„Der Markt ist keinesfalls tot“ – Dirk Elberskirch, Chef der Börse Düsseldorf: „Die Argumentation von Christoph Lammersdorf ist hanebüchen.“

Montag, 2. Februar 2015

Anders als der Chef der Börse Stuttgart, Christoph Lammersdorf, sagt Dirk Elberskirch (Foto), Chef der Börse Düsseldorf, ja zu Hochzinsanleihen. Den „mittelstandsmarkt“ in Düsseldorf gibt es zwar nicht mehr, aber die Börse Düsseldorf setzt für kleinere Unternehmensanleihen neuerdings auf „Hochzins-, Mittelzins- und Niedrigzins“-Segmente.

Die ersten Reaktionen auf das neue Düsseldorfer Segment-System reichen von „klares Signal für den Mittelstand“ über „Veröffentlichung der Finanzkennzahlen gemäß DVFA Bondkommunikation klasse“ und „Hoffnung darauf, dass die Börse Nichtbeachtung von Publizitätspflichten sanktioniert und öffentlich macht“ bis hin zu kritischeren Stimmen:

Kritik an neuen Subsegmenten

„Verzicht auf regelmäßigen Ratingprozess, aber einmalige Einstufung seitens der Börse, kann ich nicht nachvollziehen“, „Aktionismus , der – wenn man sich mal die Ruhe der Frankfurter Wertpapierbörse vor Augen hält – nicht angebracht  zu sein scheint“ und „ich halte die neue Segmentierung in Düsseldorf für verwerflich. Alle KMU-Bonds liegen in der schlechtesten Kategorie und das wird auch grundsätzlich erstmal so bleiben.“

Dirk Elberskirch gibt Antworten. Er erklärt im großen Anleihen Finder-Interview genauer, warum er die Aussagkraft von Ratings in Frage stellt, warum Christoph Lammersdorfs „Der Markt für Mittelstandsanleihen ist tot“-Argumentation falsch sei, und warum er sich einen „2,9-Prozenter auf fünf Jahre“ zu Weihnachten wünscht.

Anleihen Finder Redaktion: Wie entstand die Idee zu den neuen Subsegmenten für Unternehmensanleihen in ihrem Primärmarkt?

Dirk Elberskirch: So wie beim Start unseres mittelstandsmarktes haben wir im Vorfeld ausführlich mit unseren Kapitalmarktpartnern gesprochen. Wir haben einen Beirat mittelstandsmarkt, der jetzt zum Beirat Primärmarkt geworden ist. Wir haben zudem mit Emittenten, Anlegerschützern und mit Ministerien gesprochen. Die Resonanz auf unsere Überlegungen war positiv. Wir antworten mit unserem neuen Konzept auf die Kritik an Mittelstandsanleihen in den vergangenen Monaten. Wenn man den mittelstandsmarkt in der alten Form weiterbetreiben würde, könnte das nicht funktionieren. Emittenten und Investoren hätten kein Interesse mehr daran gehabt. Aber wir glauben nach wie vor, dass es ein Bedarf bei Emittenten und Investoren für Anleihen von kleineren und mittleren Unternehmen besteht. Der Markt ist keinesfalls tot.

Anleihen Finder Redaktion: Wieso sind die neuen Subsegmente eine Verbesserung?

Dirk Elberskirch: Die Probleme, die Mittelstandsanleihen haben, sind ja nicht ganz neu. Schon vor über zwei Jahren haben wir die ersten Ausfälle gesehen. Wenn wir als Börse die Qualität aber nicht über Einstiegshürden in Form von harten Qualitätskriterien darstellen können – was ja keiner Börse gelungen ist – und das Etikett „Mittelstand“ falsch ist, müssen wir mit einer anderen Lösung antworten.

“Unser eigentlicher Job“

Schnell wurde klar, dass wir davon wegkommen müssen, dass nur Markennamen und hohe Zinssätze gesehen werden, aber die Risiken nicht. Letztendlich haben wir uns an unseren eigentlichen Job als Börse erinnert: Wir sind die Plattform, auf der Emittenten und Investoren Rendite und Risiko tauschen. Genau das möchten wir transparent machen.

