Die Stunde der Wahrheit steht den Mittelstandsanleihen erst noch bevor – Kolumne von Dr. Konrad Bösl, Vorstand der BLÄTTCHEN & PARTNER AG
Das Finanzierungsinstrument Mittelstandsanleihe ist zweifellos in der Krise. Die Insolvenzen von Unternehmen, die eine Mittelstandsanleihe emittiert haben, häufen sich. Mittlerweile sind es 14 an der Zahl und in einigen Insolvenzfällen ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft wegen möglicher Straftaten. Mit Zamek ist erstmals ein Unternehmen in die Pleite gerutscht, das einen Markennamen trägt und dem allein aufgrund der Marke eine größere Bonität und damit Sicherheit für die Anleihegläubiger zugeschrieben wurde.
So schmerzhaft die bisherigen Insolvenzen für die Anleihegläubiger auch sind, das „dicke Ende“ kommt erst noch. Die Stunde der Wahrheit schlägt dann, wenn die Anleihe zurückbezahlt werden muss. Die auf dem Markt für Mittelstandsanleihen bis zum Jahr 2018 zukommende Wall of Debt liegt bei mehr als 4,1 Mrd. Euro. In diesem Jahr werden die ersten Anleihen fällig. Der Betrag ist mit rund 130 Mio. Euro noch recht überschaubar. 2015 werden 450 Mio. Euro und 2016 bereits gut 760 Mio. Euro an Anleihen zur Rückzahlung fällig. Der vorläufige Höhepunkt wird im Jahr 2018 mit rund 1,79 Mrd. Euro erreicht (Quelle: BLÄTTCHEN & PARTNER Datenbank. Zahlen auf Basis des tatsächlichen Platzierungsvolumens korrigiert um das Anleihevolumen insolventer Unternehmen).
In der Vergangenheit ist mit der Frage nach der Tilgung der Unternehmensanleihe von Investoren zu leichtfertig umgegangen worden. Vielfach wird diese Frage auf der Roadshow der Emittentin nicht näher thematisiert. Dabei müssten doch gerade die Investoren ein besonderes Interesse daran haben, die Fähigkeit der Emittentin zur fristgerechten Anleihetilgung in ihr Kalkül mit einzubeziehen. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Investoren grundsätzlich davon ausgehen, dass sie sich rechtzeitig vor dem Fälligkeitstermin von der Anleihe wieder trennen werden. Auch in den Medien bleibt die Frage nach der Rückzahlung der Anleihe im Zeitpunkt der Emission oftmals außen vor.
Ratingagenturen vergessen die Frage nach der Rückzahlung der Mittelstandsanleihe
Eine Schwachstelle in diesem Kontext sind die Ratingagenturen. In ihrem Bericht zum Erstrating wird die Thematik der Tilgung der Anleihe überhaupt nicht aufgegriffen und analysiert. Offensichtlich traut man sich an diese Frage nicht recht heran. Wer weiß schon, wie die wirtschaftliche Verfassung der Emittentin am Ende der Laufzeit sein wird. Prognosen hierzu beispielsweise auf der Basis einer fundierten Markt- und Wettbewerbsanalyse sowie einer Beurteilung der strategischen Zielsetzungen unter Berücksichtigung der damit verbundenen Ertragspotenziale und Risiken der Emittentin sind zeitaufwändig. Die Kosten für das Rating würden sich erhöhen und wären mit einem schwierigen und vielschichtigen Diskussionsprozess mit der Geschäftsführung der Emittentin verbunden. Warum soll man sich das antun, wenn die Frage nach der Tilgungsfähigkeit der Emittentin zum Zeitpunkt der Emission sowieso nicht gestellt wird.
