BaFin will etablierte Anlageklasse für Privatanleger verbieten

Freitag, 26. August 2016


Beitrag von Ingo Wegerich. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erwägt das Anlageuniversum von Privatanlegern zu beschränken. Am 28. Juli 2016 hat die BaFin den Entwurf einer Allgemeinverfügung bezüglich des Verbots der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Zertifikaten bezogen auf Bonitätsrisiken („Bonitätsanleihen“ oder „credit linked notes“) an Privatkunden veröffentlicht. Laut BaFin sollen sich Bedenken für den Anlegerschutz vor allem durch die hohe Produktkomplexität von Bonitätsanleihen ergeben, die durchschnittliche Privatkunden nicht bewältigen könnten.

Der Deutsche Derivate Verband e.V. (DDV) als maßgeblicher Branchenverband definiert Bonitätsanleihen wie folgt:

„(…) Mit Bonitätsanleihen haben Anleger die Möglichkeit, in die Kreditwürdigkeit (Bonität) eines Schuldners zu investieren. Zins- und Rückzahlung erfolgen in Abhängigkeit der Kreditwürdigkeit des Schuldners. Sofern bei dem Schuldner kein Kreditereignis eintritt, erhält der Anleger die Zinszahlungen und bei Fälligkeit den Nennwert ausgezahlt. Tritt hingegen ein Kreditereignis ein, kommt es zu einer vorzeitigen Rückzahlung. In diesem Fall entfällt die laufende Zinszahlung und die Rückzahlung erfolgt zu einem Betrag, der deutlich unter dem Nennwert liegen kann. (…)“

Oder kurz gesagt: Wenn kein Kreditereignis beim Referenzschuldner eintritt, bekommt der Anleger den Nennbetrag und die Zinsen, wenn ein Kreditereignis eintritt, deutlich weniger. Dies klingt nicht besonders komplex und ist einfach verständlich.

Marktvolumen von sechs Milliarden Euro

Die BaFin wird hier auf eigene Initiative tätig, es ist nicht ersichtlich, dass die BaFin auf Beschwerden, Bedenken oder vielfachen Anlegerwunsch tätig geworden wäre. Dies ist auch schwer vorstellbar, da es sich bei den Bonitätsanleihen um eine – in der anhaltenden Niedrigzinsphase – bei den Anlegern sehr beliebte und etablierte Anlageklasse handelt. Diese Produktgattung ist seit vielen Jahren im Markt gut etabliert. Das Marktvolumen von Bonitätsanleihen liegt gegenwärtig bei etwa sechs Milliarden Euro und damit bei etwa zehn Prozent des deutschen Derivatemarktes. Die größten Emittenten dieser Zertifikate sind etablierte Häuser wie große Landes- und Genossenschaftsbanken.

Bei einer Untersuchung der Webseiten der maßgeblichen Emittenten von Bonitätsanleihen lässt sich feststellen, dass es sich bei den Referenzschuldnern für Bonitätsanleihen zum überwiegenden Teil um deutsche und ausländische Blue Chips handelt (u.a. Allianz, Apple, Coca-Cola, Deutsche Bank, etc.). Jahresabschlüsse und Rating dieser Unternehmen sind veröffentlicht. Mit den Möglichkeiten des Internets ist es auch für den Privatanleger ein Einfaches, die Dokumente online einzusehen und sich über die finanzielle Situation des Referenzschuldners zu informieren.

Kreditereignisse und Risiken dieser Produkte sowie die Auszahlungsstruktur sind in den Produktinformationsblättern und Prospekten – die von der BaFin seit vielen Jahren auch auf Verständlichkeit geprüft werden – sehr ausführlich beschrieben.

„Credit Default Swaps“

Weiterhin verweist die BaFin in ihrer Begründung darauf, dass die Privatanleger bei Bonitätsanleihen den Besonderheiten des hochprofessionellen Marktsegments des Handels mit sog. „credit default swaps“ („CDS“) ausgesetzt sind. Diese Argumentationslinie vermag nicht zu überzeugen, da der Privatanleger selbst eben nicht mit CDS handelt, sondern mit dem Erwerb einer Bonitätsanleihe sich die Teilhabe an einem ihm sonst verschlossenen Marktsegment eröffnet.

Auch das Argument der BaFin, der Kunde übernehme bei Bonitätsanleihen eine ähnliche Rolle wie ein Versicherungsgeber, der das Risiko eines Kreditereignisses übernehme, greift nicht. Der implizite Vorwurf, die Banken würden ihre eigenen Risiken auf Privatkunden abwälzen, ist praxisfern, da die Banken diese Produkte, wie die BaFin selbst ausführlich beschreibt, eigens für dieses Marktsegment auflegen und dabei immer entsprechende Gegengeschäfte zur Absicherung abschließen.

Insbesondere die Verhältnismäßigkeit eines solchen Verbots erscheint jedoch mehr als fraglich. Mildere Mittel sind denkbar:

  • – Andere Bezeichnung der Anlageklasse, um den Bedenken der BaFin Rechnung zu tragen
  • – Höhere Anforderungen an die Kundenaufklärung in der Anlageberatung
  • – Warnung der BaFin

Das Argument der BaFin, eine Warnung würde nicht ausreichen, da diese mangels erforderlicher Anlageerfahrung von dem Anleger als rein theoretisches Szenario betrachtet werde, greift nicht. Triebe man dieses Argument auf die Spitze, würde auch der Warnschuss der Polizei generell überflüssig sein, da der Täter ihn ohnehin nicht ernst nehmen würde.

Die rechtlichen Erwägungen der BaFin zum Verbot von Bonitätsanleihen sind nicht überzeugend. Der beabsichtigte Schutz der Privatkunden lässt sich auch durch verbesserte, den Bedenken der BaFin folgende Anlageberatung erreichen. Verbote allein sind nur wenig hilfreich.

Ingo Wegerich
Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Foto: Ken Teegardin / flickr

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