Windreich: Was bedeutet das Willi Balz-Comeback für Anleihe-Gläubiger? – „Gefahr, dass am Montag kein Gemeinsamer Vertreter gewählt wird“ – „Willi Balz` Interessen stimmen nicht zwingend mit denen der Anleihe-Gläubiger überein“

Donnerstag, 9. Januar 2014


Ex-Windreich-Chef Willi Balz will über die Anwaltskanzlei Grub Brugger Einfluss auf die Entscheidungen der Anleihegläubiger-Versammlung am kommenden Montag in Esslingen nehmen. Die Presse textet sinngemäß: „Willi Balz ist zurück.“ Ist das gut oder schlecht aus Sicht der Anleihe-Gläubiger?

Erste Antworten geben zwei renommierte Anwälte, die nicht uneigennützig die Interessen der Windreich-Anleihe-Gläubiger vertreten wollen. Heiko Müller von der Kanzlei Baum Reiter & Collegen und Klaus Nieding von Nieding + Barth erklären im Doppelinterview mit der Anleihen Finder Redaktion, wie die Gläubigerversammlung mit Willi Balz ablaufen könnte:

Anleihen Finder Redaktion: Was bedeutet die Rückkehr von Willi Balz für die Anleihe-Gläubiger der Windreich GmbH? Wie schätzen Sie den Vorstoß von Willi Balz ein?

Heiko Müller: Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Willi Balz weiterhin an sein Unternehmen glaubt und die vollständige Befriedigung der Anleihegläubiger anstrebt. Dies sollte auch nach unserer Meinung im Vordergrund stehen. Eine möglichst hohe Quote oder gar eine vollständige Rückzahlung des Anleihekapitals ist nur durch die Fortführung des Unternehmens zu erreichen. Dieses Interesse wird durch uns und den Kandidaten Rechtsanwalt Nieding vehement vertreten. Andere Kandidaten streben jedoch offensichtlich eine möglichst schnelle Zerschlagung des Unternehmens an, was nicht im Interesse der vielen Kleinanleger sein kann. Dieses muss verhindert werden. Hierzu muss die zersplitterte Gruppe der Kleinanleger einen Gemeinsamen Vertreter bestellen, der ihre Interessen bestmöglich vertritt und dafür sorgt, dass unabhängige Organe wie Insolvenzverwalter, Gläubigerausschuss und Gemeinsamer Vertreter die für die Anleihegläubiger notwendige Transparenz schaffen. Dass diese Interessen ohne weiteres auch durch den von Balz vorgeschlagenen Kandidaten verfolgt werden, kann durchaus bezweifelt werden.

Klaus Nieding: Das Herr Balz nun die Anleihegläubiger anschreibt, auch über seine Anwälte, ist befremdlich. Meiner Kenntnis nach hat Herr Balz sich aus dem aktiven Geschäftsbetrieb verabschiedet. Dass er sich nun wenige Tage vor der Anleihegläubigerversammlung wieder in den Prozess einbringen möchte, sorgt bei betroffenen Anlegern eher für Verunsicherung als für Vertrauen. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass die Interessen des Herrn Balz als Gesellschafter nicht zwingend mit denen der Anleihebesitzer als Gläubiger der Gesellschaft übereinstimmen müssen – Stichwort „Interessenkonflikte“.

Anleihen Finder Redaktion: Welche Gründe könnten sich Ihrer Meinung nach hinter dem Vorstoß von Will Balz verbergen?

Heiko Müller: „Dies könnte zur Lasten der Anleihe-Gläubiger ausgehen“

Heiko Müller: Herr Balz hat nach eigenen Angaben einen wesentlichen Teil seines Privatvermögens in das Unternehmen eingebracht. Damit dürften seine Interessen vornehmlich in der Rettung seiner Gelder und der Wiedergewinnung seines Rufs bestehen. Dies könnte durchaus zu Lasten der Anleihe-Gläubiger ausgehen.

Klaus Nieding: Ich vermag hier nicht über die Motive des Herrn Balz zu spekulieren. Fest steht, dass er selbst beschlossen hatte, sich aus der Geschäftsführung zurückzuziehen. Nun tritt er einmal als „strahlender Retter“ auf und sagt den Anleihegläubigern im O-Ton, dass alles nicht so schlimm sei und er, Willi Balz, dass schon richten werde, wenn er erst wieder am Ruder ist. Das hört sich etwas zu einfach an.

