Auszeit für Anleihen: Wenn die Börse den Handel aussetzt

Freitag, 5. April 2013


Bei einigen börsennotierten Mittelstandsanleihen ging es in den letzten Wochen und Monaten turbulent zu. Die Börsen reagierten prompt und setzten allzu stark gebeutelte Schuldverschreibungen wie die der SiC Processing vom Handel aus. Auch die Anleihen der WGF AG und der Windreich GmbH waren zwischenzeitlich nicht mehr handelbar. Die Hintergründe waren hier jedoch andere – zumindest auf den ersten Blick.

Dass es für die SiC Processing GmbH eng werden würde, zeichnete sich am 16. August 2012 ab: Aufgrund der schlechten Branchen-Entwicklung hatte das Spezialunternehmen aus dem Umfeld der Photovoltaik-Industrie schlechte Halbjahreszahlen vermelden müssen. Hinzu kam, wie es in der gleichen Pressemitteilung hieß, dass der einzige Kunde der norwegischen Tochter  SiC Processing AS Insolvenz angemeldet hatte. Der Kurs der SiC Processing-Anleihe stürzte daraufhin dramatisch ab (s. Abbildung) bis die Börse Stuttgart in deren Segment „Bondm“ das Papier notiert ist, die Notbremse zog und die Anleihe kurzzeitig vom Handel aussetzte.

„Wertpapiere können durch die Geschäftsführung der Börse ausgesetzt werden, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel zeitweilig gefährdet oder wenn dies zum Schutz des Publikums geboten erscheint. Die rechtliche Grundlage dafür ist im Börsengesetz geregelt“, erklärte Bernd Stockmann, Pressereferent der Börse Stuttgart den Schritt.

Insidergeschäfte können den Kurs verfälschen

Tatsächlich geht es hier besonders darum, eine Informationslücke zu schließen. Denn während institutionelle Investoren und Branchenprofis durch ihr gutes Netzwerk rasch Kenntnis von kursrelevanten Ereignissen auf dem Markt erlangen, werden private Anleger oft zu spät informiert, um rechtzeitig reagieren zu können und beispielsweise die betroffenen Anleihen zu verkaufen.

Dr. Oliver Zander von der Kanzlei GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten erläutert: „In aller Regel handelt es sich um außergewöhnliche, meist insolvenznahe Situationen, in denen sich der Emittent befindet. Das Publikum soll davor geschützt werden, Papiere zu kaufen oder zu verkaufen, ohne dass ihm die außergewöhnliche Situation in ihrer Bedeutung vollständig bekannt geworden ist. So können Insidergeschäfte den Kurs eines Papiers verfälschen, Bilanzen werden nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, hohe Verluste des Unternehmens sind nur zum Teil bekannt oder Ähnliches.“ Allgemein gilt, dass die Handelsaussetzung so kurz wie möglich sein sollte, jedoch so lange andauern muss, bis die aktuellen Umstände möglichst allen Anlegern bekannt sind.

„Quasi-Ad-hoc-Pflicht“ für die rechtzeitige Information der Börse

Bei einer Kursaussetzung werden alle aufgegebenen Kauf- und Verkaufsorders gelöscht. Thomas Dierkes, Vorstand der Börse Düsseldorf, erläutert das Procedere für sein Mittelstandssegment: „Im „mittelstandsmarkt“ hat die Börse Düsseldorf eine unmittelbare Beziehung zu den Emittenten, die die Aufnahme in dieses Segment beantragt haben. Diese Unternehmen haben sich  verpflichtet, die Börse über potentiell kurserhebliche Informationen 30 Minuten vor der Veröffentlichung über die bekannten Informationssysteme zu unterrichten, das ist die so genannte Quasi-Ad-hoc-Pflicht. Teilt die Börsengeschäftsführung die Einschätzung bezüglich der erheblichen Kursbeeinflussung, würde sie eine Aussetzung des Handels verfügen. Die in den Mittelstandsegmenten anderer Börsen notierten Anleihen werden an der Börse Düsseldorf im Sekundärmarkt gehandelt. Hier erhalten wir die Informationen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung über die Informationsverbreitungssysteme. Hat die Geschäftsführung der Heimatbörse aufgrund einer solchen Nachricht eine Aussetzung verfügt, informiert sie die Börsen, an denen die betroffene Gattung gehandelt wird. Im Regelfall vollziehen wir diese Entscheidung an der Börse Düsseldorf nach, um die investierten Anleger zu schützen und Verwerfungen im deutschen Börsenhandel zu vermeiden.“ Die beschriebene Quasi-Ad-hoc-Pflicht gehört bei allen Mittelstandssegmenten der Börsen zu den Folgepflichten, die als Bedingung für das Listing erfüllt sein müssen.

