„Fußnote“: Deutscher Anleihe-Zug – Grünes Licht für Reform der Infrastruktur
Ein Blick auf den KMU-Anleihemarkt von Markus Knoss, BankM AG:
Die Bahn ist immer ein guter Aufhänger für Gespräche. Auch in unserer neuen Kolumne geht es dieses Mal um Signalstörungen, Weichenstellungen und Gleisbaumaßnahmen. Hintergrund: Der deutsche Markt für KMU-Anleihen soll einen neuen Standard bekommen, um langfristig erfolgreich zu bleiben.
Nur 55 Prozent der Fernzüge hatten im September weniger als 6 Minuten Verspätung. Neuer Negativrekord, selbst für die Deutsche Bahn. Dabei kommt es laut Recherchen des Spiegel sogar zu gezielten Ausfällen, um die Statistik zu schönen. Was das alles mit dem Markt für KMU-Anleihen zu tun hat? Zum Glück zunächst einmal wenig. Denn anders als die chronisch erfolglose Bahn, steuert der Anleihemarkt auf ein über den Erwartungen liegendes Jahresergebnis zu.
Musste der Anleihe-Zug zu Beginn des Jahres noch eine Weile auf das Freizeichen der Fahrleitung warten, vergeht nunmehr kaum noch eine Woche, an dem nicht ein neuer Bond emittiert wird. Und nicht nur die Anzahl der Mittelstandsemissionen ist stark gestiegen, gleiches gilt auch für Platzierungserfolge und Gesamtvolumina. Treibstoff liefert das von Rekord zu Rekord eilende Kapitalmarktumfeld, das für gute Stimmung sorgt.
Der Zug rollt also und die Traktion des Triebwagens kommt immer mehr ins Arbeiten. Ist es zu spät der fahrenden Lok hinterherzulaufen? Keineswegs. Warum also der anfängliche Verweis auf die Verzögerungen bei der Bahn? Ganz einfach: Weil ein wesentlicher Faktor für Verspätungen und Ausfälle durch mangelhafte Infrastruktur verursacht wird. Jahrzehntelang versäumte Investitionen müssen mühsam nachgeholt werden und das bei laufendem Betrieb.
Schwächen erkannt, Initiative gestartet
Zugegeben, so schlimm ist es um die Kapitalmarktinfrastruktur nicht bestellt. Aber auch hier sind immer wieder Erneuerungen nötig, um sich erfolgreich für die Zukunft zu trimmen. So hat unser mittelständischer Anleihe-Zug im Laufe der letzten Jahre immer öfter Anzeichen auf Defekte und Altersschwächen erkennen lassen. Dazu gehören das negative Erbe der sogenannten Mittelstandsanleihen genauso wie die zwangsweise Liquidierung des Deutschen Mittelstandsfonds als damaligem Großinvestor. Ebenso wurden Defizite von Treuhändern offengelegt, die zu Schäden bei Investoren geführt haben. Eine eigene Restrukturierungsindustrie mit wechselnden Agenden hat sich gebildet, die derzeit teilweise die Gerichte beschäftigt.
Trotz der weiterhin guten Performance musste also etwas passieren. Investoren und andere Anleihe-Zug-Fahrer warten schon länger sehnlichst auf eine Weichenstellung, die sicherstellt, dass alle Anschlusszüge erreicht werden. Zumal sich zeitgleich das Nordic Bond Format sehr erfolgreich entwickelt hat. Mit der Treuhänderstruktur bietet die Umsetzung in skandinavischer Rechtsordnung einen vermeintlich entscheidenden Vorteil.
Ich sage vermeintlich, denn wenn es uns in Deutschland gelingt, einen einheitlichen, von allen Stakeholdern akzeptierten Rahmen zu schaffen, verliert das oft aufgeführte Argument des Nordic-Trustees an Schlagkraft. Einen „German SME Bond Standard“ zu etablieren, genau das ist das Ziel der vorbildlichen Initiative des Interessenverbandes Kapitalmarkt KMU, dem Sprachrohr des kapitalmarktorientierten Mittelstandes. Eine Arbeitsgruppe mit Experten aller Disziplinen hat sich gebildet, die dieses Infrastrukturprojekt jetzt konkret vorantreibt.
Geeigneter Fahrdienstleiter gesucht
Was waren und sind die Gründe für sich für die Einführung des „German SME Bond Standard“ einzusetzen? Zuallererst geht es darum, Vertrauen bei Emittenten und Investoren zu stärken. Standardisierung, Transparenzrichtlinien und klare, stärkere Gläubigerrechte müssen die Kernelemente eines von allen Markteilnehmern akzeptierten Rahmens sein. Hier ist die „Installierung eines Fahrdienstleiters“ erforderlich. Für diese gewichtige Rolle wird ein Treuhänder benötigt, der ähnliche Rechte ausüben kann wie der Nordic Trustee. Jedoch nach deutschem Recht.
Weil Treuhänder hierzulande am Kapitalmarkt in den vergangenen Jahren allenfalls eine Nebenrolle gespielt haben, ist der für die Aufgabe zur Verfügung stehende Personenkreis leider deutlich geschrumpft. Dem Auswahlprozess ein Audit vorzuschalten, erscheint deshalb sinnvoll. Grundsätzlich sollte die Bewerbung für die die Funktion des Treuhänders aber allen geeigneten Dienstleistern offenstehen. Hierdurch entstehen auch wieder neue Chancen, sich in Richtung Kapitalmarkt zu positionieren.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Beim German SME Bond Standard geht es um eine Reform des deutschen Marktes für KMU-Anleihen und seiner Folgepflichten. Andere Modelle haben selbstredend weiterhin ihre absolute Berechtigung. Für diejenigen Emittenten und Investoren aber, die sich in einer bekannten und einheitlichen Jurisdiktion bewegen wollen, wäre das Gleis nach erfolgreichem Abschluss der Infrastrukturarbeiten wieder frei.
Markus Knoss, BankM AG

Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.
Portraitfoto: Markus Knoss, BankM AG
Titelfoto: pixabay.com (Symbolbild)
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