„GEWA ist kein ’normaler‘ Insolvenzfall“ – Exklusiv-Interview mit Gläubiger-Vertreter Gustav Meyer zu Schwabedissen

Mittwoch, 20. Juni 2018
gewa_tower_GEWA 5 to 1 GmbH & Co. KG_groß Neuemission: GEWA 5 to 1 GmbH & Co. KG plant Unternehmensanleihe für Wohn- und Hotel-Turm bei Stuttgart


Die Insolvenznachricht beim GEWA-Tower-Projekt kam seinerzeit im November 2016 für viele Anleger und Experten äußerst überraschend. Was ist nun – 19 Monate nach der Insolvenzmeldung – der aktuelle Stand der Dinge im „Fall GEWA“? Die Anleihen Finder Redaktion hat dazu exklusiv mit Gustav Meyer zu Schwabedissen (mzs Rechtsänwälte), gemeinsamer Vertreter der GEWA-Anleihegläubiger, über die gegenwärtige Situation des GEWA-Towers von Fellbach gesprochen.

Anleihen Finder: Herr Meyer zu Schwabedissen, können Sie uns und unsere Leser auf den aktuellen Stand im „Fall GEWA“ bringen? Wie stellt sich die gegenwärtige Situation der beteiligten Parteien dar?

MzS: Die Rahmenbedingungen sind folgende: 1. Die Anleihe ist notleidend. Sie hätte von der Emittentin am 24. März 2018 getilgt werden müssen. Wurde sie aber nicht. Die letzte Zinsrate wurde auch nicht gezahlt. 2. Die Emittentin hat einen Insolvenzantrag gestellt. Die Insolvenz wurde bislang nicht eröffnet. 3. Zu den Rahmenbedingungen gehört schließlich, dass die Emittentin über eine erhebliche Masse verfügt, auf die die Anleihegläubiger Dank einer grundbuchlichen Sicherung vorrangig Zugriff haben. Diese besteht aus dem zu schätzungsweise zwei Dritteln fertiggestellten Wohnturm und dem zu schätzungsweise neunzig Prozent fertiggestellten Hotel. Es kommt also entscheidend darauf an, wie man den Wert der Masse berechnet.

Anleihen Finder: Wie berechnen Sie den Wert der Masse?

MzS: Wir haben laut Prospekt im Wohnturm 10.336 qm. Berechnen wir 5.000 Euro den qm, sind wir bei 50 Mio. Euro. Berechnen wir wie im Prospekt der Anleihe 5.760 Euro sind wir bei knapp 60 Mio. Euro. Dazu kommen noch gut 10 Mio Euro für das Hotel (laut Prospekt: 7.791.350 Euro). Wir reden also von einem Bruttowert, der sich auf auf mindestens 60 Mio Euro beläuft. Wenn man andererseits bedenkt, dass schon bei Auflegung des Prospektes mit 61,5 Mio Euro an Baukosten gerechnet wurde, kann man ermessen, wie knapp das Objekt kalkuliert war.

Anleihen Finder: Das sind aber nur Überlegungen zum Bruttowert der Immobilie. Einige Wohnungen sind ja schon verkauft. Es sind also noch die restlichen Baukosten und die bereits gezahlten Kaufpreise für die Wohnungen abzuziehen?

MzS: Ja, genau. Die gezahlten Kaufpreise und die Restbaukosten sind abzuziehen. Verkauft wurden knapp 5.900 qm zum Durchschnittspreis von 3.774 Euro den qm. Rund 13 Mio. sind davon schon bezahlt und müssen daher abgezogen werden. Die Höhe der Restbaukosten ist nur schwer zu schätzen. Der Architekt Wolf, der ja im Auftrag von Baresel das Objekt geplant und die Gewerke ausgeschrieben hat, hat angenommen, dass die restlichen Baukosten sich auf 27 Mio. Euro belaufen würden. Andere Investoren rechnen mit deutlich weniger, zumal es auch Interessenten für das Hotel gibt, die es im Ist-Zustand kaufen würden.

„Das GEWA-Projekt war zu knapp kalkuliert“

Anleihen Finder: Nochmal kurz rückblickend: woran ist das so sicher erscheinende Projekt „GEWA-Tower“ (inkl. Anleihe) letztendlich gescheitert?