Die alte, aber nach wie vor hochaktuelle Börsenweisheit, je höher der Zins, desto höher das Risiko, kann man noch deutlicher machen, indem man den Abstand zum risikolosen Zins veranschaulicht. So haben wir verschiedene Zinsklassen, die Risikoklassen anzeigen, gebildet. Ein neuer, innovativer Ansatz, den so noch keine Börse etabliert hat.

Anleihen Finder Redaktion: Ja, aber der Zinssatz für sich alleine genommen, sagt ja noch nichts über das eigentliche Risiko, das in der Unternehmensanleihe steckt, aus.

Dirk Elberskirch: Er ist zum Emissionszeitpunkt der Marktpreis für das eingegangene Risiko. Die Höhe des Zinses ist ein Ergebnis der Gespräche und Verhandlungen mit professionellen Investoren vor der Emission. Diese Investoren können das Risiko einschätzen – ob das zwei oder eben eher sieben Prozent sein müssen. So kommt der Marktpreis zustande. Das ist für uns das Kriterium, nachdem wir Emittenten von Unternehmensanleihen in die neuen Subsegmente unseres Primärmarktes einsortieren. Wir setzen einen Eingangsstempel, aber es gibt während der Laufzeit der Unternehmensanleihe keinen Auf- oder Abstieg. Veränderungen der Markteinschätzung kann man an der Sekundärmarkt-Rendite bzw. am Kurs sehen.

Der Zins zum Emissionszeitraum schließt natürlich keine Fehlbewertung aus. Aber wir sagen nein zu reinen Privatplatzierungen und verhindern dadurch, dass ein Emittent mit zugkräftigem Markennamen, aber schlechter wirtschaftlicher Lage mit einem nicht marktgerechten niedrigen Zins in einem unserer unteren Segmente Fuß fasst.

Zudem geht es bei uns nur über institutionelle Bücher. Diese sollten schon gut gefüllt sein, damit wir von einer erfolgreichen Emission ausgehen können.

Emittenten müssen liefern

Wichtig ist, dass der Privatanleger sich ein Bild von den Risiken der Unternehmensanleihen machen kann. Dazu lassen wir die Emittenten die wichtigsten Kennzahlen nach DVFA Bondkommunikation aus ihren Unterlagen herausziehen und veröffentlichen diese. Der Emittent muss uns das nötige Zahlenmaterial anliefern. So kann sich der Privatanleger auf einen Blick einen Eindruck über zum Beispiel den Zinsdeckungsgrad, die Verschuldungsstruktur oder die Eigenkapitalquote machen – das dann auch historisch, so dass man sich ein Bild über die Veränderungen machen kann.

Neben der Höhe des Zinses und den Kennzahlen bauen wir auf eine dritte Transparenz-Säule: die Informationen zur Ausgestaltung der Anleihe. Gibt es Sicherheiten, Garantien oder Covenants? Es soll auf den ersten Blick klar werden, welche Anleihe man einkauft.

Anleihen Finder Redaktion: Warum verzichten Sie auf Ratings?

Dirk Elberskirch: An sich finde ich Ratings klasse. Aber am Ende der Diskussion um Ratings müssen wir feststellen, dass es keine valide Korrelationen zwischen zum Beispiel der Emissionsrendite und der Ratingnote gibt. Das trifft auch auf den Sekundärmarkt und auf die Vorhersage von Insolvenzen zu. Unsere Erkenntnisse haben viele Marktteilnehmer bestätigt.

Wir machen Ratings nicht mehr zur Pflicht. Wenn aber ein Emittent sich trotzdem raten lassen möchte, sagen wir natürlich nicht nein. Aber grundsätzlich richtet sich das Angebot der Unternehmensanleihen in unserem Primärmarkt an erfahrene Anleger, die sich anhand der Zinshöhe, den Kennzahlen und der Ausgestaltung der Unternehmensanleihe selbst ein Bild machen können, in was sie da investieren.

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Anleihen Finder Redaktion: Nochmal grundsätzlich bitte. Warum macht sich die Börse Düsseldorf die Mühe, neue Segmente einzurichten. Sehen Sie wachsendes Potenzial?

