Steht uns die Zinswende vor der Tür? – Ausblick: „Nachfrage nach Hochzinsanleihen – darunter auch den Mittelstandsanleihen – wird eine längere Zeit bestehen bleiben“ – Kolumne von Florian Weber, SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank
Diese bange Frage haben sich die Anleger in den letzten 18 Monaten immer wieder gestellt. Aufmerksam wurden makroökonomische US-Daten wie Wirtschaftswachstum, Arbeitslosenzahlen oder Inflationsdaten aufgenommen und gewertet. Genauso wurden Kommentare der FED-Mitglieder beleuchtet, aufmerksame Zuhörer versuchten in jeder Aussage eine zukünftige Entwicklung herauszuhören. „Es kann ja eigentlich nur noch nach oben gehen mit den Zinsen“, ist vielerorts zu hören.
Ist dem wirklich so? Geht es nicht doch noch niedriger? Sicherlich, historisch sind die Zinsen extrem niedrig, eine Bundesanleihe mit fünf Jahren Laufzeit „erwirtschaftet“ derzeit keine 0,4% Zinsen im Jahr. Damit könnte man auf eine Zinszahlung auch eigentlich ganz verzichten – schließlich ist die Inflationsrate bereits seit geraumer Zeit deutlich höher als der Zins und es kommt ohnehin regelmäßig zu einer Geldentwertung für Sparer.
Dennoch bleibt selbst auf diesem, fast nicht mehr vorhandenen Zinsniveau die Option niedrigerer Zinsen! Damit sind nicht die Übertreibungssituationen gemeint, wie wir sie zur Hochphase der europäischen Schuldenkrise hatten. Dort schmissen Investoren der Bundesrepublik Deutschland ihr Geld hinterher, nur weil man die Bundesrepublik im europäischen Vergleich als Hort der Stabilität ansah. Sein Geld überhaupt „sicher“ anlegen zu können, war diesen Anlegern auch der Umstand wert, dass sie weniger Geld zurück erhielten, als sie angelegt haben (Minuszinsen bei Tendern). Damit sind auch nicht die Situationen gemeint, wie wir sie aus der Schweiz lange Zeit her kannten: Um den Zustrom weiterer Gelder zu vermeiden, wurden negative Zinsen berechnet.
Noch niedrigere Zinsen können ein Steuerungsinstrument der Europäischen Zentralbank sein. Denn es gibt keinen „einheitlichen“ Zins, von dem alle Kreditnehmer profitieren! So können private Kreditnehmer oder so manches Industrieunternehmen von niedrigen Zinsen nur träumen, da nach wie vor viele Banken ihr Geld lieber zur Zentralbank tragen, als es, wie volkswirtschaftlich eigentlich vorgesehen, in den Wirtschaftskreislauf durch Kreditvergabe zu verteilen. Genau dies will die EZB durch Minuszinsen verändern. Dass sich „die Katze in den Schwanz beißt“, ist an dieser Stelle ein interessanter Blickwinkel: Schließlich haben die Zentralbanken mit Basel III die Kreditvergabe durch Banken auf der anderen Seite massiv erschwert, behindern also die Kreditvergabe, die sie jetzt mit „Strafzinsen“ wieder befeuern wollen.
Zugegeben, großflächige Minuszinsen wird es sicherlich nicht geben – aber ich möchte mit dieser eher provokanten These auch ein wenig die Angst vor dem „Gespenst“ Zinserhöhung nehmen. Denn wie sehen die Realitäten in Europa aus?
Einerseits hat der deutsche Staat weiterhin kein Interesse an hohen Zinsen – die Inflation bei gleichzeitig niedriger Zinsbelastung und guten Konjunktur führt bei geplant geringer Neuverschuldung zu einer permanenten relativen Entschuldung. Im europäischen Umfeld kann sich ohnehin kaum ein Staat eine höhere Zinsbelastung leisten, zumal in diesen Ländern die Konjunktur weiterhin meist kränkelt.
Wie sieht die fundamentale Betrachtung aus?
