Mittelstandsanleihen: Endlich wieder Volldampf

Donnerstag, 8. März 2012

Der Markt für Mittelstandsanleihen hat eine Durststrecke hinter sich. Ende 2011 und in den ersten Monaten des laufenden Jahres hat sich kaum ein Emittent aus der Deckung gewagt – zu ungünstig war das Klima auf dem Markt. Doch jetzt nimmt das Segment wieder Fahrt auf – und zwar ziemlich rasant.

First mover in 2012 war die Scholz AG, ein weltweit führendes Unternehmen für das Recycling von Stahlschrott und Buntmetall. Scholz bot eine Anleihe im Volumen von 150 Millionen Euro und mit einer Verzinsung von 8,5% an und konnte den gesamten Betrag innerhalb von wenigen Stunden an den Mann bringen – ein eindeutig positives Signal aus dem Markt. Einen regelrechten Run löste auch die im Februar begebene Unternehmensanleihe des Hemden-Herstellers Seidensticker aus. Der Ansturm auf die zu 7,25% verzinsten Papiere des Bielefelder Familienunternehmens war so groß, dass die Computer der Börse Düsseldorf kurzzeitig in die Knie gingen: Mit einer bisher an keinem Börsenplatz erreichten Orderzahl von mehr als 6.000 Stück im System wurde die automatische Zuteilungsfunktion gestört. Dadurch ging – wie die Börse versicherte – jedochkeine Order verloren, es musste aber manuell nachgearbeitet werden. Nach Auswertung der Orderbücher war die Seidensticker-Anleihe im Volumen von 30 Millionen Euro noch am Begebungstag mehr als siebenfach überzeichnet. 50% wurde institutionellen Investoren und  zugeteilt. Mitarbeiter des Textilunternehmens ergatterten einen Anteil in Höhe von 3,8%. Inzwischen notiert die Anleihe im Segment „mittelstandsmarkt“ der Börse Düsseldorf und verzeichnet einen Kurs von mehr als 105%.

Anleihen-Premieren von Singulus Technologies AG und MT-Energie

Derweil stehen schon die nächsten Emissionen in den Startlöchern. Am 12. März beginnt die Zeichnungsfrist für die Anleihe der Singulus Technologies AG. Der Beschichtungs-Experte – schätzungsweise mehr als die Hälfte aller CDs und DVDs weltweit wurden auf einer SINGULUS TECHNOLOGIES Anlage gefertigt – will bis zu 60 Millionen Euro über den Kapitalmarkt einnehmen und zu 7,75% p. a. verzinsen. Die Papiere sollen ab dem 23. März im Entry Standard der Börse Frankfurt gehandelt weden. Die Singulus Technologies AG, die nach mehreren verlustreichen Jahren in 2011 den Turnaround geschafft hat, will mit dem Emissionserlös der Anleihe unter anderem größere Projekte und neue Produkte im Geschäftsbereich Solar finanzieren. Ferner beabsichtigt Singulus das Unternehmenswachstum durch Forschung und Entwicklung sowie durch Akquisitionen von anderen Firmen oder Unternehmensteilen voranzutreiben.

Auch der Biogas-Anlagenbauer MT-Energie (siehe Anleihen Finder- Interview) hat angekündigt, privaten und institutionellen Anlegern bald eine Anleihe zur Zeichnung anzubieten. Bis zu 30 Millionen Euro will das Unternehmen mit Hauptsitz im niedersächsischen Zeven so einsammeln. Handelsplatz der Schuldverschreibungen wird der „mittelstandsmarkt“ der Börse Düsseldorf sein. Den Zeichnungsstart und die Höhe des Zinskupons hat MT-Energie noch nicht bekannt gegeben.

