„Corona hat uns Demut gelehrt“ – Interview mit Hans-Jürgen Friedrich, KFM Deutsche Mittelstand AG

Donnerstag, 17. Dezember 2020


Die KFM Deutsche Mittelstand AG ist seit vielen Jahren eine Institution am deutschen KMU-Anleihemarkt. Der Initiator des Deutschen und des Europäischen Mittelstandsanleihen FONDS (DMAF und EMAF) besticht dabei durch eine große Transparenz und ein eigenentwickeltes Scoring-System, anhand dessen die Anleihen für die beiden FONDS ausgewählt werden. KFM-Vorstand Hans-Jürgen Friedrich gehört zu den bekanntesten Akteuren des KMU-Anleihemarktes und gilt als Sprachrohr des Segments. Wir haben mit ihm über das Corona-Jahr 2020 und seinen Ausblick für 2021 gesprochen.

Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Friedrich, mit Aufkommen der Corona-Pandemie liegt ein in allen Belangen bewegtes Jahr hinter uns – sowohl gesellschaftlich als auch auf dem Kapitalmarkt. Was ist Ihr Fazit für das außergewöhnliche Jahr 2020?

Hans-Jürgen Friedrich: Das laufende Jahr hat uns gezeigt, dass gesteckte Ziele und die damit verbundenen Planungen und Maßnahmen nur dann erreicht werden können, wenn wir gesund bleiben und uns in einem intakten Umfeld bewegen. Wie in einem Kinosaal wurde das Licht der wirtschaftlichen Entwicklung heruntergedimmt. Die Entscheider und alle Betroffenen dieser Maßnahmen nehmen Hindernisse und Unannehmlichkeiten in Kauf. Die gesamte Weltgemeinschaft stemmt sich gegen die Ausbreitung des Corona-Virus. Wirtschafts-, geld- und gesundheitspolitische Maßnahmen werden in einem Ausmaß und in einer Geschwindigkeit beschlossen und umgesetzt, wie wir es noch nie erlebt haben, geschweige uns vorstellen konnten. Mit großem Aufwand wird weltweit daran gearbeitet, dass aufgebaute ökonomische Strukturen erhalten bleiben. Auch wenn diese temporär abgeschaltet werden. Es kommt aber auch darauf an, dass die sozioökonomischen Systeme geschützt werden. Um beides zu bewältigen, ist vor allem Solidarität und Subsidiarität gefordert. Das Corona-Virus führt nach meiner Meinung dazu, dass viele ökonomische und ökologische, aber auch politische und gesellschaftliche Entwicklungen auf den Prüfstand gestellt werden. Und es lehrt uns Demut.

Anleihen Finder: Trotz Corona-Krise haben Sie mit ihrem Team im April dieses Jahr den Europäischen Mittelstandsanleihen FONDS ins Leben gerufen. Warum war das im Nachhinein die richtige Entscheidung?

„Anzahl an Anleihen mittelständischer Unternehmen wird in den kommenden Jahren zunehmen“

Hans-Jürgen Friedrich: Die Vorbereitung für die Auflage des Europäischen Mittelstandsanleihen FONDS startete Anfang 2019. Im November 2019 wurden die Maßnahmen in einem Zeitplan fest verankert. Dass der Europäische Mittelstandsanleihen FONDS inmitten der Corona-Krise am 01. April 2020 startete, konnten wir nicht vorhersehen. Wir haben aber auf der Grundlage zahlreicher Analysen festgestellt, dass europaweit mittelständische Unternehmen den Anleihenmarkt immer stärker nutzen, um ihr Geschäftsmodell zu finanzieren. Insofern war und ist die Entscheidung für die Auflage des Europäischen Mittelstandsanleihen FONDS folgerichtig. Regulatorische Anforderungen, restriktivere Kreditvergabebedingungen, die wir in ganz Europa beobachten, werden nach unserer Einschätzung dazu führen, dass die Anzahl von Anleihen mittelständischer Unternehmen auch in den kommenden Jahren zunehmen wird. Von dieser Entwicklung sind auch unsere Geschäftspartner, mit denen wir den Europäischen Mittelstandsanleihen FONDS aufgelegt haben, überzeugt. Dank der großartigen Unterstützung durch die MONEGA Kapitalanlagegesellschaft und der DZ Bank als Verwahrstelle konnten wir bereits ein Fondsvolumen in Höhe von 13,20 Mio. Euro aufbauen. Ein Ergebnis, das inmitten der Corona-Pandemie beachtenswert ist.

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Anleihen Finder: Sind Sie mit der Entwicklung Ihrer beiden Mittelstandsanleihen FONDS (DMAF und EMAF) im Corona-Jahr 2020 zufrieden? Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?

