Differenzieren statt pauschalieren! – Ein Kommentar zur aktuellen Entwicklung des Marktsegmentes der Mittelstandsanleihen von Dirk Elberskirch, Vorsitzender der Börse Düsseldorf AG

Freitag, 27. Juni 2014


Die Kritik an Mittelstandsanleihen lässt nicht nach. Bereits erfolgte Ausfälle belasten das gesamte Marktsegment ebenso wie die Prognosen zu weiteren Insolvenzen. Doch es gibt auch positive Entwicklungen.

„Mediale Schwarzmalerei hilft nicht weiter“

Die Medienberichte über Anleihen aus dem Mittelstand sind recht einseitig. In den meisten Fällen sind es Negativmeldungen, etwa über Insolvenzen oder nicht platzierte Anleihen. Besonders düster sind die Prognosen, wenn es um bevorstehende Rückzahlungen von Anleihen geht. Für mich ist das mediale Schwarzmalerei!

Gerne werden Mittelstandsanleihen ja mit dem Neuen Markt verglichen, obwohl die Anlageprodukte und auch -ziele der Investoren vollkommen unterschiedlich waren und sind. Doch selbst der Neue Markt hatte seine Perlen. Nur zu gerne hätte ich seit der New-Economy-Euphorie Aktien wie United Internet oder BB Biotech im Depot. Mit diesen Papieren hätte ich nicht nur ordentliche Kursgewinne erzielt, sondern auch gute Dividendenerträge gehabt und wäre heute Anteilseigner von gesunden Unternehmen mit soliden Fundamentaldaten. Die Beispiele belegen: Nicht immer passt eine pauschale Betrachtung. Und ich glaube fest, am Mittelstandsmarkt der Börse Düsseldorf notieren so manche Anleihen, die von der pauschalen Negativberichterstattung zu Unrecht betroffen sind.

Differenzieren heißt also das Stichwort. Zugegeben, es gibt eine Vielzahl von Problemen und die Zahl der Ausfälle ist zweifellos viel zu hoch. Rund 5 Milliarden Euro wurden bisher platziert. 14 Emittenten sind ausgefallen, etwa jeder Zehnte. Doch wenn man das Klumpenrisiko namens „Erneuerbare Energien“ davon abzieht – auf diese Branche entfielen immerhin 357,5 Millionen Euro des Gesamt-Insolvenz-Volumens von 632,5 Millionen Euro – würde sich die Ausfallrate auf etwa 6 Prozent reduzieren. Wer dann noch die Fälle abzieht, in denen die Staatsanwaltschaft ermittelt, kommt auf eine Ausfallrate von rund 4,5 Prozent. Hinzu kommt, die jetzige Struktur der Emittenten ist weder nach der Branchenverteilung noch nach der Größenordnung und den Bonitäten repräsentativ für den tatsächlichen deutschen Mittelstand. Dieser wird quasi in Sippenhaft genommen und ihm damit der Appetit auf den Kapitalmarkt verdorben – leider eine hoffentlich ungewollte Nebenwirkung der aktuellen Berichterstattung.

„Breite des Marktsegmentes beachten – es gibt auch Erfolgsgeschichten“

Mit dieser Betrachtung will ich die Lage nicht schönreden. Aber die Analyse der Ausfälle zeigt, dass manche pauschale Betrachtung zu kurz greift und die Breite des Segmentes ausblendet. So notieren stabil über 70 Prozent der aktuellen Mittelstandsanleihen oberhalb von 90 Prozent und damit auf einem hinnehmbaren Niveau.  Viele Erfolgsgeschichten, von denen leider viel zu wenig in den Medien zu lesen ist, notieren oberhalb von 100 Prozent mit Sekundärmarktrenditen von 4 bis 5 Prozent. Hieran sollten sich die bonitätsstarken Mittelständler orientieren, die eine Anleihe grundsätzlich in Erwägung ziehen. Nach meiner festen Überzeugung würden diese Emittenten auch heute mit Zinssätzen zwischen 5 und 6 Prozent ausreichend Investoren finden.

Um die Krise im Segment der Mittelstandsanleihen zu überwinden, sind nicht nur Emittenten gefordert, sondern auch Investoren. Die Fortsetzung der bereits begonnenen Bereinigung des Marktes durch die Investoren muss konsequent fortgeführt werden. Die eigene Analyse und Risikobeurteilung steht heute ganz sicher an vorderster Stelle und der Blick auf die Finanzdaten und das Geschäftsmodell rangieren weit vor einer reinen Orientierung an veröffentlichten Ratings.

„Kommunikation der Emittenten muss besser werden“

Darüber hinaus müssen die bereits am Markt befindlichen Emittenten ihre Kommunikation optimieren und neben der kontinuierlichen Lieferung von Informationen über den Geschäftsverlauf das Thema der Refinanzierung rechtzeitig in den Mittelpunkt stellen. Die Emittenten am Mittelstandsmarkt der Börse Düsseldorf beschäftigen sich frühzeitig mit dem Thema der Rückzahlung, wie ich in diversen Gesprächen vernehmen kann. Richtig ist sicher, bereits zwei Jahre vor der Fälligkeit aktiv zu werden, nicht erst ein Jahr vorher. Finden und kommunizieren die Unternehmen und ihre Kapitalmarktpartner überzeugende Konzepte, lässt sich auch eine Anschlussfinanzierung stemmen. Die Transparenz und Offenheit der heutigen Emittenten ist für uns ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung des Segments.

„Das Marktsegment der Mittelstandsanleihen braucht mehr Mittelständler mit guten Bonitäten“

In einer großen deutschen Wirtschaftszeitung hieß es kürzlich: „Schwache Schuldner müssen sich über ihre Refinanzierung keine Sorgen machen. Investoren auf der verzweifelten Suche nach Rendite reißen selbst solchen Unternehmen neue Bonds förmlich aus den Händen, weil diese etwas mehr Zinsen bieten, als Anleihen von Schuldnern mit guter Bonität.“ Es wäre trotzdem höchst wünschenswert, wenn mehr echte Mittelständler mit guten Bonitäten den Kapitalmarkt und insbesondere die Anleihe als Alternative und Ergänzung zur Bankfinanzierung nutzen würden und nicht die Emittenten der Erneuerbaren Energien und Immobilienprojekte das Bild prägen würden.

Die Vorabfilterung anhand von Kennzahlen und Mindestanforderungen ist allerdings schwierig und ein Katalog mit reinen Wunschkriterien wird das Problem nicht lösen. Alle von uns geführten Diskussionen kamen stets zu dem Ergebnis, dass es keine realisierbare Mixtur aus Kennzahlen gibt, die in allen Fällen passt und den Ausfall eines Emittenten verhindern könnte. Insofern ist es nur konsequent, keine verbindlichen Kriterien aufzustellen oder eben Wünsche zu formulieren.

Der Markt steckt zweifellos noch in der Krise. Doch anders als andere sehe ich nicht nur schwarz, sondern eine bereits laufende Marktbereinigung. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, den Markt für Unternehmensanleihen kleiner und mittlerer Unternehmen für Anleger und Emittenten weiter zu etablieren.

Dirk Elberskirch,

Vorsitzender des Vorstands der Börse Düsseldorf AG

Foto: Dirk Elberskirch

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