MzS: Wie ich oben bereits vorgerechnet habe: meines Erachtens war das Projekt einfach zu knapp kalkuliert: prospektierte Investitionskosten von 60 Mio. Euro gegen einen Immobilienwert von 67 Mio. Euro. Da können schon leichte Verschiebungen im 1-stelligen Prozentbereich das Projekt in Schieflage bringen. Besonders schlimm hat sich aber ausgewirkt, dass Verkäufe unter Wert vorgenommen wurden, um sich Liquidität zu verschaffen oder anders ausgedrückt: die Wohnungen in den oberen Etagen, die mit 7.700 Euro den qm prospektiert waren, fanden keine Käufer. Der Bau selber wurde aber offenbar gut ausgeführt. Das bestätigen uns die eingeholten TÜV-Gutachten.

Anleihen Finder: Welche (Verkaufs-)Ziele verfolgen Sie mit dem GEWA-Tower konkret? Welches Szenario wäre ihrer Meinung nach das Beste für die Gläubiger?

MzS: Das ist schwer zu sagen. Klar, am einfachsten ist es, die Immobilie an einen Investor zu verkaufen und dann den Erlös an die Gläubiger zu verteilen. Ob man allerdings einen befriedigenden Verkaufserlös erzielt, muss man sehen. Es mehren sich daher die Stimmen in der Gläubigerschaft, dass die Gläubiger den Turm selber fertig stellen und dann die Wohnungen erst einmal vermieten, um sie dann sukzessive abzuverkaufen. Das Hotel würde man für gut und gerne zehn Millionen Euro sofort verkaufen können und zwar in seinem jetzigen Zustand. Dann hätte man eine gute Liquidität, um auch die weitere Finanzierung für die Fertigstellung des Wohnturms erhalten zu können. Aber auch diese weitere Finanzierung muss erst einmal dargestellt werden.

„Ich würde mich wundern, wenn wir nicht zum Abschluss kämen“

Anleihen Finder: Warum konnten die bisherigen Kaufangebote noch nicht überzeugen? Warum stellt sich ein Verkauf als so schwierig dar?

MzS: Aus erster Hand weiß ich nicht, warum der ursprüngliche Bieter abgesprungen ist. Der zweite Bieter ist nicht abgesprungen, aber er hat die Exklusivitätsfrist verstreichen lassen. Es sollen rein interne Gründe sein, weswegen er sein Angebot (noch) nicht verbindlich abgegeben hat. Daneben haben sich aber in der Branche bekannte Immobilienentwickler gemeldet, die ernsthafte Gespräche mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli von Pluta führen. Ich würde mich wundern, wenn wir nicht zum Abschluss kämen.

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Anleihen Finder: Welche Forderungen stellen Sie an die Bauherren Mark und Michael Warbanoff sowie die Baufirma Baresel?

MzS: Hier möchte ich aus taktischen Gründen zur Zeit nichts sagen. Nur so viel: der vorläufige Insolvenzverwalter hat ein umfangreiches Gutachten angefertigt und er befindet sich in fruchtbaren Gesprächen.

Anleihen Finder: Den Investoren geht es natürlich um ihr eingesetztes Geld – auf welche Rückzahlungsquote dürfen die Gläubiger – Stand jetzt – hoffen? Was scheint derzeit realistisch?

MzS: Darf ich das sagen? Es hat immerhin kapitalmarktrechtliche Bedeutung, wenn ich hier eine Prognose abgebe. Aus meinen diversen Rundschreiben und auch hier in diesem Interview habe ich aber immer wieder die Zahlen genannt, die im Raume standen und stehen. Rechnen muss dann jeder schon selber.

„Sehr konstruktiv mitwirkender Anlegerkreis“

Anleihen Finder: Wie reagieren die Anleger bislang?

MzS: Ich muss sagen, dass es einen sehr konstruktiv mitwirkenden Anlegerkreis gibt. Dafür bin ich sehr dankbar. Den Stil hat insbesondere Herr Friedrich von der KfM AG geprägt. Jeder Anleger, der sich mit der Situation befasst, weiß im Grunde Bescheid. Er weiß, dass er grundbuchlich gesichert ist und dass der gesamte Verkaufserlös erstrangig den Anleihegläubigern zusteht, sieht man von der Unsicherheit in Bezug auf die nachrangige Bauhandwerkersicherungshypothek ab. Insofern stelle ich ein hohes Maß an rationalem Verständnis für die Situation fest. Es geht in den Gesprächen deswegen nur darum, ob der Weg, den der vorläufige Insolvenzverwalter beschreitet, der Richtige ist. Ich stelle fest, dass auch hier ein hohes Maß an Zustimmung herrscht.

„Es ist kein ’normaler‘ Insolvenzfall“

Anleihen Finder: Würden Sie den „Fall GEWA“ aus ihrer Erfahrung als einen „normalen“ Insolvenzfall bezeichnen? Wenn nein, warum nicht?