Hans-Jürgen Friedrich: Wir sind mit der Entwicklung beider Mittelstandsanleihen FONDS zufrieden. Noch wichtiger ist uns aber, dass unsere Anleger und Investoren als auch die Berater bei Banken, Sparkassen und Vermögensverwalter unsere Anstrengungen in puncto Rendite, Sicherheit und Transparenz nachvollziehbar bewerten können. Auch wenn die Kursentwicklungen der Anleihen unter der Pandemie gelitten haben, werden für beide Fonds die Ertragsziele erreicht. Mit einer breiten Streuung in Anleihen von Emittenten aus unterschiedlichen Branchen mit verschiedenen Laufzeiten, sind beide Mittelstandsanleihen FONDS auch für die Zukunft gut aufgestellt, um die gesteckten Ertragsziele für die Anleger zu erreichen.

Mit dem KFM-Scoring wird ein bewährtes Auswahl- und Überwachungsinstrument genutzt, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Bei der Auswahl der Investments wird auch die Nachhaltigkeit berücksichtigt. Bei diesem Thema werden wir von der imug I rating Agentur unterstützt. Sie ist die tonangebende Nachhaltigkeits-Ratingagentur in Deutschland. Die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Transparenzrichtlinie wird von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner jährlich überprüft. Wir freuen uns darüber, dass unsere Arbeit für die Anleger in diesem Jahr mit dem Transparenten Bullen und dem Innovationspreis ausgezeichnet wurde und seitens der GBC der Deutsche Mittelstandsanleihen FONDS das dritte Mal in Folge mit einer Bestnote beurteilt wurde. Die Prüfungsdokumente stehen auf den Internetseiten der KFM AG bzw. des Deutschen Mittelstandsanleihen FONDS zum Download zur Verfügung.

Anleihen Finder: Die Corona-Krise hat große Auswirkungen auf mittelständische Unternehmen. Die Anleihe-Emittentin Joh. F. Behrens AG musste – als indirekte Auswirkung darauf – einen Insolvenzantrag stellen. Befürchten Sie, dass im kommenden Jahr weitere KMU-Anleihe-Emittenten ebenfalls die Reißleine ziehen müssen?

„Der kapitalmarktorientierte Mittelstand ist gut aufgestellt“

Hans-Jürgen Friedrich: Zunächst muss festgestellt werden, dass die Insolvenzquote auf das niedrigste Niveau seit den letzten 20 Jahren gefallen ist. Es wird erwartet, dass die Insolvenzen im kommenden Jahr wieder ansteigen werden. Die Gefahr besteht natürlich, dass weitere KMU-Anleihen-Emittenten die Reißleine ziehen müssen. Insgesamt ist der kapitalmarktorientierte Mittelstand aber solide aufgestellt und hat sich nach der Finanzkrise deutlich verbessert. Die Eigenkapitalquoten und die Liquiditätsreserven wurden erhöht, das Risikomanagement verbessert und die Finanzierung breiter aufgestellt. Analysen von verschiedenen Wirtschaftsinstituten sehen den kapitalmarktorientierten Mittelstand in Deutschland und Europa gut aufgestellt. Wir gehen davon aus, dass die Mehrzahl der kapitalmarktorientierten Unternehmen nach Überwindung der Pandemie, an die erfolgreiche Entwicklung der Vergangenheit anknüpfen können.

Anleihen Finder: Inwieweit können der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und andere Hilfsmechanismen solchen Szenarien entgegenwirken?Was erwarten Sie von der Politik darüber hinaus zum Schutz der Unternehmen im kommenden Jahr?

„Der WSF ist kein Freifahrtschein“

Hans-Jürgen Friedrich: Wie bereits erwähnt, wird seitens der Wirtschafts- und Finanzpolitik alle Kraftanstrengungen unternommen, um Wirtschaftsstrukturen zu erhalten bzw. zu stabilisieren. Die Geschäftsführung von Unternehmen ist aber zur Mitwirkung verpflichtet. Der WSF ist kein Freifahrtschein, um Fehler aus der Vergangenheit zu kaschieren. Wir stellen fest, dass Unternehmen, die über ein intaktes Geschäftsmodell verfügen, die Produkte und Dienstleistungen anbieten und vor Beginn der Pandemie erfolgreich im Markt operiert haben, die besten Voraussetzungen mitbringen, um Hilfen in Anspruch zu nehmen. Neben den Hilfen des Finanz- und Wirtschaftsministeriums stehen den Unternehmen auch eine Vielzahl von rechtlichen Instrumenten zur Verfügung, um das Geschäftsmodell zu erhalten bzw. zu restrukturieren. Mit dem neuen Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz soll im kommenden Jahr eine weitere Rechtsgrundlage zur Verfügung gestellt werden.

Anleihen Finder: Mit dem Interessenverband Kapitalmarkt KMU haben Sie und Ihre Verbandskollegen erreicht, dass auch kleinvolumige Anleihen mit WSF-Garantien begeben werden können? Warum greift dieses Instrument bislang am Markt noch nicht?

Hans-Jürgen Friedrich: Die Bestätigung seitens des Bundeswirtschaftsministeriums, dass der WSF auch Mittelstandsanleihen mit Garantien absichert, um die Stabilisierung eines vor der Pandemie erfolgreichen Geschäftsmodells zu bewerkstelligen, ist noch recht jung. Erste Anträge sind gestellt worden und wir sind im KMU-Verband zuversichtlich, dass die Anträge zügig bearbeitet werden und auch genehmigt werden können. Sollte die Genehmigung erfolgen, kann daraus abgeleitet werden, dass auch vom WSF die Meinung vertreten wird, dass das Geschäftsmodell des Emittenten zukunftsfähig ist.