Bei einer Anleiheemission wurde und wird oftmals unterstellt, dass die Emittentin die Tilgung aus eigener Kraft leisten kann oder die Rückzahlung über die Begebung einer neuen Anleihe erfolgen wird. Letzteres ist bei der Begebung von so genannten Benchmark-Anleihen üblich, die vielfach von Unternehmen mit einer Größe jenseits des typischen Mittelstandes begeben werden. Die Emittenten von Mittelstandsanleihen können sich auf den Erfolg einer solchen Vorgehensweise – zumindest aus heutiger Sicht – nicht verlassen. Grundvoraussetzung hierfür wäre, dass der Markt für Mittelstandsanleihen intakt und aufnahmefähig bleibt. Vielmehr noch haben aber nur jene Emittenten eine realistische Chance, deren wirtschaftliche Entwicklung mindestens stabil geblieben, wenn nicht sogar (deutlich) besser geworden ist. Selbst dann besteht das Risiko, dass die am Markt geforderte Verzinsung für Mittelstandsanleihen – nicht zuletzt wegen der Vielzahl an Insolvenzen – spürbar angezogen hat.
Hohe Voluminia sind bei der Emission von Vorteil, bei der Rückzahlung komplizierter
Natürlich ist eine Refinanzierung der Anleihe über einen Bankkredit oder andere Finanzierungsinstrumente wie zum Beispiel Schuldscheindarlehen oder eine Kapitalerhöhung denkbar. Allerdings besteht bei Mittelstandsanleihen die besondere Problematik darin, dass mit ihrer Hilfe meist Volumina generiert werden konnten, die über einen Bankkredit oder andere Finanzierungsinstrumente nicht oder nur sehr schwer zu realisieren gewesen wären. Dieser Vorteil für Unternehmen bei der Emission kehrt sich nun in einen Nachteil bei der Refinanzierung um, denn es wird der Kombination mehrerer Finanzierungsquellen für eine vollständige Tilgung bedürfen. Damit dies gelingt, muss die Tilgungsthematik frühzeitig geplant werden.
Bei besicherten Anleihen wird sich spätestens bei der anstehenden Refinanzierung zeigen, wie werthaltig die als Sicherheit verpfändeten Assets wirklich sind. Denn nur wenn neue Gläubiger ebenfalls an die dahinter stehenden Werte glauben, lässt sich eine Anleihe auf dieser Basis refinanzieren. Problematisch könnte dabei auch das Timing werden: Ist in den Anleihebedingungen geregelt, dass die verpfändeten Assets erst mit Tilgung wieder frei werden, muss sich eine benötigte Refinanzierung nahtlos an die Rückzahlung der Anleihe anschließen – keine leichte Aufgabe, eine komplexe Finanzierungsmaßnahme in einem derart engen zeitlichen Schema umzusetzen.
Spätestens zum Rückzahlungszeitpunkt wird sich die Spreu vom Weizen trennen
Unabhängig davon steht und fällt der Erfolg der Refinanzierung der Anleihe mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Emittenten. Nach bislang 14 Insolvenzen darf daran gezweifelt werden. Für fast 700 Mio. Euro an Anleihevolumen wird es allein insolvenzbedingt keinen Refinanzierungsbedarf geben. Man muss kein Prophet sein, um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, dass noch weitere Anleihen und damit deren Gläubigern das gleiche Schicksal droht. Spätestens zum Rückzahlungszeitpunkt wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Nur Unternehmen, denen auch unabhängig von den Mittelstandsanleihemärkten andere Fremdfinanzierungsformen, wie zum Beispiel Schuldscheindarlehen, offen stehen, können ihren Tilgungsterminen gelassen entgegen blicken. Für den Rest sind kreative Lösungen zu suchen – von zusätzlichem Eigenkapital durch private Investoren oder Beteiligungsgesellschaft bis hin zu einem Börsengang mit Tauschoption für die Bondholder ist hier nahezu alles denkbar.
Dr. Konrad Bösl
großes Foto: Martin Abegglen/flickr, kleines Foto: Dr. Konrad Bösl, BLÄTTCHEN & PARTNER AG
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