Refinanzierung bei KMUs: Herausforderndes Umfeld
Ein Beitrag der Quirin Privatbank Redaktion
Mittelständische Unternehmen, die mit dem Gedanken einer Anleiheemission spielen, haben schon mal bessere Bedingungen vorgefunden. Dies bedeutet nun aber nicht, dass kleine und mittlere Unternehmen ihre Finanzierungsvorhaben auf die lange Bank schieben sollten. Im Gegenteil: Dass sich das Umfeld am Kapitalmarkt aufhellen wird, ist nicht ausgeschlossen, allerdings kann es sich auch noch mal verschlechtern.
Die nicht enden wollenden Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA; ein italienischer Haushaltsentwurf, der nicht nur in der Eurozone für mächtig Wirbel sorgte; der ungewisse Ausgang des Brexit oder ein französischer Präsident, der die aufgebrachte Bevölkerung nur mit kostspieligen Geschenken wieder beruhigen konnte – kurzum: das Jahr 2018 hatte einiges zu bieten, leider auch zahlreiche Hiobsbotschaften. „Die Aktienmärkte, die als recht verlässlicher Seismograph der Weltwirtschaft gelten, gerieten daher wenig überraschend teils kräftig unter Druck; kaum ein bedeutender Leitindex konnte das Jahr 2018 mit einem Plus abschließen“, meint Carsten Peter, Direktor bei der Quirin Privatbank AG.
Trotz der zahlreichen Krisenherde und Unsicherheiten war 2018 dennoch für viele Menschen und Unternehmen ein gutes Jahr. Der Wirtschaftsmotor lief – wenn auch mit einer etwas geringeren Drehzahl als im Vorjahr – weiterhin rund, die Arbeitslosenquote verharrte und verharrt weiterhin auf extrem niedrigem Niveau und Immobilienunternehmen egal welcher Wertschöpfungsstufe sowie Häuslebauer konnten und können angesichts der nicht enden wollenden Niedrigzinsphase ihr Glück wohl immer noch nicht so richtig fassen.
USA, China und Brexit dämpfen die Stimmung
Doch zu behaupten, wir leben auf einer Insel der Glückseligen, wäre übertrieben. Da wären zum einen all die hinters Licht geführten Dieselfahrer, eine dadurch beim Absatz durchaus strauchelnde Automobil- sowie Zulieferindustrie und die Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Dazu kommen all diejenigen mittelständischen Unternehmen, die einen geeigneten Nachfolger oder IT-Fachleute suchen. Zum einen, um die Chancen und Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, konsequent zu nutzen und somit international wettbewerbsfähig zu bleiben. Zum anderen aber auch, um sich vor allzu neugierigen Konkurrenten, Wirtschaftsspionen oder ehemaligen Mitarbeitern zu schützen, indem die IT-Sicherheitsstrukturen auf Vordermann gebracht werden. Allesamt Themen, mit denen zahlreiche mittelständische Unternehmen auch im neuen Jahr konfrontiert werden dürften.
Nicht zu vergessen ist zudem, welch verheerende Auswirkungen eine Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA und China oder ein harter Brexit auf die Wirtschaft haben könnte.
Angespanntes Refinanzierungsumfeld
Schon in den vergangenen Wochen und Monaten haben die beiden Streithähne USA und China sowie die zähen Brexit-Verhandlungen Spuren in der Wirtschaft hinterlassen. Und auch am Kapitalmarkt haben diese Unruheherde die Nervosität spürbar ansteigen lassen, wenngleich der DAX und viele weitere bedeutende Aktienindizes überaus freundlich in das Jahr 2019 gestartet sind. Am Rentenmarkt sind derweil die Renditen von vermeintlich sicheren Anleihen weiter gesunken, während sie von Papieren, die auch nur einen Hauch von Risiko versprühten, wieder zulegten. Und es gibt wohl kaum ein renommiertes Wirtschaftsinstitut, das in den vergangenen Wochen nicht die Wachstumsprognose für 2019 nach unten angepasst hat.