Anleihen Finder: Aufgrund Ihrer akribischen Arbeit und Finanzierungs-Expertise wurden Sie im Oktober dieses Jahres in ein EU-Beratungsgremium berufen – Sie sitzen dort als einziger deutscher Vertreter. Welche Aufgaben haben Sie dort?

Hans-Jürgen Friedrich:  In der Arbeitsgruppe geht es hauptsächlich darum, das Ökosystem „Kapitalmarkt“ europaweit auf die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen und Investoren, die in mittelständische Unternehmen investieren wollen, anzupassen. Mit der Bildung der Kapitalmarktunion wird das Ziel verfolgt, vorhandene Eintrittsbarrieren für Aktien- und Anleihenemissionen von mittelständischen Unternehmen abzubauen und gleichzeitig die rechtlichen Rahmenbedingungen für Anleger zu verbessern, um in Aktien und Anleihen mittelständischer Unternehmen investieren zu können. Ich darf die Arbeitsgruppe mit meiner Kredit- und Anleihen-Expertise als Vertreter deutscher Interessen unterstützen und Vorschläge unterbreiten, die geeignet sind, um die genannten Ziele zu erreichen.

Anleihen Finder: Kommen wir zum Ausblick – was erwarten Sie in 2021 für den KMU-Anleihemarkt? Warum wird das Finanzierungsinstrument „Unternehmensanleihe“ sowohl für Emittenten als auch Anleger – trotz oder gerade wegen Corona – weiterhin interessant sein?

„Werden in den kommenden Jahren eine weitere Belebung des KMU-Anleihenmarktes sehen“

Hans-Jürgen Friedrich: Wir erwarten auch für 2021 und die kommenden Jahre eine weitere Belebung des Anleihenmarktes und werden nach meiner Einschätzung eine weitere Ausweitung dieses Anleihen-Segments sehen. Die bereits restriktiven Kreditbedingungen werden sich in den kommenden Jahren mit der Einführung von BASEL IV noch verschärfen. Das führt dazu, dass sich mittelständische Unternehmen mit anderen Finanzierungsbausteinen auseinandersetzen müssen. Die Unternehmensanleihe wird zunehmend in Betracht gezogen. Auf der anderen Seite wird der Druck auf die Anleger und Investoren, die in festverzinsliche Wertpapiere investieren immer größer. Die Null- und Negativzinsen werden uns aller Voraussicht noch lange erhalten bleiben. Die Zinsen von neuen Euro-Staatsanleihen und Industrieanleihen im Investmentgrade können Kosten und Inflation nicht decken. Immer mehr Investoren beschäftigen sich daher auch mit Unternehmensanleihen des Mittelstands. Anleger, die nicht die Möglichkeit haben, Emittenten und Anleihen zu prüfen und laufend zu überwachen, oder die das Risiko eines Einzelinvestments vermeiden wollen, können einen Mittelstandsanleihen Fonds nutzen. Mit dem Deutschen und den Europäischen Mittelstandsanleihen FONDS stehen zwei Alternativen zur Verfügung.

Anleihen Finder: Welche Ziele/Meilensteine wollen Sie mit Ihren beiden FONDS in 2021 erreichen?

„Wollen die Marktführerschaft im Mittelstandsanleihen-Fonds-Segment weiter ausbauen“

Hans-Jürgen Friedrich:  Wir wollen die Marktführerschaft im Mittelstandsanleihen-Fonds-Segment weiter ausbauen. Mit der MONEGA Kapitalanlagegesellschaft und der DZ Bank, haben wir zwei Geschäftspartner an unserer Seite, bei denen die DNA des Mittelstands fest verankert ist. Wir werden auch in den kommenden Jahren mit unserem Auswahlverfahren und der Nachhaltigkeitsprüfung die Wertpapiere suchen, die für die Portfolien des Deutschen bzw. Europäischen Mittelstandsanleihen FONDS geeignet sind, um die Ertragsziele für die Anleger zu erreichen. Wir sind für unsere Anleger gerne das Trüffelschweinchen und auf der Suche nach den versteckten Renditeperlen. Damit die Anleger unsere Arbeit nachvollziehen können, werden wir auch künftig unsere Arbeitsergebnisse transparent bereitstellen. Wir gehen von einem weiteren Wachstum des Fondsvolumens beider Fonds von derzeit 212 Mio. Euro auf 300 Mio. Euro bis Ende des kommenden Jahres aus. Für dieses Wachstum haben wir in der Vergangenheit sowohl personell als auch organisatorisch ein solides Fundament aufgebaut.

Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Friedrich, besten Dank für das Gespräch und Ihre Einschätzungen.

Anleihen Finder Redaktion.

Fotos: pixabay.com

Portraitfoto: Hans-Jürgen Friedrich, KFM Deutsche Mittelstand AG

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