Wertpapierprospekte: Was sich durch die neuen Gesetze ändert

Freitag, 9. November 2012

Rechtsanwalt Dr. Oliver Zander, Partner der Wirtschaftskanzlei GÖRG, erklärt Vor- und Nachteile der neuen Paragrafen.

Seit dem 1. Juli 2012 haben sich die Regelungen für Anleihen und Prospekte geändert*. Diese Änderungen führen zu neuen Anforderungen an Anleihen und deren Prospekte. Auch für andere Arten von Prospekten, etwa für Börsengänge oder Kapitalerhöhungen von börsennotierten Unternehmen, gelten geänderte Regelungen.

1. Neue Schwellenwerte und Gültigkeitsdauer des Prospekts

Das neue WpPG bestimmt andere Schwellenwerte für die Prospektpflicht. So ist ein Prospekt dann entbehrlich, wenn sich das Angebot von Wertpapieren nur an weniger als 150 Anleger (ohne qualifizierte Anleger) richtet (bislang 100) oder wenn die Mindeststückelung bzw. der Mindestanlagebetrag EUR 100.000 beträgt (bislang EUR 50.000). Ferner stellt das Gesetz klar, dass ein öffentliches Angebot nur während der einjährigen Dauer der Prospektgültigkeit fortgeführt werden darf. Die Jahresfrist beginnt künftig nicht erst mit der Veröffentlichung des Prospekts, sondern bereits mit seiner Billigung durch die BaFin. Emittenten müssen also zukünftig darauf achten, dass nach Ablauf von einem Jahr ab Billigung keine Anleihen mehr vertrieben werden.

2. Neues Format der Zusammenfassung

Wesentliche Änderungen erfährt die Zusammenfassung im Prospekt. Nach Vorstellung der EU soll die Zusammenfassung die zentrale Informationsquelle sein, die in einem Format zu erstellen ist, das eine leichte Vergleichbarkeit verschiedener Angebote sicherstellt. Daher muss die Zusammenfassung in einer immer gleichen Gliederung alle wesentlichen Informationen einschließlich Risikohinweisen enthalten. Die Zusammenfassung darf höchstens 7 Prozent des Prospekts, in keinem Fall aber mehr als 15 Seiten umfassen. Sie darf keine Verweise auf andere Teile des Prospekts enthalten. Anhang XXII der Prospektverordnung schreibt die Gliederung der Zusammenfassung bis zum Wortlaut der zu verwendenden Überschriften sowie den Einleitungstext genau vor. Abweichungen von diesen Vorgaben sind unzulässig. Jede Zusammenfassung enthält fünf Abschnitte mit weiteren Untergliederungen. Sofern ein Gliederungspunkt nicht relevant ist, muss er dennoch aufgenommen und mit dem Hinweis „entfällt“ versehen werden. Da die einzelnen Gliederungspunkte aus den anzuwendenden anderen Anhängen übernommen werden, kann es sein, dass etwa auf den Gliederungspunkt „B.2“ der Gliederungspunkt „B.4b“ folgt. Dies erschwert die Verständlichkeit der Zusammenfassung für den Anleger. Der Zwang zur Kürze ist für die Emittenten haftungsträchtig. In der Praxis haben sich die strengen neuen Anforderungen an die Zusammenfassung jedenfalls im Hinblick auf Anlegerfreundlichkeit nicht bewährt. Es hat sich mittlerweile durchgesetzt, die Zusammenfassung in einer Tabellenform dem übrigen Prospekt voranzustellen.

3. Nachtragspflicht

Das neue Recht verlängert künftig die Dauer, innerhalb derer ein Emittent von börsennotierten Anleihen Nachträge zu erstellen hat. Bislang endete die Pflicht zur Erstellung von Nachträgen jedenfalls dann, wenn die Wertpapiere für den Börsenhandel zugelassen waren. Jetzt besteht die Pflicht während der gesamten Dauer des öffentlichen Angebots, unabhängig von der Börsenzulassung. Ferner ist die Pflicht für börsennotierte Anleihen entfallen, das jährliche Dokument zu veröffentlichen.

4. Widerrufsrecht des Anlegers

Wird ein Nachtrag zum Prospekt veröffentlicht, konnten die Anleger ihre auf den Erwerb der Anleihe gerichtete Willenserklärung auch schon nach altem Recht innerhalb von zwei Werktagen nach Veröffentlichung des Nachtrags widerrufen. Allerdings war ein Widerruf dann ausgeschlossen, wenn Erfüllung eingetreten war, wenn also der Anleger den Anleihebetrag bereits gezahlt und das Wertpapier – meist durch Einbuchung in sein Depot – erhalten hatte. Nach neuem Recht kommt es auf die Erfüllung nicht mehr an. Zukünftig hat der Anleger, der vor Veröffentlichung des Nachtrags seinen Zeichnungsschein an den Emittenten geschickt hat, auch nach Zahlung des Anleihebetrages ein Widerrufsrecht, wenn nur der nachtragspflichtige Umstand noch während der Dauer des öffentlichen Angebots der Anleihe und vor der Lieferung der Wertpapiere an den Anleger (Einbuchung in sein Depot) eingetreten ist. Dies hat zur Folge, dass künftig im Nachtrag möglichst genau angegeben werden muss, wann der nachtragspflichtige Umstand eingetreten ist. Denn nur so kann der Kreis der zum Widerruf berechtigten Anleger bestimmt werden. Auch die Widerrufsbelehrung im Nachtrag ist entsprechend zu gestalten. Das neue Recht erweitert damit den Kreis der zum Widerruf Berechtigten.

