„Das Thema benötigt Geduld und Sorgfalt“ – Interview mit Wolfgang Bläsi, CFO der Ekosem-Agrar AG

Montag, 16. August 2021


Die Ekosem-Agrar AG durchlebt ungemütliche Sommermonate, allerdings nicht aufgrund operativer Schwierigkeiten, sondern wegen ungeklärter Finanzierungsfragen mit zwei russischen Banken. Die damit verbundene Verschiebung des Jahresabschlusses sowie ein nicht verlängertes Rating erschweren die Situation und sorgten zuletzt für sinkende und stark volatile Anleihen-Kurse. Für Investoren und Anleihegläubiger ist die Situation fernab der Verhandlungen in Russland nur schwer einzuschätzen. Die Anleihen Finder Redaktion hat daher mit Wolfgang Bläsi, dem Finanzvorstand der Ekosem-Agrar AG, über die aktuelle Situation gesprochen.

Anleihen Finder: Können Sie uns bitte ein kurzes Update zu den Gesprächen mit den russischen Banken und dem Stand des Konzernabschlusses geben?

Wolfgang Bläsi: Ich verstehe natürlich, dass unsere Anleiheinvestoren hier gerne schnell etwas Neues hören möchten. Leider werden in solchen Gesprächen aufgrund der Größe und Komplexität des Unternehmens und des Finanzierungsvolumens nicht von heute auf morgen riesige Fortschritte erzielt. Insofern lautet die Antwort – wir sind im Gespräch und wir arbeiten mit Hochdruck daran, baldmöglichst positive Ergebnisse zu erzielen. Die Fertigstellung des Konzernabschlusses ist damit verknüpft, insofern wird dieser publiziert, nachdem wir mit der Bank eine einvernehmliche Lösung gefunden haben.

Anleihen Finder: Woran hakt es denn konkret bei den Gesprächen? Warum können/wollen Sie die Forderungen der Banken nicht erfüllen?

„Es geht um eine vorübergehende  Mehrheitsbeteiligung der Bank​ aufgrund von ​​Optionsvereinbarungen“

Wolfgang Bläsi: Wie wir bereits mitgeteilt haben, geht es auch um eine vorübergehende Mehrheitsbeteiligung der Bank​ aufgrund von ​​Optionsvereinbarungen. Diese halten wir einerseits für rechtswidrig und im Übrigen ist dies aus Sicht der Gesellschafter und im Hinblick auf die weitere Unternehmensentwicklung nicht zielführend und wir wollen dem deswegen nicht zustimmen.

Anleihen Finder: Die Anleihenkurse stehen weiter kräftig unter Druck. Ist die Nervosität der Anleger berechtigt?

Wolfgang Bläsi: Ekosem-Agrar hat in den letzten neun Jahren sämtliche Verpflichtungen aus ihren drei Anleihen erfüllt, inklusive der plangemäßen Rückzahlung der Anleihe 2012/21 im März dieses Jahres. Wir gehen aus heutiger Sicht davon aus, dass das auch zukünftig der Fall sein wird. Natürlich sorgen die Verzögerung des Abschlusses und die Gespräche mit den Banken für Verunsicherung, das kann ich nachvollziehen. Das zeigt die Volatilität der Kurse, die wir in den letzten Wochen sehen. Unabhängig davon gilt das oben gesagte – das Thema benötigt Geduld und Sorgfalt. 

Anleihen Finder: Welche Auswirkungen hat die Aussetzung des Ratings der russischen Ratingagentur Expert RA auf die Bankengespräche?

Wolfgang Bläsi: Das Rating bzw. dessen Aussetzung hat keinen negativen Einfluss auf die Gespräche mit den Banken oder auf die Kreditkonditionen. Das Rating wurde im Vorfeld der geplanten Anleiheemission in Russland erstellt, die wir im Frühjahr erst einmal zurückgestellt haben.