Und auch die Ekosem Agrar, deutsche Holdinggesellschaft der Ekoniva Gruppe, dem drittgrößten Milchproduzenten Russlands, wagt sich nun vor. Ab dem 12. März können Anleger die zu 8,75% p. a. verzinste Anleihe des Unternehmens zeichnen. Die Papiere (WKN: A1MLSJ, ISIN: DE000A1MLSJ1) im Gesamtvolumen von bis zu 50 Millionen Euro haben eine Laufzeit von 5 Jahren und sollen im Bondm der Börse Stuttgart handelbar sein.

Genaueres über ihre Emission lässt nun auch die MITEC Automotive AG, eines der führenden Unternehmen im Bereich Automobilantriebstechnik, verlauten. Für den 19. März ist der Zeichnungsstart einer 7,75%-Unternehmensanleihe geplant. Das Papier mit einer Laufzeit von 5 Jahren sollte eigentlich schon im Oktober 2011 emittiert werden, wurde wegen der schlechten Marktlage jedoch verschoben.

Wieder gute Startbedingungen für solide Unternehmen

„Die allgemeine Verfassung des Marktes hat sich deutlich verbessert, die Investoren scheinen wieder mehr Zutrauen zu finden und auch die Unternehmen haben sich dem Markt wieder zugewendet“, fasst Dirk Elberskirch, Vorstand der Börse Düsseldorf, die Stimmung zusammen. „Wichtig ist, dass von Seiten der Staatsschuldenkrise keine neuen Belastungen kommen, dann dürfte der Markt der mittelständischen Anleihen weiter anziehen – allerdings mit Investoren, die genau auf die Qualität achten.“ Besonders gute Chancen auf das Kapital der Anleger haben, so Elberskirch, klassische Mittelständler: Familienunternehmen mit einem bekannten Markennamen, langer Tradition, einer ordentlichen Geschäftsentwicklung und Ideen für die Zukunft. „Ich denke, wir können die Zahlen des letzten Jahres durchaus wieder erreichen“, gibt sich der Börsenvorstand optimistisch.

Das individuelle Marktumfeld entscheidet

Ähnlich sehen dies auch Elberskirchs Kollegen von der Stuttgarter Börse. „Trotz der Börsenturbulenzen in der zweiten Jahreshälfte 2011 hat sich nichts an der Entwicklung geändert, dass Unternehmen ihren Finanzierungsmix analysieren und alternative Finanzierungsformenprüfen. Dass es in den vergangenen Monaten weniger Emissionen von Mittelstandsanleihen gab, resultierte aus der allgemeinen Kapitalmarktunsicherheit“, erläutert Sabine Traub, Leiterin der Primary Market Group der Börse Stuttgart. „Auf Investorenseite sind Unternehmensanleihen insgesamt sehr beliebt: Allein im Februar 2012 wurden an der Börse Stuttgart Corporate Bonds mit einem Volumen von mehr als 1,5 Milliarden Euro gehandelt. Auch im Bereich der Mittelstandsanleihen gehen wir davon aus, dass der Markt künftig weiter wachsen wird – immer anhängig vom jeweiligen Marktumfeld.“

Schwierig dürfte das Marktumfeld für Unternehmen aus der Solarbranche bleiben. Das Tauziehen um die EEG- Novelle und die Insolvenz der Solar Millennium AG haben das ihre getan, um die Kurse der Solar-Anleihen (viele davon am Bondm der Börse Stuttgart notiert) abstürzen zu lassen. Bondm und den Markt für Mittelstandsanleihen insgesamt, sieht Traub deswegen jedoch nicht unter Druck: „Der Verlauf des Bondm Index  zeigt sehr deutlich, dass es sich um ein sektorales Thema handelt. Und mehr noch: Selbst innerhalb der Solarbranche muss man unterscheiden, welche Teile der Wertschöpfungskette das jeweilige Unternehmen abdeckt. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Reaktionen bei einzelnen Unternehmen aus der Branche auf die EEG-Novelle. Dies ist aber völlig unabhängig vom Thema Mittelstandsanleihen zu sehen, denn dies betrifft Aktien ebenso wie Anleihen.“

Anleihen Finder Redaktion

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