5. KMU und Small Caps

Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) und Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung (Small Caps) können Wertpapierprospekte künftig nach den neuen, etwas erleichterten Schemata XXVI bzw. XXVII der Prospektverordnung erstellen. KMU sind Unternehmen, die mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllen: im Durchschnitt weniger als 250 Beschäftigte im letzten Geschäftsjahr; Gesamtbilanzsumme bis zu EUR 43 Mio.; Jahresnettoumsatz bis zu EUR 50 Mio. Small Caps sind Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung in den letzten drei Jahren von weniger als EUR 100 Mio. Diese Unternehmen müssen historische Finanzinformationen nur für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr vorlegen. Ferner können sie auf den Abdruck des letzten Jahresabschlusses im Prospekt verzichten. Es ist lediglich der Bestätigungsvermerk abzudrucken und ein Hinweis darauf, wo der Jahresabschluss bzw. weitere Finanzinformationen wie etwa erstellte Zwischenabschlüsse erhältlich sind. Sofern allerdings in den Bestätigungsvermerken auf Teile des Jahresabschlusses verwiesen wird, verlangt die BaFin auch den Abdruck der Teile, die vom Vermerk in Bezug genommen werden. Trotzdem dürfte diese Regelung dazu beitragen, dass die Prospekte schlanker werden.

6. Basisprospekte und andere Prospektarten

Basisprospekte sind Prospekte für bestimmte Arten von Wertpapieren, die in einem Basisprospekt gemeinsam abgebildet werden. Der Basisprospekt wird für ein bestimmtes Wertpapier durch Veröffentlichung der für dieses Wertpapier geltenden Bedingungen konkretisiert. Basisprospekte werden in der Regel durch Banken für die Begebung einer Vielzahl von Wertpapieren genutzt. Das neue Prospektrecht bringt für Basisprospekte eine Vielzahl neuer Detailregelungen. Wesentliche Neuerungen bestehen darin, dass bereits der Basisprospekt sehr viel mehr – vom Gesetzgeber im Detail geforderte – Informationen als bisher enthalten muss. Der Basisprospekt wird dadurch inflexibler. Auch Basisprospekte sind nur für die Dauer von 12 Monaten gültig. Wird jedoch ein öffentliches Angebot auf der Grundlage eines Basisprospekts erstellt, ist dieses öffentliche Angebot ebenfalls für 12 Monate gültig, auch wenn die Gültigkeitsdauer des Basisprospekts bereits abgelaufen ist.

Das neue Prospektrecht bringt auch für andere Arten von Prospekten – etwa für Bezugsrechtskapitalerhöhungen – eine Reihe von Änderungen. So stellt das Gesetz jetzt klar, dass bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen generell eine Prospektpflicht besteht. Auch für diese Art von Prospekten werden Erleichterungen für KMU und Small Caps eingeführt. Dies gilt sowohl für die historischen Finanzinformationen als auch für einzelne im Prospekt geforderte Angaben. Insgesamt dürften die Prospekte daher künftig noch stärker standardisiert und kürzer sein als bisher.

*Die Prospektrichtlinie ist bereits am 31. Dezember 2010 geändert worden (Änderungsrichtlinie 2010/73/EU). Der deutsche Gesetzgeber hat diese Richtlinie durch Änderung des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) mit Wirkung zum 1. Juli 2012 in das deutsche Recht umgesetzt (BGBl. 2012 I Seite 1375). Zeitgleich hat die Europäische Kommission die Prospektverordnung geändert (Delegierte Verordnung (EU) Nr. 486/2012). Die europäische Regulierungsbehörde ESMA hat kurz danach ihre „Questions and Answers (Q&A) auf einen neuen Stand gebracht (derzeit 17. Version vom September 2012) und darin weitere Vorgaben für die zukünftige Gestaltung von Prospekten gemacht.

Dr. Oliver Zander

Foto: Dr. Oliver Zander

Kurzvita von  Dr. Oliver Zander

Dr. Oliver Zander ist Partner der Wirtschafskanzlei  GÖRG. Er hat an den Universitäten Bonn, Lausanne und München studiert und 1991 seine Zulassung als Rechtsanwalt erhalten. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Bank und Kapitalmarktrecht, Bankaufsichtsrecht sowie Gesellschaftsrecht.

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