Börsen Hamburg und Hannover: So finden Anleihen ihre Gläubiger

Mittwoch, 2. Mai 2012

Ulf Timke von den Börsen Hamburg und Hannover gibt im Interview mit Anleihen Finder einen Einblick in die Praxis der Anleihen-Zuteilung.

Anleihen Finder: Wie genau funktioniert die Zuteilung von Wertpapieren bei der Börse Hamburg/ Hannover (allgemein und bei Mittelstandsanleihen in der „Mittelstandsbörse Deutschland“ im Speziellen)?

Ulf Timke:
Das Verfahren hinsichtlich der Zuteilung von Wertpapieren wird zwischen dem Emittenten und Emissionsbegleiter festgelegt. Insoweit kommt es immer auf den Einzelfall und die Vorstellung der jeweils Beteiligten an. Diese sind jedoch gehalten, bei der Bestimmung des Verfahrens die Grundsätze der Börsensachverständigenkommission (BSK) für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger als Verhaltensempfehlung zu beachten. Ziel dieser Grundsätze ist es, Transparenz für die Anleger herzustellen. Ihre sinngemäße Anwendung eignet sich in weiten Zügen insofern auch für die Zuteilung von Anleihen an Privatanleger.

Anleihen Finder: Wenn eine Mittelstands-Anleihe sehr begehrt und rasch überzeichnet ist: Wie wird entschieden, welcher Investor den Zuschlag erhält?

Ulf Timke:
Der Emittent kann sich bei Nutzung der Zeichnungsmöglichkeit unmittelbar über die Börse zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden: entweder jede eingehende Zeichnungsorder wird sofort ausgeführt (hier ist also der zeitliche Eingang der Order entscheidend, jede Order wird voll zugeteilt) und die Zeichnungsphase wird bei Erreichen der Vollplatzierung unmittelbar beendet oder die Orders werden gesammelt und dann mit nur einer Preisfeststellung zugeteilt.

Bei Überzeichnung können für die Zuteilung nach Vorgabe des Emittenten verschiedene Kriterien herangezogen werden: dieses kann etwa die Ordergröße sein oder es wird eine Quote gebildet oder es wird gelost. Denkbar ist auch eine Kombination verschiedener Kriterien, z.B. alle Orders bis zu einer bestimmten Ordergröße werden voll bedient, danach wird per Losverfahren jede x-te Order bedient. Wichtig ist, dass dieser Zuteilungsschlüssel transparent gemacht wird. Wir halten es für die Zukunft nicht für ausgeschlossen, dass – wie bei Aktien – auch im Falle einer Anleihenemission das sog. Bookbuilding-Verfahren zur Anwendung gelangen kann. Bei diesem Verfahren legt der Emittent eine Preisspanne fest, innerhalb derer interessierte Investoren dann ihre Gebote abgeben. Erst unter Berücksichtigung der eingegangenen Orders wird dann der Preis festgelegt.

Anleihen Finder: Wie sieht es in der „Mittelstandsbörse“ mit der Zuteilung von Anleihen an institutionelle und Retailinvestoren aus? Gibt es hier klare Regeln? Gibt es für Privatinvestoren eine Zuteilungsbevorzugung?

Ulf Timke:
Die Börse macht hier keine Vorgaben. Der Emittent und dessen Begleiter definieren, bis zu welcher Ordergröße eine Order als Retailgeschäft angesehen wird bzw. dass alle über die Zeichnungsbox der Börse eingestellten Aufträge als Retailorders angesehen werden.

Anleihen Finder: Wer entscheidet über den Zuteilungsschlüssel (Konsortialbank/ Emittent/ weitere) einer Anleihe?

Ulf Timke:
Der Emittent legt in Absprache mit seinem Begleiter fest, wieviel Prozent der Emission für institutionelle Anleger vorgesehen ist und welcher Anteil bei Privatanlegern platziert werden soll. Die Wahl des Zuteilungsschlüssels bei Privatanlegern wird bei einer Überzeichnung der Anleihe dann festgelegt, wenn konkret feststeht, wie groß das Maß der Überzeichnung ist. Die Ausgestaltung der Zuteilung an Privatanleger steht also in unmittelbarer Abhängigkeit von der Anzahl der vorliegenden Orders.

Anleihen Finder: Herr Timke, vielen Dank.

Anleihen Finder Redaktion

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