Nicht-Einhaltung von Folgepflichten führt zum „Time out“ an der Börse

Die Vermeidung einer „Informationslücke“ für die Privatanleger ist jedoch nicht der einzige Grund, für ein vorübergehendes Handels-Aus. Rechtsanwalt Dr. Lars Röh von der Kanzlei lindenpartners erläutert: „Es ist eine Tendenz der Börsen zu beobachten, auch Verstöße gegen segmentspezifische Informations- und Transparenzpflichten, sogenannte Folgepflichten, zum Anlass für eine Aussetzung zu nehmen. So hat die Börse Stuttgart jüngst den Handel in Windreich-Anleihen zeitweilig ausgesetzt, weil der Emittent seiner Pflicht zur kontinuierlichen Veröffentlichung eines Ratings nicht nachgekommen ist. Die Börse Düsseldorf sah sich zur Aussetzung des Handels in der WGF AG-Anleihe veranlasst, weil dort der testierte Jahresabschluss zu spät veröffentlicht wurde.“

Zumindest bei diesen beiden Beispielen – WGF und Windreich – kann man die fehlenden Dokumente jedoch als „Symptome“ von ernsthaften wirtschaftlichen Schieflagen der Emittenten sehen. So meldete der Immobilienkonzern WGF AG kurz nach der Handelsaussetzung ihrer Anleihen Insolvenz an. Offensichtlich waren die schlechten Ergebnisse der Grund dafür gewesen, dass der Jahresabschluss nicht geliefert wurde.

Auch Willi Balz, der Chef der Windreich AG – die kürzlich in die Windreich GmbH umgewandelt wurde – muss um den Bestand seines Unternehmens kämpfen. Dies hätte das Rating der Creditreform Rating AG wohl auch wiedergespiegelt – wenn es denn veröffentlicht worden wäre.

Nach Verzögerungen bei den Zinszahlungen und Betrugsvorwürfen gegen Balz stürzte der Kurs der Windreich-Anleihe 2011/2016 (WKN: A1H3V3) im März dieses Jahres von etwa 42 Prozentpunkten auf einen Kurs von zeitweise nur noch 15 Prozent ab. Der Schwester-Anleihe (WKN: A1CRMQ) erging es nicht viel besser.

Auch wenn die Handelsaussetzung von Anleihen formal mit Verletzungen der Folgepflichten begründet wird, sollten Gläubiger also genau recherchieren und entsprechend handeln, sobald Kauf und Verkauf über die Börse wieder möglich sind.

Anleihen Finder Redaktion

Foto: Benjamin Thorn/pixelio . de, Grafik: Anleihen Finder GmbH

TIPP: Sie haben gerade die Titelstory unseres neuen zweiwöchigen Newsletters “Der Anleihen Finder” gelesen. Laden Sie sich hier den ganzen Newsletter kostenlos herunter. Melden Sie sich hier kostenlos für den Newsletter an, so dass “der Anleihen Finder” automatisch im Zwei-Wochen-Rhythmus in Ihr E-Mail-Postfach gelangt. Es entstehen Ihnen keine Kosten.

Alle Newsletter „Der Anleihen Finder“ – Kostenlose Downloads

Experten-Chat

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Bitte beachten Sie die .

Menü