Was ist bei der S.A.G Solarstrom AG los? – „Vorsicht bei Kaufangeboten von Investoren, die für kleines Geld Anleihebeteiligungen erwerben wollen“ – Ein Interview mit Klaus Nieding, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

Dienstag, 27. Mai 2014


Für die Anleihengläubiger der S.A.G. Solarstrom AG bleibt die Lage ungewiss. Die Anleihen Finder Redaktion hat daher den Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V., Klaus Nieding zu seiner Einschätzung der aktuellen Situation bei der S.A.G. Solarstrom AG befragt.

Anleihen Finder Redaktion: Sehr geehrter Herr Nieding, an welchem Punkt befindet sich das Insolvenzverfahren der S.A.G. Solartstrom AG zum jetzigen Zeitpunkt?

Klaus Nieding: Am 01.03.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der SAG Solarstrom AG eröffnet. Am 11.04.2014 wurde durch das Amtsgericht Freiburg Gläubigerversammlungen durchgeführt, in welchen für die beiden Unternehmensanleihen ISIN DE000A1K0K53/ WKN A1K0K5 und ISIN DE000A1E84A4 / WKN A1E84A jeweils ein gemeinsamer Vertreter gewählt wurde, welcher die Interessen der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren vertritt. Am 16.05.2014 fand nun die Gläubigerversammlung statt. Wie man den Verlautbarungen entnehmen kann, ist der Insolvenzverwalter um eine Unternehmensfortführung bemüht und befindet sich auf Investorensuche für das insolvente Unternehmen mit dem Ziel, das Unternehmen zu erhalten. Das Insolvenzverfahren läuft erst seit knapp drei Monaten, also noch in einem relativ frühen Stadium. Dennoch ist der Insolvenzverwalter zuversichtlich.

Anleihen Finder Redaktion: Was bedeuten die aktuellen Ergebnisse der Gläubigerversammlung für die Anleihegläubiger? Auf wie viel Geld können die Anleihegläubiger hoffen? Was sollen bzw. können Anleihegläubiger jetzt tun?

Klaus Nieding: Der Insolvenzverwalter hat sich dahingehend geäußert, dass bei einem positiven Verlauf des Investorenprozesses eine Insolvenzquote von annähernd 50 Prozent möglich sein soll. Dies wäre für die Anleihegläubiger erst einmal eine gute Nachricht. Jedoch handelt es sich hierbei noch nicht um ein definitives Ergebnis. Es gilt den Fortgang des Verfahrens, insbesondere den Investorenprozess abzuwarten.

„Ich rate allen Anleihegläubigern, soweit dies noch nicht geschehen ist sich mit dem Gemeinsamen Vertreter Ihrer Anleihe in Verbindung zu setzen und sich dort zu registrieren, um über die weitere Entwicklung des Verfahrens informiert zu werden.“

Da die Anleihegläubiger der beiden Unternehmensanleihen im Insolvenzverfahren durch den jeweiligen Gemeinsamen Vertreter vertreten werden, müssen diese hinsichtlich der Wahrung Ihrer Rechte im Insolvenzverfahren nicht tätig werden, insbesondere keine individuelle Forderungsanmeldung vornehmen. Ich rate allen Anleihegläubigern, soweit dies noch nicht geschehen ist, sich mit dem Gemeinsamen Vertreter Ihrer Anleihe in Verbindung zu setzen und sich dort zu registrieren, um über die weitere Entwicklung des Verfahrens informiert zu werden.

Allgemein können die Anleihegläubiger darüber hinaus mögliche weitere Ansprüche anwaltlich prüfen lassen, da der Gemeinsame Vertreter die Anleihegläubiger regelmäßig nur im Insolvenzverfahren und nicht auch darüber hinaus bei Ansprüchen gegen Dritte etc. vertritt. In Betracht kommen hier beispielsweise Ansprüche gegen den Anlageberater aus fehlerhafter Anlageberatung.

Anleihen Finder Redaktion: Und was passiert bei einer Zerschlagung des Unternehmens? Worauf müssen sich die Anleihegläubiger einstellen?

Klaus Nieding: Eine Insolvenz kann auch in der Zerschlagung oder Verwertung sämtlicher Unternehmensteile bestehen. Dies ist sogar der Regelfall. Kommt es zur reinen Abwicklungsinsolvenz, wird das Insolvenzverfahren sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Die Anleihegläubiger müssen in diesen Fällen einen langen Atem beweisen, da Sie bis zum Ende des Insolvenzverfahrens und der Auszahlung der Insolvenzquote durchhalten müssen. Die Höhe der Insolvenzquote hängt natürlich maßgeblich von den in einem solchen Fall erzielbaren Veräußerungserlösen für die einzelnen Vermögenswerte ab.

„In diesen Fällen registrieren wir vermehrt, dass Investoren mit Kaufofferten an die Anleihegläubiger herantreten, in der Absicht für kleines Geld die Anleihebeteiligung zu erwerben.“

Da ich selbst in solchen Abwicklungsverfahren, bspw. bei der Solar Millenium AG, das Amt des Gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger bekleide, kann ich den Anlegern nur raten, vorsichtig zu sein, wenn Ihnen Kaufangebote für Ihre Anleihebeteiligung ins Haus flattern. Die Anleger sollten sorgfältig prüfen, ob Sie tatsächlich das Kaufangebot eines freien Investors, welches Ihnen durch die Depotbank übermittelt wird, annehmen wollen. In diesen Fällen registrieren wir vermehrt, dass Investoren mit Kaufofferten an die Anleihegläubiger herantreten in der Absicht für kleines Geld die Anleihebeteiligung zu erwerben. Natürlich wird hier auf eine höhere Insolvenzquote spekuliert. Insoweit sollten Anleihegläubiger hier nicht vorschnell handeln und ggf. den Gemeinsamen Vertreter bei etwaigen Fragen im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren oder etwaigen Kaufangeboten kontaktieren.

Anleihen Finder Redaktion: Herr Nieding, vielen Dank für Ihre Einschätzungen. Wir bedanken uns für das Gespräch.

Die S.A.G. Solarstrom AG i.I. (WKN: 702 100, ISIN: DE0007021008), Freiburg i. Br., ist herstellerunabhängiger Anbieter von individuell für den Kunden konfigurierten Photovoltaik-Anlagen. Die Unternehmensgruppe errichtet national und international Anlagen in allen Größenordnungen. Mit eigenen Anlagen produziert das Unternehmen Solarstrom. Die S.A.G. Solarstrom AG ist im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse sowie nach dem Regelwerk M:access der Börse München notiert.

Anleihen Finder Redaktion. Das Interview führte Timm Henecker.

Foto: NASA-Goddard-Space-Flight-Center/flickr

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