Kapitalmarkt-Standpunkt: „Trügerische Sicherheit“

Mittwoch, 10. Februar 2021


Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand der mwb Wertpapierhandelsbank AG:

Eigentlich sind Anleihen ein einfaches Finanzprodukt, dass sich sogar in Anlehnung an den Film „Die Feuerzangenbowle erklären lässt: „Wat is en Anleihe? Da stelle ma uns mal janz dumm.“ Eine Anleihe ist ein „verbriefter Kredit“ oder wie es das FAZ.net Börsenlexikon definiert: „Anleihen gehören für eine Unternehmung zu den klassischen Mittlen der Beschaffung von Fremdkapital. Sie verbriefen einen Rückzahlungsanspruch und Zinszahlungen in bestimmter Höhe als Entgelt für die Überlassung des Kapitals.“

„Rückzahlungsanspruch und Zinszahlung“ sind also die für Institutionelle- und Privat-Anleger gleichermaßen die wichtigsten Grundwerte für den Kauf einer Anleihe. Simpel ausgedrückt: Der Anleihe-Emittent muss an Stichtagen zahlungsfähig sein. Dies sollte nicht nur im Vorfeld eine Emission durch die begleitende Bank im Rahmen einer geeigneten Due Diligence plausibilisiert werden, nein, die Investoren sollten sich so viel Verständnis von der Materie aneignen, dass Sie sich nicht von Markennamen oder Marketingthemen beeinflussen lassen.

Was heißt das konkret? Jeder Investor sollte sich ein paar einfache Fragen stellen: Wofür wünscht sich der Emittent das Fremdkapital aus der Anleihe? Wie funktioniert das Geschäftsmodell des Emittenten? Kann der Emittent auch ohne die Anleihegelder weiter existieren oder investiere ich in eine Art „Schneeballsystem“? Kann der Emittent aus dem Gewinn die Zinszahlungen stemmen? Erscheint die Rückzahlung der Anleihe am Ende der Laufzeit oder eine erfolgreiche „Prolongation“ plausibel? All diese Fragen sollten aus unserer Sicht vor einer Investition bedacht sein.

Was aus unserer Sicht ein Investor aber nicht in seiner Entscheidung beeinflussen sollte sind oft Marketingversprechen wie eine Besicherung durch Grundstücke oder Objekte oder gar durch den Handelsbestand. Bei Immobilien sind diese Sicherheiten dann oft nur im 2. Rang, so dass die Banken hier ohnehin den ersten Zugriff hätten. Es stellt sich die Frage, wann denn so eine Besicherung greifen soll. Doch wohl erst, wenn das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern nicht mehr nachkommen kann – ergo: ein Fall für den Insolvenzverwalter ist. Und wir wissen alle „auf hoher See und vor dem Insolvenzverwalter“ ist man in fremden Händen.

Anhand von zwei Beispielen wollen wir aufzeigen, was wir meinen: 2014 ging die Zamek AG insolvent. Zamek ist wohl das beste Beispiel einer bekannten Marke mit einem Marketingversprechen. Es gab zwei Zamek-Gesellschaften; einmal die Gesellschaft, die das operative Geschäft verantwortete und der das werthaltige Grundstück am Düsseldorfer Stammsitz gehörte und die Zamek Holding, die die Anleihe begeben hat. Damit das operative Geschäft die Gelder aus der Anleihe zugeschrieben bekommen konnte hatte diese Gesellschaft das Grundstück als Sicherheit für die Gläubiger an die Holding zu überschreiben. Jeder, der sich die Fragen, die wir oben angeführt haben, gestellt hat, hätte sehr schnell sehen können, dass der Geschäftsplan mehr als löchrig war. Aber im Notfall gab es ja noch die Verwertung des Grundstücks für die Anleihegläubiger – also alles sicher? Beide Gesellschaften gingen in die Insolvenz, der Insolvenzverwalter aus der operativen Einheit konnte sich das Grundstück zuschlagen und die Anleihegläubiger gingen leer aus.

Gerade in den letzten Tagen musste die SeniVita Social Estate Insolvenz anmelden. Das Geschäftskonzept hat offensichtlich nicht gegriffen. Zu wenig Betten in den Pflegeheimen sind gegen den momentanen allgemeinen Trend belegt. Die Gesellschaft macht einfach keine Gewinne und konnte damit ihren Zahlungsdienst nicht weiter erfüllen. Die Anleihe war besichert durch ein werthaltiges Objekt, welches aber zwischenzeitlich wohl veräußert worden ist, um laufende Kosten und angefallene Schulden zu begleichen. Mit Zustimmung des Treuhänders! Auch hier werden die Anleihegläubiger am Ende des Tages wohl fluchen, weil Sie auf das Marketingversprechen reingefallen sind und eher juristische Texte lesen müssen als Zinsgutschriften.

Mancher wird jetzt einwenden: Es hat doch aber auch bei einigen Anleihen funktioniert. Ja, das stimmt. Aber nur bei Unternehmen, die über wirklich ausreichend Gesamtmasse verfügt haben, um auch die relativ weit in der Rangfolge hinten stehenden Anleihegläubiger zu befriedigen und diese nach Lektüre des „Kleingedruckten“ auch im Unternehmen verblieben sind. Exklusive Besicherungen sind im Ernstfall schwer durchzusetzen. Jeder Insolvenzverwalter holt sich in die Masse, was er bekommen kann, für den Staat, für die Mitarbeiter und für sich selbst.

Zusammenfassend glauben wir nicht an Unternehmen, deren löchriges Geschäftsmodell eine „exklusive“ Besicherung zur Bewerbung und Begebung einer Anleihe benötigt. Es sind oft trügerische Sicherheiten!

Kai Jordan, mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG

Foto: pixabay.com

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