Anleihen Finder Redaktion: Willi Balz bittet die Anleihe-Gläubiger, den Kandidaten der Kanzlei Grub Brugger bei der Wahl zum gemeinsamen Vertreter der Anleihe-Gläubiger am 13.01.2014 zu unterstützen. Vorteil sei, dass er den Insolvenzverwalter bei der Sanierung beraten könne, so dass das Unternehmen Windreich erhalten und die Gläubiger-Ansprüche sogar „vollumfänglich“ befriedigt werden könnten, wenn die Gläubiger dem Unternehmen die notwendige Zeit einräumen würden. Wie schätzen Sie diese Argumente von Willi Balz ein?

Heiko Müller: Der Vorschlag von Willi Balz und seinen Anwälten, Herrn Rechtsanwalt Joachim Illig auf der anstehenden Gläubigerversammlung zum Gemeinsamen Vertreter zu wählen, stößt auf Unverständnis und dürfte die Anleihegläubiger verunsichern. Dieser Vorstoß birgt sogar die Gefahr, dass kein Gemeinsamer Vertreter gewählt oder gar ein Vertreter aus dem Lager der Investoren gewählt wird, die eine kurzfristige Zerschlagung des Unternehmens zum Ziel haben. Gewählt wird der Gemeinsame Vertreter mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Wenn nunmehr drei Kandidaten antreten, könnte es durchaus geschehen, dass keiner die notwendige Mehrheit erlangt. Dann aber wären die Anleihegläubiger auf der Gläubigerversammlung im Februar nahezu machtlos, so dass sich die Investoren mit Zerschlagungsinteresse durchsetzen könnten. Sowohl Rechtsanwalt Nieding als auch Balz´ Kandidat streben die Fortführung des Unternehmens an, um den Anleihegläubigern eine möglichst hohe Rückzahlung ihrer Forderung zu gewährleisten. Wenn dieses Lager durch den Vorstoß von Willi Balz jetzt aufgespalten wird, spielt dies nur den Investoren mit kurzfristigen Gewinninteressen in die Hände. Willi Balz sollte daher den Kandidaten Nieding unterstützen, anstatt die Anleihegläubiger zu spalten.

Klaus Nieding: „Zum aktuellen Zeitpunkt mit einer 100prozentigen Rückzahlung hausieren zu gehen, ist aber schlicht unseriös“

Klaus Nieding: Da ein Unternehmen in der Regel seine Verbindlichkeiten nur dann bedienen kann, wenn es Geld verdient, ist für mich die Fortführung des Unternehmens logischerweise ebenfalls ein wesentlicher Aspekt. Hier werden auch Seitens des Insolvenzverwalters bereits sämtliche Optionen geprüft. Es gilt, die Gesellschaft in wirtschaftliche und unwirtschaftliche Teile aufzugliedern und diese dann einzeln zu bewerten.

Zum aktuellen Zeitpunkt mit einer 100prozentigen Rückzahlung hausieren zu gehen, ist aber schlicht unseriös. Zur Zeit kann niemand eine exakte Auskunft über die Höhe der Rückflussquote erteilen, da diese von zu vielen unbestimmten Faktoren abhängt. Klar ist allerdings, dass die Chancen auf eine höhere Rückzahlungsquote steigen, wenn das Unternehmen weiterhin Geld verdient. Dies hängt jedoch nicht zuletzt von der weiteren wirtschaftlichen Lage und Entwicklung der Windreich GmbH ab.

Ich kann Ihnen daher lediglich sagen, dass ich mich um das bestmögliche Ergebnis für die Anleihegläubiger bemühen werde.

Soweit es mich anbelangt und ich gehe davon aus, dass es auch dem Standpunkt des Insolvenzverwalters entspricht, kann ich mir nach wie vor eine konstruktive Zusammenarbeit mit Herrn Balz in einer beratenden Funktion vorstellen. Wichtig ist, dass die Transparenz für die Anleihegläubiger in den Belangen der Gesellschaft durch unabhängige Organe wie den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuss und einen Gemeinsamen Vertreter gewährleistet ist.

Lesen Sie im zweiten Teil, was die beiden Kapitalmarktrecht-Experten den Argument entgegnen, dass sich Anleger-Anwälte und Insolvenzverwalter nur „die Taschen“ durch lukrative Mandate „voll machen“ wollen.

Anleihen Finder Redaktion

Foto: Windreich GmbH

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