Wenn das kein Zins-Crash ist, was dann? – Kolumne von Marius Hoerner, Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung AG

Sonntag, 5. Juli 2015


Zugegeben, es klingt paradox, wenn man bei einer Rendite von 0,842% für die 0,50%-Bundesanleihe bis 15.02.2025 (Kurs 96,84) von einem Crash auf der Zinsseite spricht. Es wird auf den ersten Blick auch nicht wirklich verständlicher bei Betrachtung der 0,00% Bundesobligation bis 17.04.2020 mit einem Kurs von 99,23 und einer Rendite von plus 0,159%.

Betrachtet man aber die Entwicklung der letzten zehn Wochen und die Auswirkungen auf die Schuldner und Investoren, zeigt sich ein dramatisches Bild.

Am 17. April dieses Jahres lagen der Kurs der 0,50%-Bundesanleihe bis 15.02.2025 bei 104,12 und die Rendite bei 0,079%. Der Kurs der 0,00%-Bundesobligation zum Vergleich bei 100,77 mit einer Rendite von minus 0,153%.

Was bedeutet das für die Schuldner?

Bei der Bundesanleihe (Volumen 20 Milliarden Euro) beträgt die Renditedifferenz 0,763% effektiv oder 1.066% prozentual. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass die Zinslast bei einer Emission am 17. April bei 15,8 Millionen Euro p.a. gelegen hätte. Am 12. Juni liegt die Zinslast bei 168,40 Millionen Euro p.a.

Ähnlich sieht es bei der 5-jährigen Bundesobligation aus (Volumen 17 Milliarden Euro). Hier beträgt die Renditedifferenz 0,312% effektiv. In diesem Fall ist es sogar so, dass eine Emission am 17. April einen jährlichen Gewinn von 26,01 Millionen Euro eingebracht hätte. Aktuell (12. Juni 2015) ist daraus eine Zinslast von 27,03 Millionen Euro p.a. geworden.

Für den Investor ist die Situation mindestens so dramatisch.

Der Kursverlust bei der 10-jährigen Bundesanleihe beträgt 7,28 Prozentpunkte effektiv. Der Zinsertrag für 10 Jahre liegt aber nur bei 5,00% (10-mal 0,50% Kupon) abzüglich der Kursdifferenz von 4,12%-Punkten bis Endfälligkeit (Kauf zu 104,12%, Rückzahlung zu 100,00%). Somit bleibt heute (12.06.2015) unter dem Strich ein Minus von 6,40 Prozentpunkten, dass sich bis 2025 um 3,16 Prozentpunkte reduziert, da die Anleihe mit 100% zurückgezahlt wird.

Bei der Bundesobligation liegt der Kursverlust bei 1,54 Prozentpunkten. Da der Kupon bei 0,00% liegt addiert sich die Differenz zwischen dem Kaufkurs (100,77) und dem Rückzahlungskurs (100,00). Analog zur Bundesanleihe reduziert sich der Verlust bis zur Endfälligkeit um 0,77 Prozentpunkte.

Hält man sich die Milliarden von Anlegergeldern vor Augen, die alleine bei den Lebensversicherungen größtenteils in Staatsanleihen liegen, wird schnell klar, dass die Garantieverzinsungen in diesem Bereich auch bei weiter steigenden Zinsen eher fallen müssen als steigen. Denn bevor an Steigerungen zu denken ist, müssen erst die Verluste wieder aufgeholt werden. Wie es allerdings möglich sein soll, dass auf der einen Seite die Verluste aufgeholt werden und auf der anderen Seite höher verzinslich angelegt werden kann (bei gleicher Qualität), ist ein Rätsel, zu dem der Gordische Knoten in Relation wie ein Kinderpuzzle anmutet.

Schaut man sich im Vergleich die Unternehmensanleihen an ergibt sich ein deutlich anderes Bild.

Zum Vergleich mit der Bundesanleihe nehmen wir die 2,25%ige Anleihe von Adidas bis 08.10.2026.

Bei einem Kurs von 105,20 rentierte diese am 17. April 1,735%. Am 12. Juni liegen der Kurs bei 98,32 und die Rendite bei 2,42%.

Die Renditedifferenz beträgt 0,685% effektiv oder 39,48% prozentual, was trotz längerer Laufzeit weniger ist als bei der Staatsanleihe. Nichts desto trotz ist auch dieser Verlust nicht zu vernachlässigen und für den Investor mehr als ärgerlich. Der gravierende Unterschied liegt aber darin, dass hier der Zins auf dem aktuellen Niveau die Verluste überkompensiert. Dem Kursverlust von 6,88 Prozentpunkten stehen Kuponzahlungen von 27,00% (12 mal 2,25%) gegenüber.

Noch deutlicher wird der Vorteil, wenn man die 5-jährige Bundesobligation mit entsprechenden Mittelstandsanleihen vergleicht. Da hier der Zinsanteil nochmal höher ist (um die 7,00%) ist der zinsabhängige Risikopuffer auch deutlich höher.

Dass die Rechnung aufgeht, zeigt auch die Entwicklung des ARTUS Mittelstands – Renten HI Fonds (WKN: A0RHHB). Seit Jahresbeginn legte der Fonds um 2,30% zu. Besonders divergierend war die Bewegung im Zeitraum des „Renten-Crash“ bei den Staatsanleihen – hier konnte das Management des Fonds mit Hilfe einer vorausschauenden Selektion und des disziplinierten Risikomanagements für die Investoren den Kurs relativ stabil halten. Der Kurs lag am 17. April bei 43,44, am 12. Juni bei 43,27. Seinem Eigenleben sein Dank – dürfte auch in Zukunft der Mittelstands-Anleihen-Markt noch die eine oder andere positive Überraschung bergen.

Marius Hoerner, Portfolio Manager, Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung AG

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