„Cover – wie bitte?“ – oder „Warum Investorenschutzklauseln im deutschen Mittelstandsanleihemarkt wichtig sind“ Kolumne von Benjamin Noisser, Robus Capital Management

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Mit den jüngsten Insolvenzen im deutschen Mittelstandsanleihemarkt, werden die warnenden Aufschreie in den Tageszeitungen, welche über den Markt berichten, immer lauter. Dies geschieht natürlich auf der einen Seite zurecht, denn viele unerfahrene Investoren riskieren hier zum Teil erhebliche Verluste auf ihre Investitionen zu erleiden. Auf der anderen Seite hat der Markt aus unserer Sicht aber immer noch eine klare Existenzberechtigung, denn er ermöglicht es mittelständischen Unternehmen auf effiziente Art Kreditkapital aufzunehmen, welches für etliche Mittelständler nicht mehr in der gewohnten Art oder dem gewohnten Umfang von ihren Hausbanken abrufbar ist. Wichtiger Erfolgsfaktor für die Zukunft des Mittelstandsanleihenmarktes wird vor allem die Verbesserung und Ausweitung von Investoren-Schutzrechten und die Bildung von Marktstandards sein wofür sich emissionsbegleitende Banken, die Börsen aber auch die Investoren stark machen müssen.

In unserer letzten Kolumne wiesen wir auf die enorme Geschwindigkeit hin, mit welcher der deutsche Mittelstandsanleihemarkt seit 2010 gewachsen ist. Die begleitenden Emissionsbanken kamen ursprünglich eher von der Aktienseite und hatten anfänglich wenig Erfahrung mit Fremdkapital im Allgemeinen und mit hochverzinslichen Instrumenten im Speziellen. Der Erfahrungsschatz, welcher strukturierungsseitig im europäischen High-Yield-Anleihemarkt – quasi dem großen Bruder des deutschen Mittelstandsanleihemarktes – von den amerikanischen Banken geliefert wurde fehlte im deutschen Markt weitestgehend. Mangels besserer Erfahrung und mangels einer besseren deutschsprachigen Vorlage, wurden die ersten Mittelstandsanleihen auf Basis einer typischen Dokumentation für Unternehmen höchster Bonität (Investment Grade)* aufgesetzt.  So kam es, dass sich im deutschen Mittelstandsanleihemarkt leider von Anfang an ein für diese Situationen nicht angemessener „Standard“ eingeschlichen hatte. Das Kind liegt also sprichwörtlich schon im Brunnen und muss jetzt wieder herausgezogen werden.

Investorenschutzklauseln oder im Englischen „Covenants“ genannt sind extrem wichtige Bestandteile einer Anleihestruktur vor allem bei kleinen bis mittelgroßen Firmen. In der Presse wird oft kritisiert, dass viele „schwache“ und sehr riskante Firmen im Markt fur Mittelstandsanleihen unterwegs sind. Dies finden wir aus Sicht eines erfahrenen institutionellen Investors nicht weiter verwerflich solange man dann dieses Risiko auch entsprechend preist und verpackt, d.h. angemessene mitigierende Faktoren in die Struktur mit einzieht (und naturlich letztendlich auch eine angemessene Rendite zahlt). Covenants alleine machen eine Firma mit mäßigen Cashflow-Aussichten oder einer begrenzten Asset-Basis natürlich nicht besser, allerdings tragen sie in erheblichem Maße zu einem angemessenem Risiko-Rendite-Verhältnis dieser Anleihen bei machen. Dies geschieht dadurch, dass Covenants die Anleihe mit einem „Stop“-Knopf ausstatten für den Fall, dass sich die Performance des Unternehmens nicht so gut entwickelt (sogenannte Finanzkennzahlen) sowie dadurch, dass sie über diverse Auflagen Handlungen unterbinden welche die Werthaltigkeit der Anleihe unterminieren bzw. Handlungen erzwingen welche die Werthaltigkeit der Anleihe stützen. Im Folgenden gehen wir kurz auf diese unterschiedlichen Arten von Covenants sowie ihren Sinn und Zweck ein und geben unsere Empfehlung hinsichtlich eines Standards:

