Mittelstandsanleihen: Darum lassen hohe Handelsvolumina schnell massiv nach

Freitag, 7. September 2012

„Entscheidend für uns ist, dass die Anleihe nur sehr gering gehandelt wird. Das zeigt, dass unsere Anleihenzeichner von uns überzeugt sind und dem Unternehmen starkes Vertrauen entgegenbringen.“ So kommentierte die Unternehmenssprecherin der Textilkontor Walter Seidensticker jüngst den aktuellen Status ihrer Anleihe. Doch ist ein geringer Umsatz an der Börse wirklich ein Zeichen für ein solides Unternehmen? Und zeugt reger Handel im Umkehrschluss von mangelndem Anlegervertrauen?

„Eine generelle Aussage, dass kein Handel ein gutes Zeichen ist, kann nicht getroffen werden“, erläutert Florian Weber, Vorstand der Schnigge Wertpapierhandelsbank AG. „Vielmehr ist zur weiteren Beurteilung noch die Kursentwicklung hinzuzuziehen. Ein Wertpapier, welches keine Umsätze hat, aber fallende Tendenz aufweist, deutet darauf hin, dass es nur Verkäufer gibt, die mangels Kaufinteresse aber immer mehr den Preis senken müssen. Da keine Käufer vorhanden sind, ist dann auch der Umsatz niedrig. Bei Seidensticker ist es aber genau anders herum, hier haben die Umsätze nachgelassen und die Kurse steigen. Das lässt darauf schließen, dass die Nachfrage da ist, die bestehenden Anleger aber ihre Anleihen nicht verkaufen wollen.“

Bei steigenden Kursen ohne Umsatz spricht man auch vom „Verkäuferstreik“ im Gegensatz zum „Käuferstreik“ bei fallenden Kursen ohne Umsatz.

Hohe Umsätze meist nur in den ersten 6 Monaten

Die Fungibilität mittelständischer Unternehmensanleihen in den so genannten Qualitätssegmenten der deutschen Börsen hat mit der Etablierung von Bondm und Co. deutlich zugenommen. Besonders Unternehmen mit klingendem Markennamen wie Valensina oder Katjes, die im mittelstandsmarkt der Börse Düsseldorf gelistet sind, bringen es oft auf fünfstellige Umsätze am Tag, die Air Berlin im Bondm in Stuttgart sogar auf sechsstellige.

„Hohe Handelsvolumina sind für Anleger – zumindest für diejenigen mit überschaubaren (Privatanleger-) Anlagesummen – auf dem Papier wichtig, um jederzeit kaufen und verkaufen zu können, ohne hohe Auf- und Abschläge zu riskieren“, so Wertpapier-Experte Florian Weber. „Dennoch leiden alle Anleihen unter der gleichen Systematik: In der Regel finden in den ersten sechs Monaten die höchsten Umsätze statt, danach geht das gehandelte Volumen massiv zurück. Die Zeichnungsprofiteure verabschieden sich, so dass danach nur noch die langfristig orientierten Anleger (Fonds, Privatanleger etc.) mit buy & hold Strategie übrig bleiben.“

Daytrader versus Buy & Hold-Strategen

Diese Beobachtung hat auch Ulrich Leistner, Geschäftsführender Gesellschafter der Finanzierungsberatung Progredius Finance Experts, gemacht. „In den ersten vier Wochen nach der Notierung der Seidensticker-Anleihe fanden fast 90 Prozent der bisherigen Umsätze statt, und zwar bei im Trend steigenden Kursen. Hier haben offensichtlich tradingorientierte Erstzeichner Kursgewinne mitgenommen. Nun dominieren vermutlich langfristig orientierte Anleger den moderaten Handel mit der Anleihe.“

Für die Emittenten ist dies eine durchaus komfortable Situation. „Es ist es aus Sicht eines mittelständischen Unternehmens sehr wichtig, ruhiges Geld zur Finanzierung des Unternehmens in die Bilanz zu bekommen“, so Leistner.

„Eine zu hohe Handelsaktivität, insbesondere wenn diese von fallenden Kursen und steigenden Risikoaufschlägen begleitet wird, kann auf Nervosität der Anleger und Zweifel an der Bonität des Emittenten zurückzuführen sein; eine Situation, in der ein solides mittelständisches Unternehmen sich ungern befindet.“

Market Maker für Mittelstandsanleihen sind unüblich

Um Privatanlegern trotzdem – sollte einmal kurzfristig Bargeld benötigt werden – die Gelegenheit zu geben, ihre Schuldverschreibungen zeitnah zu verkaufen, gibt es für die Emittenten die Möglichkeit, so genannte Market Maker einzusetzen. Dies sind meist Finanzdienstleister oder Banken, wie beispielsweise die SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank

AG, die als Market Maker im Rahmen der Seidensticker- Emission fungiert. Die Market Maker oder auch Liquiditätsspender erwerben in einem bestimmten Rahmen Anleihen im späteren börslichen Handel und verkaufen sie bei Nachfrage durch Anleger auch wieder. Somit ist ein gewisser Mindesthandel gewährleistet und der Komfort für Kleinanleger erhöht. Im Bereich der Mittelstandsanleihen ist der Einsatz eines Market Makers jedoch noch eine Ausnahme.

Qualitätssegmente unterstützen Liquidität der Anleihen

An der Börse Stuttgart und somit auch im Bondm gibt es jedoch ein vergleichbares Konzept: Hier erfüllt die EUWAX AG die Funktion des Quality Liquidity Providers (QLP). „Der QLP betreibt durch eigene Liquiditätsspenden eine aktive Kurspflege, um Teilausführungen zu vermeiden und somit nicht nur für eine hohe Handelsqualität zu sorgen, sondern auch um damit die Ausführungssicherheit zu erhöhen“, erläutert Bernd Stockmann, Pressereferent der Börse Stuttgart.

Auch an der Frankfurter Börse wird für eine gewisse Liquidität gesorgt: „Für die Anleihen, die im Entry Standard der Deutschen Börse gelistet sind, gibt es bei uns jeweils einen zuständigen Spezialisten. Dies entspricht im übertragenen Sinn der Funktion eines Market Makers, denn auch die Spezialisten unterliegen einer Liquiditätsvorgabe“, berichtet Leticia Adam, Spokesperson der Deutschen Börse AG.

Fazit

Die Handelsintensität von mittelständischen Anleihen ist – gemeinsam mit dem Kursverlauf – ein guter Indikator dafür, in welcher Marktphase und -situation sich die Emittenten gerade befinden. Die Handelsvolumina nehmen bislang nach den ersten Wochen meist stark ab, was für das Unternehmen durchaus positiv wahrgenommen werden kann – aber nur, solange die Kurse stabil bleiben. Um (Privat-) Anlegern trotzdem die Sicherheit einer gewissen Handelbarkeit ihrer Schuldverschreibungen bieten zu können, haben einige Anleihen-Qualitätssegmente Instrumente zur Liquiditätsverbesserung implementiert.

Anleihen Finder Redaktion

Foto: Börse Stuttgart (oben), Rafael Matsunaga/flickr (unten)

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