Schuldscheinboom im Mittelstand

Donnerstag, 18. Januar 2018


Kommentar von Christian Groschupp (Dr. Wieselhuber & Partner)
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„Made in Germany“: Schuldscheinboom im Mittelstand – Der Markt für Unternehmensschuldscheindarlehen hat 2017 mit einem Emissionsvolumen von rund 27 Mrd. EUR auf dem Rekordniveau des Vorjahres abgeschlossen. Die Anzahl der Transaktionen ist insgesamt um ein Viertel gestiegen, während deutlich weniger großvolumige Schuldscheinemissionen zu verzeichnen sind (LBBW). Der Schuldschein ist als Finanzierungsinstrument endgültig auch im Mittelstand angekommen. Doch was sind die Treiber dieses  Schuldscheinbooms?

Zum einen überzeugt die langfristige Sicherung attraktiver Konditionen im aktuellen Niedrigzinsumfeld. Rund 27% der Neuemissionen im Jahr 2017 haben eine Laufzeit von über 8 Jahren, der Anteil kurzfristiger Schuldscheine (Laufzeit < 4 Jahre) ist auf unter 10% gesunken. Insbesondere Familienunternehmen schätzen auch die geringen Publizitäts- und Dokumentationserfordernisse von Schuldscheinen: Die Platzierung kann „geräuschlos“ durchgeführt und die Investorenansprache auf einen ausgewählten Kreis begrenzt werden.  Eine HGB-Bilanzierung wird akzeptiert, ein öffentliches Rating ist nicht notwendig. Aufwand und zusätzliche Kosten sind somit begrenzt – und ein Schuldschein kann sich bereits ab einem Volumen von 10 Mio. € rechnen. Hinzu kommt: Seine Finanzkennziffern und Laufzeiten können sehr individuell gestaltet werden. Auch kleinere Schuldscheinvolumen können auf mehrere Laufzeiten verteilt und somit das Refinanzierungsrisiko bei Fälligkeit verringert werden. Manche Investoren verzichten in Abhängigkeit der Laufzeit sogar gänzlich auf die Einhaltung von Finanzkennziffern und verpflichten die Kapitalnehmer stattdessen sogenannte Schutzklauseln zur Vergabe von Sicherheiten einzuhalten oder zusätzliches Fremdkapital aufzunehmen.

Die „schlanke“ Dokumentation nach deutschem Recht definiert den Schuldschein als Kredit, weshalb die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zum Darlehensrecht eine maßgebliche Rolle spielen: Das Finanzierungsprodukt „Made in Germany“ kann verhältnismäßig einfach und standardisiert gehalten werden – ein Schuldscheindarlehensvertrag umfasst nicht mehr als 30 Seiten. Auch deshalb zeigen immer mehr institutionelle ausländische Investoren Interesse am deutschen  Schuldscheinmarkt.

Letztlich aber ist der Schuldschein ein hybrides Produkt zwischen den Welten des Kapitalmarktes und der Kredite. In Bezug auf die Vertragsklauseln müssen also die Wünsche des Emittenten und marktüblichen Anforderungen der Investoren ausbalanciert werden. Aus Investorensicht ist insbesondere die Stabilität der Cashflows des Emittenten entscheidend. Dabei zielen nicht alle Investoren ausschließlich auf Unternehmen mit Investmentgrade ab – einige wenige Versicherungen und Versorgungskassen finanzieren auch Schuldscheinnehmer mit einer geringeren Bonität (High Yield). Die entsprechend schlechtere Kreditqualität schlägt sich dann in höheren Zinsaufschlägen und kürzeren Laufzeiten nieder.

Fazit? Das Schuldscheindarlehen ist insbesondere für mittelständische Unternehmen, die  einen ersten Schritt auf den Kapitalmarkt wagen, eine Ergänzung zum klassischen Fremdkapitalspektrum. Getrieben durch die Digitalisierung – Daimler sorgte mit der erstmaligen Platzierung eines Schuldscheins via Blockchain kürzlich für Furore – wird sich auch in diesem Markt das Zusammenspiel der Marktteilnehmer mittelfristig verändern.  Ob sich die Platzierungsdauer von Schuldscheinen tatsächlich halbiert und Kosten gesenkt werden? Die Fortsetzung der Erfolgstory  „Made in Germany“ bleibt spannend.

Vorteile des Schuldscheindarlehens:

  • – Platzierungsvolumen ab 10 Mio. € möglich

  • – Deutlich längere Laufzeiten als bei klassischen Bankkrediten üblich (>5-8 Jahre), somit Finanzierungssicherheit und Sicherung aktuelles Zinsniveau

  • – Erweiterung des bestehenden Finanziererkreises, breiterer Investorenkreis als bei Konsortialkrediten

  • – Diversifikation des Laufzeitenspektrums der Finanzierungsinstrumente

  • – Keine Prospektpflicht und Vermeidung von Publizitätserfordernissen, lediglich übliche Berichtspflichten ggü. den Investoren

  • – Individuelle Ausgestaltung und hohes Maß an Flexibilität

  • – Schlankere Dokumentation, üblicherweise geringerer Zeit- und Kostenaufwand als bei Konsortialkrediten und Anleihen

 

Christian Groschupp,
Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner

Titelfoto: pixabay.com

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