Finanzkennzahlen: Hierbei handelt es sich um Verhältnis-Kennzahlen oder absolute Finanzzahlen welche die Kreditqualität eines Unternehmens quantifizieren wie zum Beispiel GuV und Cashflow bezogene Kennzahlen:

–    Maximum Leverage (Nettoverschuldung / EBITDA),
–    Minimum Zinsdeckung (EBITDA / Zinsaufwand),
–    Minimum Fixed Charge Coverage (Kapitaldienst Cash-Zahlungen / Free Cashflow),
–    Maximum Capex

sowie bilanzbezogene Kennzahlen:

–   Minimum Eigenkapitalquote (Bereinigtes Eigenkapital / Bilanzsumme),
–    Maximum Loan To Value (Kreditforderung / Wert bestimmter Assets).

Oft sind auch auf eine bestimmte Situation maßgeschneiderte Covenants sinnvoll. Von der Art her wie diese Covenants geprüft werden wird zwischen sogenannten „Maintenance Covenants“ und „Incurrance Covenants“ unterschieden. Erstere werden in festen Invervallen gegen gesetzte Minimum oder Maximum Werte geprüft (z.B. quartalsweise) und führen bei einem Bruch (welcher nicht „geheilt“ werden kann) zu einem Kündigungsrecht der Anleger (oder in einem ersten Schritt zu einem höheren Kupon um das höhere Risiko abzugelten). Incurrance Covenants kommen hauptsächlich zum Einsatz um die Fähigkeit des Unternehmens zusätzliche Schulden aufzunehmen zu beschränken, d.h. wenn die Aufnahme zusätzlicher Schulden zur Verletzung einer Kennzahl führen würde wäre sie nicht zulässig.
Bei internationalen High-Yield-Anleihen kommen hauptsächlich Incurrance Covenants zum Einsatz. Die Emittenten sind hier aber meist größere Unternehmen in einem professionellen Governance-Kontext (börsennotierte Unternehmen oder in Private-Equity-Besitz) – im Vergleich zu vielen Mittelstandsfirmen. Wir denken, dass bei Mittelstandsanleihen in den meisten Fällen Maintenance Covenants ausreichen und insbesondere die Covenants Maximum Leverage und Minimum Fixed Charge Coverage wesentlich sind.

Auflagen: Auflagen sind qualitative Covenants welche gewisse Handlungen seitens des Unternehmens unterbinden (sogenannte „Negative Covenants“ und „Positive Covenants“). Zu den wichtigsten gehören:

–   Beschränkung der Gewährung von Sicherheiten (Negative Pledge),
–   Beschränkung von Mittelabflüssen (z.B. in Form von Zahlungen an die Gesellschafter oder Investitionen),
–   Beschränkung der Vergabe von Gewährleistungen oder Garantien,
–   Beschrankung von Akquisitionen oder Veräußerungen von Vermögensgegenständen,
–   Arms Length (alle Geschäfte – vor allem mit verbundenen Personen / Unternehmen – müssen einem Drittvergleich standhalten),
–   Rückführung von Mitteln an die Gläubiger (z.B. nach Veräußerung von Vermögensgegenständen oder nach einem Kontrollwechsel),
–   Aufrechterhaltung eines angemessenen Versicherungsschutzes,
–   Informationsbereitstellung (z.B. Quartalsberichte, Telefonkonferenzen mit Investoren).

Wir sind der Meinung, dass gerade diese qualitativen Covenants stark zu einer Mitigierung von Risiken bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen ohne Börsennotierung beitragen können und diese Auflagen immer Bestandteil der Anleihebedingungen von Mittelstandsanleihen sein sollten (internationale hochverzinsliche Anleihendokumentationen haben die meisten dieser Covenants). Bisher ist bei Mittelstandsanleihen bestenfalls der Negative Pledge enthalten (allerdings auch in sehr unzureichender Form da er sich häufig nur auf „Kapitalmarktverbindlichkeiten“ bezieht und daher sehr leicht zu umgehen ist) und hin und wieder eine Beschränkung der Dividenden.
An einem konkreten Beispiel: Umfangreiche Covenants hätten aus Windreich selbstverständlich keine bessere Firma gemacht. Allerdings hätten intelligent strukturierte Covenants die Misstände wesentlich früher ans Licht gebracht und den Anleihehaltern die Möglichkeit des rechtzeitigen Einschreitens gegeben – lange vor dem Beginn eines wertbeinträchtigenden Insolvenzprozesses. Auch hätten die richtigen Covenants vermutlich so manchen Mittelabfluss verhindert der womöglich noch im Interesse des Gesellschafters war, aber lange nicht mehr im Interesse der Anleihehalter. Covenants hätten den Ausfall wohl nicht verhindert aber schlussendlich hätten die Covenants vor allem bewirkt, dass die Verluste im Falle des Ausfalls geringer ausgefallen wären. Genau darum geht es bei Investitionen im festverzinslichen Bereich: da das „Upside“ idR. auf die Höhe des Kupons limitiert ist, muss sichergestellt werden, dass das „Downside“ limitiert ist.

