Anlagenotstand und Draghi macht die Märkte eng – Kolumne von Marius Hoerner, Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung AG
Altersvorsorge, Sparen und Eigeninitiative waren jahrelang die Schlagworte, die einem von Politikern jedweder Gesinnung um die Ohren geflogen sind. Und heute? Heute will das keiner mehr wissen. Denn im Grunde sind die Pläne der privaten Sparer alle nicht mehr das Papier wert, auf das sie mal geschrieben wurden. Erschreckenderweise macht es dabei keinen Unterschied, ob wir über klassische Sparpläne, Riester-Rente, Lebensversicherungen oder sonstige Sparformen reden.
Wer ist schuld? Darüber lässt sich trefflich streiten. Fest steht nur, dass es definitiv nicht die Anbieter der Sparpläne oder Lebensversicherungen sind. Die können dem Sparer nur liefern, was der Markt hergibt.
Das wird auch erstmal so bleiben. Denn der von Herrn Draghi propagierte und initiierte Ankauf von Staatsanleihen kommt, wenn überhaupt sinnvoll, zu einem Zeitpunkt, an dem 10-jährige deutsche Staatsanleihen schon nahe Null rentieren. Da waren die Amerikaner definitiv cleverer und haben auf wesentlich höherem Niveau begonnen, den Markt der eigenen Staatsanleihen künstlich zu verknappen.
Stempel von Goldman Sachs
Europa hingegen folgt dem Jahrzehnte lang fehlgeschlagenen italienischen Beispiel, immer erst dann zu handeln, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Wenn man böse ist, könnte man sagen, was mit der Muttermilch eingesogen wurde, lässt sich auch durch den Stempel von Goldman Sachs nicht eliminieren.
Von Staatsanleihen auf Corporate Bonds umzuschwenken, ist nicht ganz so einfach, wie man meinen könnte. Solvency II und Basel III sprechen in großen Teilen dagegen. Aber eben nicht in allen Teilen.
Staatsanleihen sind in der Grafik 1 nicht aufgeführt, sondern die Renditekurven der EUR Corporate Bonds mit einer Restlaufzeit von fünf Jahren. A Rating in gelb, BBB in rot, BB in grün und B in blau. Unten ist die Veränderung in Prozent seit dem 01. Januar 2014 bis 09. Februar 2015 zu sehen.
Bis auf die B-Kurve sind alle Renditen deutlich und relativ linear gefallen. Je besser das Rating, desto besser die Performance der letzten 13 Monate.
Seit dem ersten Februar hat der B-Sektor dramatisch aufgeholt. Gab es am 01. Februar noch 6,57% sind es am 09. Februar „nur“ noch 4,93%.
Wir gehen davon aus, dass der Trend sich weiter fortsetzen wird und sich die Relation BB zu B dem Verhältnis A zu BB prozentual angleicht.
Risiko eingehen
Warum? Die Rechnung, zumindest annähernd, ist einfach. Wenn ich Risiko eingehen muss, um Rendite zu erzielen, habe ich mehrere Möglichkeiten. Ich kann einen Teil der Investments im BBB-Bereich anlegen und liege dann im Schnitt bei einer Rendite von 1,05%. Oder ich gewichte BBB und BB gleich und komme auf 1,66%. Verlockend ist 50% A und 50% B was zu einem Ergebnis von 2,77% führt. Das wird aber keiner der oben angesprochenen Kapitalsammler tun bzw. tun dürfen.
Aber beimischen darf man den B Bereich auf jeden Fall. 70% A Rating und 30% B Rating führt zu einer Rendite von 1,91%. Das ist eine Relation zu A-Anleihen bzw. Staatsanleihen aus eher südlichen europäischen Ländern, die für viele institutionelle Investoren vertretbar sein wird und ganz offensichtlich auch seit Beginn des Jahres schon umgesetzt wird (wo es die Anlagerichtlinien erlauben).
Der Anlagenotstand macht kreativ bzw. aus mancher Not eine Tugend. Die einfachen Beispiele, die hier dargestellt wurden, sind lediglich exemplarisch, zeigen aber, wie man rechnen kann, darf und muss. Auch in Bezug auf KM-Anleihen bzw. deren Beimischung zum Depot.
Schwankungen
Und sie zeigen noch etwas ganz anderes. Nämlich, dass all jene, die den KMU-Sektor im vergangenen Jahr verteufelt haben, definitiv nicht über den Tellerrand geschaut haben. Denn mit welchem Bereich der internationalen Corporate Bonds auf EUR sind die KMUs am ehesten vergleichbar? Unseres Erachtens am ehesten mit dem B-Bereich der großen Corporates. Denn der ist ebenfalls vergleichsweise illiquide und deutlichen Schwankungen ausgesetzt.
Die Renditedifferenz der abgebildeten B-Kurve von Juni bis Dezember beträgt etwa 3%. Im Kurs ausgedrückt sind das ca. 15%-Punkte. Man kauft im Sommer, die Zinsen fallen und trotzdem steht am Jahresende ein dickes Minus auf dem Depotauszug. Spaß macht das nicht, aber solange die Zinsen fließen und das Unternehmen gesund bleibt, ist es auch kein Drama. Volatilitäten und Verschiebungen der Spreads gehören bei Unternehmensanleihen zum täglichen Brot.
Das zeigt die Grafik 2 deutlich. Hier vergleichen wir die Rendite der 5-jährigen europäischen Benchmark-Anleihe mit der 5-jährigen A-Corporate Bond Kurve. Wie man sieht, waren die Spreads seit Mai 2002 schon wesentlich enger als heute, aber auch wesentlich breiter. Das wird auch in Zukunft so sein und zwar in jedem Ratingbereich. Entscheidend ist und bleibt ob der Schuldner seinen Zinsdienst und die Tilgung leisten kann.
Marius Hoerner
Portfolio Manager
Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung AG
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Titelfoto: FuFu Wolf / flickr
Kleines Foto: Marius Hoerner, Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung AG
Graphiken: Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung AG
Anleihen Finder Kolumnen
Bedingt informationsbereit – Kolumne von Peter Thilo Hasler, Analyst bei Sphene Capital GmbH
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