von Unternehmen, die in Familienhand sind. Zinn ist als kritischer Beobachter des Marktes der Mitteltandsanleihen bekannt. Der Kritiker geht mit dem Sicherheits-Image der Mittelstandsanleihen scharf ins Gericht:

Anleihen Finder: Mit der BKN biostrom AG und der Solarwatt AG gibt es zwei neue Insolvenzfälle von Emittenten von Mittelstandsanleihen. In Presseberichten wird über eine Bewährungs- oder „Nagelprobe“ für den Markt der Mittelstandanleihen diskutiert. Die Meinungen gehen von „Marktbereinigung“ bis hin zu Untergangsszenarien mit Analogien zum ehemaligen Neuen Markt. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation des Marktes für Mittelstandsanleihen ein?

Wolfgang Zinn: Die beiden neuen Insolvenzfälle von Mittelstandsanleihen-Emittenten belegen deutlich, dass dieses in der jüngeren Vergangenheit so populär gewordene Anlagesegment von Investoren durchaus kritisch beurteilt werden muss. Der „risikoaverse Durchschnittsinvestor“, der inzwischen ebenfalls erkannt hat, dass im aktuellen Marktumfeld mit klassischen Anleihen kaum reale Renditen zu erzielen sind, sucht händeringend nach Anlagealternativen.

Da die Aktienanlage allgemein als „spekulativ“, insbesondere vom deutschen Anleger, beurteilt und fast systematisch gemieden wird, ergibt sich mit den Mittelstandsanleihen eine Alternative, die mit respektablen Renditen aufwarten kann. Unseres Erachtens wird durch die „Bezeichnung MittelstandsANLEIHEN“ jedoch eine Sicherheit suggeriert, die bei weitem nicht der Realität entspricht und systematisch unterschätzt wird. Das boomende Segment wird in seiner Popularität aktuell zusätzlich dadurch unterstützt, weil alternative Anlageklassen entweder derzeit zu risikoreich erscheinen (Aktien) oder nur Minimalverzinsungen (klassische Anleihen) versprechen können. Die notwendige Risikobetrachtung einer Mittelstandsanleihe gerät dabei häufig und fatalerweise in den Hintergrund. So sollten Fragen nach dem Geschäftsmodell des Mittelständlers – Motivation der Emission versus Bankkredit (ist er ggf. bei Banken nicht kreditwürdig??), Verwendungszweck der eingesammelten Gelder (Expansion oder Ablösung von Altkrediten??), vorliegende Ratings von z.T. wenig bekannten Ratingagenturen etc. – vor einer Investition genauestens untersucht und beantwortet werden. Dies kann m. E. nur von Finanzexperten und spezialisierten Fondsmanagern erfüllt werden.

Ich halte das junge Segment durchaus für eine sinnvolle Ergänzung eines jeden Portfolios, in das jedoch nur mit professionellem Sachverstand investiert werden darf. Auch sind wir der Ansicht, dass sich Mittelstandsanleihen nach einem Bereinigungsprozess – und mit zunehmender zeitlicher Anlageerfahrung mit dieser „ Anlageklasse“ – zu einem eigenen Anlagesegment mit eigener Berechtigung entwickeln wird.

Sollte das allgemeine Zinsniveau auf derzeit niedrigem Stand verharren – wovon auszugehen ist – wird die Anlageklasse Mittelstandsanleihen mangels wenig attraktiver Alternativen in den nächsten 12 Monaten behutsam weiter wachsen und innerhalb eines kleinen, spezialisierten Investorenkreises weiter an Bedeutung gewinnen. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich in der nahen Zukunft keine massiven Insolvenzfälle mit Totalausfällen häufen.

Anleihen Finder Redaktion: Herr Zinn, vielen Dank für das Gespräch!

 

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