Die Einführung solch umfangreicher Schutzklauseln in die Anleihebedingungen von Mittelstandsanleihen wird zwangsläufig auch eine wünschenswerte zunehmende Institutionalisierung des Marktes vorantreiben. Zum einen werden besser strukturierte Anleihen professionelle und spezialisierte Investoren anziehen. Zum anderen werden viele der momentan am Markt für Mittelstandsanleihen aktiven Akteure nicht hinreichend in der Lage sein mit den Covenants umzugehen. Eine Beurteilung der Covenants und Verhandlung solcher bei Neuemissionen ist nur nach zeitaufwändiger Erstellung von integrierten Finanzmodellen und Sensitivitätsanalysen sinnvoll möglich und verlangt von den Investoren Erfahrung im hochverzinslichen Bereich. Vor allem aber braucht das Unternehmen bei einem Bruch der Covenants eine oder zwei handvoll großer institutioneller Investoren welche als Verhandlungspartner einen großen Anteil der ausstehenden Anleihen repräsentieren und die nötige Zeit und Erfahrung für den Prozess einer Umstrukturierung haben. Schlussendlich sollte dann auch die sehr harsche Kritik der Presse an diesem Segment zu einem Ende kommen. Diese fusst wohl auch stark auf dem Umstand, dass im Mittelstandsanleihemarkt viele Investoren partizipieren – und hohe Verluste erleiden – welche für ein Investieren in diesem Bereich nicht die geeigneten Voraussetzungen mitbringen. Wenn aber in Zukunft professionelle auf hochverzinsliches Fremdkapital fokussierte institutionelle Investoren die wissen was sie tun und es auch tun können über professionell strukturierte Instrumente mit angemessenen Risiko-Rendite-Verhältnissen mittelständische Unternehmen mit Fremdkapital versorgen, dann kann das betriebs- und volkswirtschaflich nur eine gute Sache sein.

*„Investment Grade“ ist hierbei strikt im Sinne der international etablierten Rating-Agenturen S&P, Fitch und Moodys‘ zu verstehen, und nicht im Sinne der zahlreichen lokalen deutschen Rating-Agenturen, welche auch Mittelstandsanleihen mit „Investment Grade“-Ratings versehen. Bei „echten“ Investment Grade-Anleihen gehen Investoren ein geringes Risiko ein Geld zu verlieren und dementsprechend kann die Dokumentation auch hinreichend „locker“ gestaltet werden.

 

Benjamin Noisser

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Benjamin Noisser ist Geschäftsführer und Portfolio Manager bei Robus Capital Management („Robus“). Robus wurde 2011 als das erste auf hochverzinsliche Fremdkapitalinstrumente von mittelgroßen Unternehmen im deutschsprachigen Raum spezialisierte Investmenthaus gegründet. Hierbei deckt Robus über verschiedene Spezialfonds das ganze Fremdkapital-Investmentspektrum von liquide bis illiquide, privat bis gelistet, direkt bis multilateral sowie Primär- bis Sekundärmarkt ab.
Herr Noisser ist Dipl-Kaufmann und M.B.A. und arbeitete zuvor bei Credit Suisse im europäischen Leveraged Finance Bereich, sowohl in der Originierung, Strukturierung und Vermarktung großer Anleihe- und Darlehens-Transaktionen vorwiegend deutscher Emittenten im Primärmarkt, als auch später im Handel mit und der Investition in solche Kredit-Instrumente im Sekundärmarkt.

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