Interview: Herr Hasler, was ist besonders an der 1. Mittelstandsanleihe einer Versicherung?

Freitag, 21. September 2012

Noch bis kommenden Montag kann die Anleihe die erste Mittelstandsanleihe einer Versicherung gezeichnet werden: Die Enterprise Holdings Limited begibt eine Mittelstandsanleihe (ISIN: DE000A1G9AQ4 / WKN: A1G9AQ) mit einem Maximalvolumen von 35 Millionen Euro, einer Laufzeit von fünf Jahren und einem jährlichen Zins von sieben Prozent. Die Zeichnungsfrist endet am 24. September 2012. Nach Angaben der Emittentin sollen private und institutionelle Investoren „großes Interesse“ zeigen.

Die Mittelstandsanleihe der Enterprise Holdings Limited, die sich selbst als „Holdinggesellschaft mit einer auf Nischenlösungen spezialisierten Versicherungsgesellschaft bezeichnet“, wird voraussichtlich am 26. September dieses Jahres an der Börse Frankfurt im Segment Entry Standard für Anleihen notiert werden.

Enterprise Holdings will die Anleihe-Millionen für die Expansion in europäischen Märkten verwenden. Schon in den nächsten Tagen soll in Österreich eine Krankenversicherung für Haustiere an den Start gehen, meldete Enterprise Holdings. Nach Österreich soll Deutschland als weiterer Zielmarkt folgen.

Der Anleihen Finder Redaktion sind einige besondere Merkmale der Enterprise Holdings-Anleihe aufgefallen. Anlass, um bei Peter Thilo Hasler (Foto), Vorstand der Blättchen & Partner AG, nachzufragen.

Anleihen Finder Redaktion: Die Enterprise Holdings Limited ist die erste Versicherung, die eine Mittelstandsanleihe begibt. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Emittentin ihren Firmensitz in Gibraltar hat. Investoren könnten angesichts der Tatsache, dass sie den Gerichtsstand Gibraltar in Betracht ziehen müssten, verunsichert werden. Können Sie das nachvollziehen?

Peter Thilo Hasler: Als ehemalige Kronkolonie und jetziges britisches Überseegebiet ist Gibraltar seit je Teil des Vereinigten Königreiches und damit der Europäischen Union. Die Währung, das Gibraltar-Pfund, steht in einem festen Wechselkurs zum britischen Pfund, dem man sicherlich in den letzten Jahren keine Schwäche gegenüber dem Euro nachsagen kann. Die Rechnungslegungsvorschriften orientieren sich am UK-GAAP, das gegenüber IFRS nur wenige Abweichungen aufweist. Gibraltar ist also keine risikobehaftete Steueroase, sondern ein streng regulierter Kapitalmarkt mit überschaubaren Währungsrisiken. Für die Gläubiger gilt ferner, dass laut Anleihebedingungen der Gerichtsstand für etwaige Streitigkeiten in Bezug auf die Emission in München ist.

Anleihen Finder Redaktion: Enterprise Holdings erwirtschaftet mit dem Underwriting von so genannten White Label-Nischenversicherungen Erträge. Können Sie den interessierten Anlegern kurz erklären, warum diese Nischenversicherungen für Enterprise Holdings lukrativ sind?

Peter Thilo Hasler: Sie haben recht, die Märkte, in denen Enterprise Holdings aktiv ist, sind überwiegend hochprofitable Nischenmärkte, die – bedingt durch die Größe und das speziell benötigte Know-how – von den etablierten und zumeist weltweit tätigen Versicherungskonzernen nicht bearbeitet werden (können). Dies führt zu einer signifikanten Reduktion der Wettbewerbsintensität. Um den profitablen Markteintritt in diesen Nischen zu erreichen arbeitet Enterprise Holdings im Vertrieb mit Partnern zusammen, darunter Versicherungsagenten und -maklern, Clubs oder Affinity Groups. Im Kfz-Bereich zum Beispiel bietet Enterprise Holdings über „The AA“ und die „ELPA“, den britischen und griechischen Pendants zum deutschen ADAC, Automobil-Haftpflicht- und -Vollkaskoversicherungen an. Da die Administration der Policen vollständig bei den Vertriebspartnern verbleibt, kann sich Enterprise Holdings auf seine Kernkompetenzen, die Risikobewertung und das Underwriting der Versicherungen, konzentrieren.

Gerade im Underwriting arbeitet Enterprise Holdings höchst effizient und innovativ: In Frankreich zum Beispiel sind Automobilversicherungen an die Bonität der Kunden gebunden. Mit der Zeit hat sich dadurch eine Gruppe von nahezu unversicherbaren Autofahrern herausgebildet, die etwa in kurzer Zeit mehrere Unfälle verursachten oder wegen Trunkenheit am Steuer ihren Führerschein verloren haben. Diesen Kunden Versicherungsschutz zu einer dann deutlich höheren Prämie anzubieten kann eine höchst profitable Strategie sein – sofern man Langzeitrisiken vermeidet – indem man sich etwa ein jährliches Kündigungsrecht einräumen lässt.