Von der zunehmenden Verunsicherung wurden und werden auch mittelständische Unternehmen, die mit dem Gedanken einer Anleiheemission spiel(t)en, nicht verschont. „Aufgrund des herausfordernden Umfelds haben einige KMU in jüngster Vergangenheit ihr geplantes IBO doch erst einmal auf Eis gelegt“, weiß Experte Peter. „Es kann nur besser werden“, hoffen sicherlich einige KMU mit Refinanzierungsbedarf. Möglich ist so ziemlich alles, doch sehr wahrscheinlich erscheint dieses Szenario nicht.
„Vielmehr werden KMU wohl auch 2019 mit einem herausfordernden Refinanzierungsumfeld leben müssen“, prognostiziert Carsten Peter. Denn ob und wann sich die USA und China wieder annähern werden, ist auch nach dem G20-Gipfel in Buenos Aires Ende 2018 ungewiss. Auch die Brexit-Verhandlungen könnten noch für die eine oder andere Hiobsbotschaft gut sein; und Italien sowie neuerdings auch Frankreich werden wohl auch nicht gerade für Stabilität sorgen. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte ebenfalls für erschwerte Bedingungen am Anleihemarkt sorgen. Zum einen hat sie mit dem Start ins neue Jahr das Ende der ultralockeren Geldpolitik eingeläutet, kaufen die Währungshüter doch nun keine neuen Staatsanleihen mehr, nach dem sie zuvor seit März 2015 festverzinsliche Wertpapiere für rund 2,6 Billionen Euro erworben haben. Den Staaten fehlt somit nun ein wichtiger Investor und dem Markt wird eine Menge Liquidität entzogen.
Darüber hinaus ist auch das Ende der Nullzinspolitik kein Tabu-Thema mehr. Zwar ist es nahezu ausgeschlossen, dass EZB-Chef Mario Draghi vor dem Sommer 2019 an der Zinsschraube drehen wird, danach könnte der Leitzins aber erstmals seit Mitte 2011 wieder angehoben werden. Auch KMU müssten dann mit zeitlicher Verzögerung eine höhere Verzinsung bieten, um genügend Interessenten für ihre Anleihen zu finden. Grund zur Panik besteht nun aber dennoch nicht: „Falls die EZB 2019 tatsächlich die Zinswende einläuten sollte, wird sie ihren Fuß sehr behutsam vom geldpolitischen Gaspedal nehmen. Mehr als ein kleiner Schritt in Höhe von 0,25 Prozentpunkten erscheint mir mehr als unwahrscheinlich“, schätzt Experte Carsten Peter. Seit dem März 2016 verharrt der Leitzins im Euroraum nun auf dem Rekordtief von 0 Prozent.
Attraktive Finanzierungsmöglichkeiten – auch in unsicheren Zeiten
Kurzum: Das Umfeld für KMU mit Refinanzierungsbedarf war schon mal besser. Und: Eine seriöse Prognose zu den künftigen Refinanzierungsbedingungen ist angesichts dieser unsicheren Gemengelage schlichtweg nicht möglich. Erschwert wird eine Einschätzung zudem durch die sich derzeit noch in der Findungsphase befindlichen Regulation – angefangen von DGSVO bis hin zu MiFID II und Basel III. Fest steht ausschließlich, dass die Volatilität auf Basis des wilden Potpourris an zumeist politischen Themen bleiben wird. „Einen Tipp können wir Unternehmensentscheidern aber dann doch noch mit auf den Weg geben: Ganzgleich, wie herausfordernd das aktuelle Umfeld ist oder werden wird, auch in schwierigen Zeiten gibt es attraktive Finanzierungsmöglichkeiten, sie müssen nur entdeckt und umgesetzt werden. Es ist gar nicht so entscheidend, was passiert, sondern viel wichtiger, wie Unternehmen auf die Situation reagieren“, ist Carsten Peter überzeugt.
Quirin Privatbank Redaktion.
Foto: pixabay.com
Graphik: EZB
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