Dennoch wollen wir das Rating beibehalten und werden, sobald die Prüfung des Konzernabschlusses 2020 abgeschlossen ist, das Gespräch mit der Ratingagentur Expert RA wieder aufnehmen, um den Rating-Prozess erneut zu starten.

Anleihen Finder: Inwieweit ist das operative Geschäft von den anhaltenden Diskussionen mit Ihren Banken betroffen?

„Die Konfliktsituation mit der Bank mit dem größten Finanzierungsanteil stellt natürlich eine Herausforderung dar“

Wolfgang Bläsi: Wir sind eine große und diversifizierte Unternehmensgruppe mit Aktivitäten in den Bereichen Ackerbau, Rohmilchproduktion und Milchverarbeitung. All diese Aktivitäten erfordern solide Finanzierungen und kontinuierliche Liquiditätsströme. Konstante Cashflows sind in der derzeitigen Hochsaison im Pflanzenbau besonders wichtig, weshalb eine Konfliktsituation mit der Bank mit dem größten Finanzierungsanteil natürlich eine Herausforderung darstellt. Bislang hat unser erfahrenes Team diese jedoch weitgehend unter Kontrolle.

Anleihen Finder: Welchen Einfluss haben die aktuellen Probleme auf die Unternehmensstrategie, speziell den Ausbau der Milchverarbeitung?

Wolfgang Bläsi: In den bestehenden Molkereien läuft das Geschäft normal weiter, wir entwickeln unsere Partnerschaften mit Lebensmitteleinzelhandelsketten und im Bereich Hotel/Restaurant/Café und sind mit der Akzeptanz unserer Produkte zufrieden. Was derzeit nicht vorangeht ist der Bau der großen Molkerei in Sibirien, weil diese ein wesentlicher Bestandteil der Gespräche mit der Bank ist. Das verursacht Verzögerungen und Zusatzkosten, die allerdings aus Sicht des Gesamtunternehmens nicht schwerwiegend sind. Wir hoffen, dass wir nach einer einvernehmlichen Lösung kurzfristig mit den Bauarbeiten weitermachen können.

Anleihen Finder: Wie ist der Stand der Gespräche mit potenziellen Eigenkapitalgebern?

„Eine Stärkung der Eigenkapitalposition wäre wünschenswert“

Wolfgang Bläsi: Die Gesellschaft befindet sich seit geraumer Zeit in Gesprächen mit möglichen Eigenkapitalinvestoren. Da diese Gespräche vertraulich sind, können wir hierzu derzeit keine weiteren Angaben machen. Eine Stärkung der Eigenkapitalposition wäre wünschenswert, allerdings aus Sicht der bestehenden Gesellschafter natürlich mit einer angemessenen Bewertung und einem passenden Investor. Unabhängig davon kommt die Gruppe gemäß der aktuellen Unternehmensplanung weiterhin auch ohne zusätzliches Eigenkapital aus und ist entsprechend in der Lage, ihren Kapitaldienstverpflichtungen nachzukommen.

Anleihen Finder: Was stimmt Sie im Hinblick auf die weitere Unternehmensentwicklung optimistisch? Und warum müssen sich Ihre Anleihegläubiger in Deutschland trotz der gegenwärtigen Finanzierungsprobleme keine Sorgen um ihre Investments machen?

Wolfgang Bläsi: Die operative Entwicklung des Unternehmens ist seit Jahren positiv. In 2021 sind die meisten Investitionen der vergangenen Jahre größtenteils produktiv und insofern zeigt insbesondere die Cash-Generierung in die richtige Richtung. Im Hinblick auf die Anleihen besteht grundsätzlich Einigkeit mit der RSHB, dass diese und die Rechte der Anleihegläubiger in Deutschland, unabhängig vom Ergebnis der Gespräche, nicht gefährdet werden dürfen.

Anleihen Finder: Besten Dank für das Gespräch, Herr Bläsi.

Anleihen Finder Redaktion.

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