MzS: Es ist kein „normaler“ Insolvenzfall. Ein „normaler“ Insolvenzfall ist davon geprägt, dass eine Vielzahl von Gläubigern Forderungen stellen und dass u.U. eine Produktion weiter laufen sollte. Im Falle Gewa ist ein Bau unterbrochen und es gibt keine weiteren Großgläubiger, wie etwa eine Bank.

Anleihen Finder: Für Juli sind gleich zwei Gläubigerversammlungen terminiert – eine erste Abstimmung ohne Versammlung vom 09. bis 11. Juli sowie bereits eine mögliche zweite Ersatzversammlung (Präsenzversammlung in Fellbach) am 20. Juli, falls bei der ersten Abstimmung das Quorum verfehlt werden sollte. Über was genau sollen die Anleihegläubiger dort abstimmen?

MzS: Es ist von unschätzbarem Vorteil, wenn die Bieter mit jemanden verhandeln können, der auch entscheiden kann. Die Gläubigerversammlungen bezwecken daher, mir als gemeinsamen Vertreter der Gläubiger größtmögliche Flexibilität bei den Verhandlungen mit den Bietern zu geben. Formell verhandeln die Bieter natürlich mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser hat bereits jetzt von Gesetz wegen alle Möglichkeiten, die Masse bestmöglich zu verwerten. Allerdings sind ihm die Hände gebunden, da die grundbuchliche Sicherung der Gläubiger insolvenzfest ist. Deswegen braucht er eine Zustimmung für die Verwertung von mir als dem gemeinsamen Vertreter der Gläubiger. Wenn die Beschlussvorschläge angenommen werden, kann ich auf die jeweilige Situation angemessen reagieren.

„Der Beirat ist das Gegengewicht zu den Ermächtigungen“

Anleihen Finder: Sie sprechen den Adhoc-Beirat an. Was soll dieser bezwecken?

MzS: Die mir durch die Beschlussvorlagen zuerkannten Ermächtigungen übertragen mir vor allem eine entsprechende Verantwortung. Denn ich muss entscheiden, ob ein Verwertung zu den angebotenen Preisen angemessen ist oder ob u.U. das Risiko genommen werden soll, weiter zu verhandeln. Bei solch weitreichenden Entscheidungen ist es gut, wenn man sich mit einem Beirat aus dem Gläubigerkreis besprechen kann. Insofern ist dieser Beirat sozusagen das Gegengewicht zu den Ermächtigungen.

Anleihen Finder: Welche Fristen müssen die Anleger zur Teilnahme  an den AGVs einhalten? Können sich Anleger bei einer möglichen Präsenzveranstaltung mit eigenen Vorschlägen einbringen?

MzS: Die Fristen sind in dem Einladungsschreiben genau aufgeführt. Für die Abstimmung ohne Versammlung muss der Gläubiger zwischen 09. und 11. Juli seine Stimme abgeben. Muss doch noch eine Präsenzveranstaltung stattfinden, dann muss der Gläubiger sich rechtzeitig, das heißt bis zum 17. Juli 2018 anmelden. Die Versammlung findet ggf. am 20. Juli statt.

Der Anleger kann grundsätzlich eigene Vorschläge einbringen. Er muss allerdings auf die Formalien achten. Neue Gegenstände kann er nur zu Entscheidung stellen, wenn er wenigsten 5% des Nennwerts repräsentiert. In jedem Fall muss für eine rechtzeitige Veröffentlichung gesorgt werden.

„Ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, dass der Tower eine Ruine bleibt“

Anleihen Finder: Wie optimistisch sind Sie, dass der Tower keine Bau-Ruine bleiben wird?

MzS: Ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, dass der Tower eine Ruine bleibt. Das Gebäude hat eine herausragende Architektur und hat das Zeug zu einem „landmark Building“. Ich gehe davon aus, dass es deswegen für jeden Immobilienentwickler höchst interessant ist.

Anleihen Finder: Herr Meyer zu Schwabedissen, besten Dank für das Gespräch.

ANLEIHE CHECK: Die vierjährige GEWA-Anleihe 2014/18 (WKN A1YC7Y) hat ein Gesamtvolumen von 35 Millionen Euro, das vollständig platziert wurde. Die Anleihe sollte jährlich mit 6,50 Prozent verzinst werden.

Anleihen Finder Redaktion.

Foto: GEWA 5 to 1 GmbH & Co. KG

Anleihen Finder Datenbank

Unternehmensanleihe der GEWA 5 to 1 GmbH & Co. KG 2014/2018

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