Best Practice Guide oder „Seid doch bitte anständig“ – Kolumne von Marius Hoerner, ARTUS Asset Management AG
Dienstag, 6. Mai 2014
Der „Best Practice Guide: Entry Standard für Unternehmensanleihen“ liest sich gut, bietet aber nicht sehr viel, was man nicht auch in der Vergangenheit schon erwarten durfte.
Abgesehen von der Seite 6. Dort werden – in einem Kasten hervorgehoben – Kennzahlen genannt, die sich aus den Standards für Bondkommunikation der DVFA ableiten. Im Einzelnen werden die Kennzahlen zur Kapitaldienstdeckung, zur Verschuldung und zur Kapitalstruktur genannt und beschrieben, was man sich wünscht.
Und genau das ist der Haken. Ich persönlich wünsche mir sechs Richtige im Lotto. Die Deutsche Börse wünscht sich die Einhaltung von Kennzahlen. Da ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir beide feststellen werden, dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen.
Dabei ist die Absicht wirklich gut und ich gebe gerne zu, dass sich bei den letzten Emissionen – zumindest teilweise – an den genannten Wünschen orientiert wurde.
Es sei jedoch die Frage erlaubt, warum niemand den Mut hat oder hatte, klar definierte Regeln aufzustellen? Regeln, die jährlich überprüft werden und Konsequenzen nach sich ziehen, wenn sie nicht eingehalten werden (können)?
Dabei wäre es ganz einfach, zwei Segmente zu schaffen. Eins für die Anleihen der Unternehmen, die die Vorgaben erfüllen, und eins für diejenigen, die dazu nicht in der Lage sind. Damit wäre auch gewährleistet, dass Anleihen von Unternehmen, die diese Kennzahlen nicht erfüllen, für den Privatanleger sofort als risikoreich erkennbar sind.
Oder scheut man sich davor, eventuell Volumen zu verlieren? Die genannten Kennzahlen sind kein „Pappenstiel“. Wir orientieren uns schon seit beinahe zwei Jahren an ähnlichen Zahlen um die Qualität einer Anleihe zu bestimmen und damit kann ich mit relativer Sicherheit behaupten, dass von den bisherigen Mittelstands-Anleihen maximal zwei Hände voll dem „Best Practice Guide“ entsprechen.
Das ist ja auch kein Problem. Der professionelle Anleger sollte in der Lage sein, seine individuelle Risiko-Rendite-Relation zu bestimmen und wird dies sicher nicht nur anhand von Bilanzzahlen tun. Vielmehr geht es um den Privatanleger, dem man ein Hilfsmittel an die Hand geben muss, damit er schnell und klar erkennen kann, ob der Bond seiner Risikoneigung entspricht oder nicht.
Ich persönlich würde einen weiteren Vorteil sehen. Wir Deutsche neigen dazu, pessimistisch zu sein und Gläser immer als halb leer zu erkennen. Sprich, wir wollen wissen, wer der Absteiger ist. Viel spannender fände ich es, wenn man den Anlegern zeigen könnte, wer die Aufsteiger sind. Schließlich muss es der Plan eines jeden Unternehmens mit einer ausstehenden Anleihe sein, sich bei Fälligkeit (in der dann gegebenen Relation zum Kapitalmarkt) günstiger zu refinanzieren. Mit zwei Segmenten wäre es recht einfach dem Markt zu signalisieren, wer seine Hausaufgaben gemacht hat und wer nicht.
Ich gebe zu, die von mir in den „Ring“ geworfenen Ideen lassen sich nicht so einfach umsetzen, wie es sich vielleicht liest. Erfreulich ist auf jeden Fall, dass hier ein Schritt in die richtige Richtung gemacht wurde, der sicher in der Zukunft noch größer werden kann. Außerdem haben die anderen Börsen ja die Möglichkeit, ihre eigenen Ideen zu ergänzen. Wie man munkelt, scheint man in Stuttgart schon kräftig dabei zu sein und ich gehe davon aus, dass man in Düsseldorf auch nicht schläft.
Marius Hoerner
Portfolio Manager
ARTUS Asset Management AG
Foto: ARTUS Asset Management AG
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