Dirk Elberskirch: Zum einen gehört es natürlich zur Grundfunkton einer Börse, verschiedene Möglichkeiten zur Kapitalaufnahme anzubieten. Und auf der anderen Seite sehen wir –anders als die Börse Stuttgart – die Segmente für Unternehmensanleihen von kleinen und mittleren Unternehmen als wichtig an. Selbst konservative Banker haben uns darin bestätigt, dass solche Möglichkeiten des öffentlichen Kapitalmarktes vor allem in Zukunft vor dem Hintergrund der zunehmenden Regulierung der Banken gebraucht werden. Deshalb ist das für uns nach wie vor ein langfristiges Thema. Wir haben die Kritik aufgegriffen, Verbesserungen umgesetzt und starten jetzt mit den Segmenten neu.

Anleihen Finder Redaktion: Liegt Christoph Lammersdorf von der Börse Stuttgart falsch, wenn er den Markt der Anleihen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) für „tot“ erklärt?

Bedarf besteht

Dirk Elberskirch: Herr Lammersdorf argumentiert, dass die Börse Stuttgart damals den Kapitalbedarf der KMU erkannt und daraufhin diesen mit dem Segment Bondm der Börse Stuttgart bedient habe. Der Kapitalbedarf wäre laut Lammersdorf jetzt gedeckt. Bonitätsstarke Unternehmen würden wieder Geld von den Banken bekommen und nur die bonitätsschwachen Unternehmen würden übrig bleiben, die eh keine Bankkredite mehr bekommen würden. Diese Argumentation ist hanebüchen. Wir wissen, dass sehr wohl ein Bedarf der Unternehmen und der Investoren an KMU-Anleihen besteht. Wir glauben auch, dass das Interesse wieder stärker zurückkommen wird.

Außerdem besteht jetzt eine gute Möglichkeit für Emittenten, die nicht direkt neben Hochzinsanleihen gelistet werden wollen. Unser Angebot richtet sich auch an Unternehmen mit Zinssätzen, die unter dem bisher in diesem Segment Üblichen liegen.

Nachdem die Börse Stuttgart sich zurückgezogen hat, gibt es jetzt Frankfurt einen großen undifferenzierten Topf und Düsseldorf mit den unterteilten Segmenten. So kann es für Unternehmen attraktiv sein, in unseren Segmenten “Niedrigzins“ oder „Mittelzins“ gelistet zu werden, um nicht pauschal als riskante Mittelstands- bzw. Hochzinsanleihe abgestempelt zu werden. Ich kann mir vorstellen, dass auch einige Emittenten von den bisher angebotenen Zinssätzen schlicht abgeschreckt wurden. Jetzt gibt es durch die Unterteilung in Zinsklassen klare Abstufungen und mehr Möglichkeiten.

Wir können als Börse aber natürlich nicht entscheiden, ob eine Unternehmensanleihe ein niedriges, mittleres oder hohes Risiko hat. Das muss der Investor selbst bestimmen. Deshalb heißen unsere Segmente neutral A, B und C. „Primärmarkt C (Hochzins)“ zum Beispiel zeigt bei uns einen hohen Abstand zum risikolosen Zins an.

Kein Listinganspruch

Anleihen Finder Redaktion: Gibt es ein Ausschlusskriterium für Emittenten, so dass sie nicht mehr zu der Gruppe der kleineren und mittleren Unternehmen zählen?

Dirk Elberskirch: Nein, wir würden uns zusammen mit dem Kapitalmarktpartner den Emittenten und den geplanten Zins ansehen und einschätzen, ob der Emittent kapitalmarktfähig ist. Danach fällen wir eine Entscheidung, ob es zu einer Zusammenarbeit kommt. Es gibt natürlich keinen Listinganspruch.

Anleihen Finder Redaktion: Wenn Sie sich Emittenten für ihre Börse aussuchen könnten, wie sehe dieser aus?

Dirk Elberkirch: Die Segmente sind breit angelegt. Ich bin da offen. Ein hervorragendes Signal wäre ein bonitätstarker deutscher Mittelständler, der im unteren Zinsbereich ein zweites Standbein bei der langfristigen Fremdkapital-Finanzierung etablieren oder ausbauen will. Also zum Beispiel ein 2,9-Prozenter auf fünf Jahre. Das wäre mein Wunsch fürs nächste Weihnachten, dass wir bis dahin einen haben.

Anleihen Finder Redaktion: Herr Elberskirch, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Christoph Morisse. Anleihen Finder Redaktion.

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