KMU-Anleihen: Warum der Markt mehr zu bieten hat

Freitag, 11. Oktober 2019


Ein Beitrag der Quirin Privatbank Redaktion:

Der Markt für KMU-Anleihen entwickelt sich freundlich. Die Aussicht auf weiterhin niedrige Zinsen dürfte auch künftig unterstützen. Doch potenzielle Emittenten aus der Industrie halten sich zurück. Warum eigentlich?

Diese Entwicklung kann sich durchaus sehen lassen: Summa summarum wurden in den ersten sechs Monaten 2019 immerhin in elf Emissionen 508 Millionen Euro am KMU-Anleihenmarkt platziert. Das erste Halbjahr verlief also für Unternehmen, die sich am Anleihemarkt refinanzieren wollen, positiv. Und: Die Rahmenbedingungen sprechen dafür, dass der positive Trend auch im zweiten Halbjahr und 2020 anhalten könnte.

Der EZB sein Dank

Grund dafür ist die Lage am Zinsmarkt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bereits Handlungsfähigkeit angedeutet und die Weichen rhetorisch auf ein noch lockereres Zinsregime gestellt – und dies, obwohl der Leitzins für den Euroraum nun schon seit über drei Jahren ein Niveau von 0 Prozent aufweist. „Angesichts des niedrigen Zinsniveaus und des bestehenden Renditehungers vieler Investoren ist das Umfeld für mittelständische Unternehmen bis ins Jahr 2020 hinein positiv“, glaubt Thomas Kaufmann, stellvertretender Leiter Corporate Finance bei der Quirin Privatbank.

Transparenz zahlt sich aus

Vor allem kapitalmarkterfahrene Unternehmen konnten im ersten Halbjahr erfolgreich Anleihen am Markt platzieren. Doch die Börsennotierung allein ist nicht ausschlaggebend: „Unternehmen, die börsennotiert sind, punkten bei Gläubigern mit der großen Transparenz, die ein Listing mit sich bringt. Dieser Effekt lässt sich aber auch unabhängig von der Börsennotierung erzielen, beispielsweise durch eine gute Investor-Relations-Arbeit“, erklärt Kaufmann. Doch noch immer tun sich viele mittelständische Unternehmen mit der Investoren-Kommunikation schwer, wenngleich sich der Aufwand lohnt und die Umsetzung auch kein Hexenwerk ist.

Emittenten aus der Industrie: Mut wird belohnt

Obwohl im ersten Halbjahr 2019 vor allem Immobiliengesellschaften erfolgreich Anleihen platziert hätten, sollten Investoren andere Branchen nicht außer Acht zu lassen. „Viele Unternehmen aus dem klassischen Industriesektor glänzen mit vollen Auftragsbüchern und einem soliden Zahlenwerk. Diese Rahmenbedingungen sind für Investoren gerade in Zeiten von Negativzinsen vielversprechend. Um diese Unternehmen allerdings zu identifizieren, ist aufgrund von Schwächen bei Transparenz und Kommunikation eine gewisse Spürnase gefragt“, schildert Kaufmann.

Erschwert wird die Suche aber auch dadurch, dass schlichtweg zu wenig klassische Industrieunternehmen ein IBO in Angriff nehmen. Angesichts des positiven Marktumfeldes und des bestehenden Investitionsbedarfs rät Finanzierungsexperte Kaufmann mittelständischen Unternehmen sich verstärkt mit IBOs auseinanderzusetzen. „Da es am Markt aktuell ein Überangebot von Emittenten aus beispielsweise dem Immobiliensektor gibt, sind die Chancen für Emittenten aus der Industrie gut, aus der Masse herauszustechen“, so Kaufmann.

Hinweis: Lesen Sie weitere interessante Artikel zum Thema auf dem Quirin Kapitalmarkt-Blog.

IBO: Vorteile überwiegen

Doch noch zögern die kleineren und mittleren Industrie-Unternehmen – aus unterschiedlichen Gründen. So wirken die mit einer Anleiheemission (Initial Bond Offering, IBO) einhergehenden Kosten auf viele KMU abschreckend. Auch die Transparenzpflichten stellen für zahlreiche mittelständische Firmen ein Hemmnis dar. Die höchste Hürde auf dem möglichen Weg zum Kapitalmarkt sehen viele Mittelständler aber wohl in dem für sie schwer einschätzbaren administrativen Aufwand.  „Richtig ist zwar, dass eine Anleiheemission für Unternehmen durchaus mit Aufwand verbunden ist. Richtig ist aber auch, dass die Begebung einer Unternehmensanleihe weitaus weniger Ressourcen bindet, als viele Firmenchefs befürchten“, weiß Experte Kaufmann. Schließlich koordiniert die Emissionsbank nahezu den gesamten Emissionsprozess – von der Prüfung der Kapitalmarktfähigkeit über die Prospekterstellung und Vermarktung bis hin zur Platzierung der Anleihe. Hat ein Mittelständler einen erfahrenen Finanzierungspartner an seiner Seite, kann die Emission einer Unternehmensanleihe im Rahmen eines öffentlichen Angebots innerhalb von rund vier bis fünf Monaten abgeschlossen werden, im Falle einer Privatplatzierung innerhalb von zwei bis drei Monaten.

Kurzum: KMU sollten sich nicht zu sehr vom Aufwand abschrecken lassen und auf der anderen Seite auch die Vorteile nicht übersehen:

  1. 1. Unabhängigkeit von Banken durch weiteres Finanzierungsstandbein
  2. 2. Ergänzung beziehungsweise Optimierung der bestehenden Finanzierungsstruktur
  3. 3. Finanzierung des nationalen und internationalen Wachstums sowie von Übernahmen
  4. 4. Finanzierungs- und Planungssicherheit über die Laufzeit der Anleihe
  5. 5. Erhalt der wirtschaftlichen Selbstständigkeit aufgrund des Fremdkapitalcharakters

Ähnlich, wie auch bei deutschen Tech-Unternehmen, bedürfe es auch im Mittelstand einiger Vorreiter, die ein IBO wagen. „Die Rahmenbedingungen dafür sind sowohl bei Unternehmen als auch im Markt so gut wie lange nicht. KMU-Anleihen sind unter anderem ein wirksames Instrument zur Finanzierung und stillen zugleich den Renditehunger vieler Investoren“, erklärt Kaufmann. Der durchschnittliche Kupon lag im ersten Halbjahr bei 5,23 Prozent und damit um 34 Basispunkte höher als im Vorjahreszeitraum.

Vielfalt belebt den Markt

Dieses Renditeniveau erscheint sowohl für Investoren aber auch für Unternehmen vielversprechend. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass zuletzt viele Unternehmen aus der Immobilienbranche Kapital am Markt für KMU-Anleihen aufnahmen, könnte ein Mehr an Emittenten aus der klassischen Industrie das Rendite-Risiko-Profil erweitern und so dem Markt einen zusätzlichen Impuls geben. „Je heterogener das Feld der Emittenten, desto eher steigt auch für Investoren die Chance, ein diversifiziertes Portfolio aus KMU-Anleihen aufzubauen, das den jeweiligen Anforderungen der Investoren gerecht wird“, so Kaufmann.

Quirin Privatbank Redaktion.

Foto: pixabay.com

Hinweis: Original-Text erschien zuerst auf dem Kapitalmarkt-Blog der Quirin Privatbank

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