Geopolitischen Unsicherheiten (Irak/Syrien oder Ukraine/Russland) einerseits aber auch ganz einfache Marktmechanismen haben im Euroraum für eine Abkühlung der Wirtschaftsleistung gesorgt. Die Daten des ZEW-oder IFO-Geschäftsklimaindex lassen auf eine Abkühlung der Wirtschaftskraft schließen, die deutschen Arbeitsmarktdaten lassen den gleichen Schluss zu. Schwächeres Neugeschäft bei gleichzeitig meist gut gefüllten Warenlagern lässt die Unternehmen daraufhin die Produktion zurückfahren. Dies alles ist kein Grund zur Sorge – aber eben auch keine wirkliche Basis, die steigende Zinsen notwendig erscheinen lassen.
Droht Gefahr aus den USA?
Die Situation in den USA ist der europäischen nicht unähnlich. Zwar konnte im zweiten Quartal nach scharfem Einbruch in QI (minus 2,9%) wieder ein Wachstum erzielt werden. Von den ursprünglichen Wachstumszielen für 2014 musste man sich aber verabschieden, die FED korrigierte ihre Erwartungen auf plus 2,8 bis 3,0% herunter. Auch in den USA liegt die Inflation sehr, aus Sicht der FED eher zu niedrig. Warum sollte man dort in der Schussfahrt wenden und die Zinsen massiv erhöhen? Zu unsicher ist die wirtschaftliche Leistungsstärke derzeit, als dass man durch Zinserhöhungen die Konjunktur abwürgen könnte. Die angekündigten Maßnahmen der FED zeigen auch die Fortsetzung des Trends – langsame Reduktion der Liquiditätsspritzen durch Reduktion der Anleihekäufe und gleichzeitig Beibehaltung des Niedrigzinses. Erst für 2015 wurden Zinsschritte avisiert. Also auch aus den USA gibt es keine Anzeichen einer dramatischen Zinswende. Und manchmal kann es ja auch sinnvoll sein, mit bloßen Ankündigungen von Zinserhöhungen den Markt so in Schach zu halten, dass es zu keinen Übertreibungen kommt.
Was passiert, wenn die Zinsen steigen?
Klar- die Zinsen werden steigen, die Frage ist nur: wann und wie stark? Selbst wenn wir in 2015 Zinsanstiege sehen werden, dann ist es nach dem derzeitigen Stand sehr wahrscheinlich, dass diese moderat und in längeren Intervallen ausfallen. Eine Konkurrenz zur Dividendenrendite vieler Unternehmen, die bei oftmals 3% liegt, ist aber so bald nicht zu erwarten. Sind wir doch ehrlich – muss man Angst vor steigenden Zinsen haben? Muss man sicherlich nicht! Unter gleicher Konstellation von Inflation und Wirtschaftsstärke haben wir jahrelang wesentlich höhere Zinssätze „verkraftet“, ohne dass die Märkte zum Erliegen kamen. Und seien wir ehrlich – höhere Zinsen und damit verbunden höhere Zinsmargen würden den Banken helfen, aus dem Ertragstal zu klettern. Auch die gebeutelten Lebensversicherungen wären mehr als froh, wenn sie wenigstens die jüngsten Garantiezinsen, ohne besondere Risiken eingehen zu müssen, erwirtschaften könnten.
Aussichten
Dies zusammen genommen lautet mein Fazit: Kein Grund zur Sorge! Es wird so bald keine großen Zinssteigerungen geben. Selbst wenn es zu einem Zinsanstieg kommen wird, dann fällt er moderat aus. Die Nachfrage nach Hochzinsanleihen – darunter auch den Mittelstandsanleihen – wird eine längere Zeit bestehen bleiben. Auch die Aktienmärkte werden nicht nachhaltig leiden – daher stellen Rückschläge aus Sorge vor steigenden Zinsen für uns bis in das Jahr 2015 hinein Kaufgelegenheiten für den Aktienmarkt dar.
In dem Sinne wünschen wir Ihnen einen schönen Sommerurlaub und viel Spaß bei einer spannenden restlichen Fußball-WM!
Florian Weber
Vorstand der SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank AG
Foto: Florian Weber/SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank
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