Unternehmenskennzahlen der Emittenten richtig bewerten – Profis verraten, wie Sie erkennen, wo der Wurm drin ist – 1. Teil: Eigenkapitalquote, Cashflow, EBITDA, EBIT, Umsatz und Zinsdeckungsgrad

Freitag, 5. Juli 2013


Selten war das Angebot mittelständischer Unternehmensanleihen so groß wie derzeit. Anleger haben da schon einmal die Qual der Wahl. Orientierung bei der Entscheidung für eine Emission bieten Unternehmensratings, doch anhand bestimmter Unternehmenskennzahlen können Investoren sich auch ohne eine Ratingnote einen Überblick über die Krisenfestigkeit eines Unternehmens verschaffen. Anleihen Finder hat bei Branchenprofis nachgefragt, auf welche Werte es ankommt.

„Für uns sind das die Eigenkapitalquote unter Herausrechnung der immateriellen Vermögenswerte, der operative Cashflow und die Vorsteuermarge“, erklärt Andreas Wegerich, Vorstandsvorsitzender der youmex AG, ein Finanzierungsberatungs-Unternehmen und Kapitalmarktpartner der Börse Düsseldorf. Die Vorsteuermarge ist der Gewinn vor Steuern und damit unabhängig von Steuereffekten wie Steuernachzahlungen oder Steuerminderungen durch Verlustvorträge. Somit eignet sich dieser Wert besser für den Vergleich des Gewinns verschiedener Geschäftsjahre als der Jahresüberschuss.

Der Cashflow muss die Zinszahlungen gewährleisten

In Punkto Cashflow kommt es laut Wegerich auch auf die Werte vergangener Geschäftsjahre an: „Der operative Cashflow muss auch in den Jahren vor einer Emission die Zinszahlungen gewährleistet haben können, ansonsten ist ein Titel praktisch nicht anleihefähig“, so der Finanzierungsexperte.

Auch Manuel Hoelzle, Vorstandsvorsitzender der GBC AG, die unter anderem in der Unternehmensbewertung tätig ist, klammert Steuereffekte bei der Betrachtung von Unternehmenskennzahlen erst einmal aus. „Am wichtigsten sind aus unserer Sicht das EBIT (Ergebnis vor Steuern und Zinsen) und das EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, und Abschreibungen).“ Das Betriebsergebnis wird dadurch unabhängig von national unterschiedlichen Besteuerungen und verschiedenen Finanzierungsformen abgebildet.

„Daraus abgeleitet ergeben sich dann folgende Bond-spezifische Kennzahlen:  Der EBITDA-Zinsdeckungsgrad (entspricht EBITDA/Zinsaufwand),  der EBIT-Zinsdeckungsgrad (entspricht EBIT/Zinsaufwand) sowie die Eigenkapital-Quote, die sich aus der Gesamtverschuldung und dem EBITDA errechnet“, so Hoelzle. Relevant ist für den GBC-Chefanalysten auch das ROCE (Return on Capital Employed), von dem abgeleitet werden kann, wie effektiv und profitabel ein Unternehmen sein Kapital einsetzen kann.

Umsatzzahlen nur bedingt aussagekräftig

Der Umsatz – meist eine „schöne“ Zahl auf die Unternehmen in Pressemitteilungen gerne hinweisen  – wurde von keinem der von Anleihen Finder befragten Experten als wichtige Unternehmenskennzahl genannt. Hier fehlt es an Aussagekraft für die Rentabilität des Unternehmens, zumindest solange man nicht die Umsatzrentabilität in die Betrachtung mit einbezieht. Diese berechnet sich durch die Formel: Gewinn mal 100 / Umsatz oder besser (weil unverfälschter) aus dem ordentlichen Betriebsergebnis / Umsatz mal 100%. Die Umsatzrendite für ein gut aufgestelltes Unternehmen sollte über 5 Prozent liegen, wobei dieser Wert stark branchenabhängig ist.

Liegt die Kennzahl im „grünen Bereich“?

Da nicht jeder Privatanleger, der sich diese Werte aus dem Geschäftsbericht eines Unternehmens herausarbeitet, in der Lage ist, die Zahlen zu interpretieren, gibt es auch für die anderen Kennzahlen Richtwerte, die Orientierung bieten.  Manuel Hoelzle nennt einige der wichtigsten: „ Die Eigenkapitalquote sollte grösser  als 20 Prozent sein, Minimum sind 15 Prozent, optimal ist ein Wert über 30 Prozent.“ Der EBIT-Zinsdeckungsgrad solle mindestens größer als 2 sein, während der EBITDA-Zinsdeckungsgrad nach Meinung des GBC-Experten bei einem Wert größer als 3 liegen solle.

Bei der Betrachtung dieser Kennzahlen dürfen branchenspezifische Unterschiede jedoch nicht aus den Augen verloren werden. „Je stetiger das Geschäftsmodell, umso näher kann der EBIT-Zinsdeckungsgrad sich an 1 heranbewegen, je schwankender, umso mehr Puffer sollte dort sein“, erläutert Manuel Hoelzle. „Immobilienbestandshalter haben naturgemäß eine hohe Verschuldung, aber auch stetige Cash-flows.“

Lesen Sie  im zweiten Teil, welche Kennzahl  die Finanzprofis aus welchen Gründen als Achillesverse der Emittenten von Mittelstandsanleihen ansehen.

Anleihen Finder Redaktkion

Foto: Uwe Drewes/pixelio.de

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Ausfallrisiken im Geschäftsbericht erkennen – „Der ‚grüne Bereich‘ bei der Eigenkapitalquote ist branchenabhängig“ – Gastbeitrag von Thomas Morgenstern, Scope Ratings GmbH

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