Anleihen Finder Redaktion: Sie sprechen das Engagement von Enterprise Holdings in Griechenland an. Ist das nicht ein beträchtliches Risiko?

Peter Thilo Hasler: Nein, denn im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben lässt sich der Versicherungsumfang eines Versicherten ja kaum reduzieren – außer der Besitzer verkauft seinen Wagen. Für ausländische Marktteilnehmer besteht natürlich ein Wechselkursrisiko, das sich aus der nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Euro-Austritts Griechenlands ergibt. Ohne hierzu ein konkretes Szenario entwickeln zu können, lässt sich abschätzen, dass in diesem Worst Case-Szenario die Situation zumindest für die Versicherung erträglich bleiben dürfte, da die Prämieneinnahmen ja bereits in EUR vereinnahmt wurden, während zukünftige Schäden nach einem Euro-Austritt in der „Neuen Drachme“ bezahlt werden müssten. Da zudem die allgemeine Meinung von einer notwendigen starken Abwertung der „Neuen Drachme“ ausgeht, dürften dann auch die Kosten für die Regulierung der Schäden auf Euro-Basis eher sinken als steigen.

Anleihen Finder Redaktion: Welche sonstigen Risiken können Sie beim Angebot der Enterprise Holdings identifizieren?

Peter Thilo Hasler: Zum einen besitzt Enterprise Holdings keinen direkten Zugang zu seinen Kunden, sondern ist vom Erfolg seiner Vertriebspartner abhängig, sowohl bezüglich der Generierung von Neugeschäft als auch bezüglich der Verlängerung bestehender Policen. Stornierungen spielen aufgrund der kurzen Vertragslaufzeiten von durchschnittlich nur einem Jahr u. E. keine Rolle. Dann wird die Gesellschaft zeigen müssen, ob sie auch mit zunehmender Größe in der Lage sein wird, die adressierten profitablen Nischenmärkte weiterhin zu behaupten und neue Märkte identifizieren und zu entwickeln. Zu erwähnen ist schließlich die Abhängigkeit der Unternehmensgruppe vom Firmengründer und Managing Director Andrew Flowers. Eine Schwäche sehen wir im aktuellen Zinsumfeld: So ist nicht auszuschließen, dass sowohl in Großbritannien als auch in der Euro-Zone noch über Jahre eine lockere Geldpolitik für eine Beibehaltung des aktuellen Zins-Rekordtiefs sorgen wird. Eine dauerhafte Verbesserung des Anlageergebnisses in absoluten Zahlen sollte daher nur über eine Ausweitung des Anlagevolumens im Zuge steigender Prämieneinnahmen möglich sein.

Anleihen Finder Redaktion: Die Creditreform Rating Agentur hat die Mittelstandsanleihe von Enterprise Holdings mit der Rating Note „A-“ beurteilt. Aus welchen Gründen können Sie das nachvollziehen?

Peter Thilo Hasler: Die Gesellschaft ist bislang bankschuldenfrei, ist überdurchschnittlich profitabel und zeigte in den letzten drei Jahren weit überdurchschnittliche Wachstumsrate auf. Die Anleihe ist darüber hinaus überdurchschnittlich gläubigerfreundlich ausgestattet. Zentrales Element der Covenants ist, dass die Emittentin die Hälfte des geschätzten monatlichen Nachsteuerergebnisses auf ein Sonderkonto überweist, bis der auf dem Konto verfügbare Betrag dem Gesamtnennbetrag der Anleihe zuzüglich den jeweils noch fälligen Zinsen entspricht. Die eingezahlten Beträge sollen entsprechend der unternehmerischen Anlagepolitik in UK-Staatsanleihen oder in Unternehmensanleihen mit Investment Grade-Rating angelegt werden. Darüber hinaus enthalten die Anleihebedingungen eine Ausschüttungssperre, die die Emittentin verpflichtet, keine Ausschüttungen vorzunehmen, sollten diese die möglichen Zahlungen auf das Sonderkonto reduzieren. Ebenfalls vorbildlich sind die Regelungen zum Limitation of Asset Sale, die es der Emittentin verbieten, wesentliche Unternehmensteile während der Laufzeit der Anleihe zu verkaufen. Darüber hinaus wird jedem Anleihegläubiger ein vorzeitiges Kündigungsrecht zum 26.09.2015 zugestanden; de facto hat die Anleihe damit eine Laufzeit von nur drei Jahren. Schließlich wird die Emittentin verpflichtet, keine oder nur unter bestimmten Bedingungen Sicherheiten zu gewähren, um eine Gleichbehandlung der Anleihegläubiger mit den anderen Gläubigern sicherzustellen. Marktstellung, Finanzkennzahlen und Anleihebedingungen sind damit weit überdurchschnittlich attraktiv und rechtfertigen aus unserer Sicht das Rating von A-.

Anleihen Finder Redaktion: Herr Hasler, vielen Dank für das Gespräch.

Anleihen Finder Redaktion

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