Wachstumsfinanzierung im Mittelstand: Die Renaissance des partiarischen Darlehens – Gastbeitrag von Jürgen Leschke, P2C Private to Corporate AG

Freitag, 21. Juni 2013


Neu ist es nicht, das partiarische Darlehen. Nur etwas in Vergessenheit geraten. Es ist gewissermaßen die Urform des Darlehens und wird seit der Antike zur Umsetzung unternehmerischer Projekte eingesetzt. So floss Kapital an einen Unternehmer, der damit ein mit Erfolgschancen aber auch mit Risiken behaftetes Wachstumsziel verfolgte.
Im Mittelalter ging beispielsweise Christoph Kolumbus mit partiarischen, also erfolgsabhängigen, Geldern ausgestattet auf Entdeckungsfahrt. In einer Art Lizenzvertrag, der „Kapitulation von Santa Fe“ vom 17. April 1492, wurden zwischen dem spanischen Königshaus und dem Conquistador die Bedingungen zur Erfüllung des Projekts „Indienfahrt“ festgelegt. Der Vertrag bestimmte, dass Kolumbus für Spanien einen westlichen Seeweg nach Asien suchen sollte. Ihm wurde ein Zehntel an dem zu erwartenden Gewinn des Unternehmens zugestanden. Außerdem sicherte der Vertrag Kolumbus zusätzlich geforderte Ehrentitel zu. Daraus lässt sich konstatieren, dass 90 Prozent des zu erwartenden Gewinns der Unternehmung an die damaligen Geldgeber – das spanische Königshaus – zurückflossen.

Kann eine solch altertümliche Finanzierungsform heute noch Anwendung finden? Ja, sie kann. Denn durch seine Flexibilität und die damit verbundenen Konstruktionsmöglichkeiten, ist das partiarische Darlehen heute aktueller denn je – ein hoch modernes und die Interessen beider Seiten treffendes Instrument zur langfristigen Unternehmens- bzw. Projektfinanzierung.

Skizzierung der unterschiedlichen Interessenlagen

Aufgrund der steigenden Tendenz der Banken, längerfristige Unternehmensfinanzierung Roll-over-basiert zu leisten, entstehen zunehmend Ungleichgewichte in der Fristenbilanz der Unternehmen. Lange Aktiva stehen immer öfter kurzfristigen Passiva gegenüber. Betroffen hiervon sind insbesondere kleinere aber innovative und wachstumsstarke Mittelstandsunternehmen, deren gewinnbasierter Eigenkapitalausweis dem Bilanzwachstum nicht folgen kann. Diese Tendenz wird sich mit Blick auf die zukünftige Entwicklung in der Regulierung des Bankensystems, insbesondere der Umsetzung von Basel III, noch verschärfen.

Auf der anderen Seite mangelt es vermögenden Privatpersonen, so genannten High-Net-Worth-Individuals, zunehmend an alternativen und transparenten Anlagemöglichkeiten mit fairem Rendite-Risikoprofil sowie flexiblen Anlagehorizonten. Eine Dekade von konjunktur- und krisenbedingten Misserfolgen in der privaten Vermögensverwaltung hat die Investoren noch risikoscheuer werden lassen, als sie es seit je her in Deutschland waren. Der Höhepunkt allgemeiner Risiko-Aversion wurde erstmals zu Beginn 2012 erreicht, als Anleger nur aus Gründen der Kapitalerhaltung einen Negativ-Zins bei zehnjährigen Bundesanleihen in Kauf nahmen – und somit eine Prämie für die vermeintlich sichere Geldanlage zahlten.

So lässt sich leicht vorhersagen: Einerseits haben es deutsche Mittelstandsunternehmen in Zukunft immer schwerer, langfristige Fremdmittel zur Finanzierung von Wachstumsprojekten einzuwerben und damit eine Fristenkongruenz in ihren Bilanzen zu gewährleisten. Andererseits wird es für private und auch institutionelle Investoren immer schwerer, ihr Vermögen mit Blick auf einen fairen Rendite-Risikoausgleich transparent anzulegen.

Partiarisches Darlehen schafft Interessensausgleich

In punkto Flexibilität, Interessenanpassung und freizügiger Handhabung, ist das partiarische Darlehen vielen bekannten Formen der Mittelstandsfinanzierung überlegen. Allein seine rechtliche Konstruktion erfordert Erfahrung und eine klare Beschreibung der Risiken. Allgemein notwendig bei der Vertragskonstruktion ist die Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts des Investors, das heißt, dieser steht mit seinen Ansprüchen hinter allen Gläubigern und rangiert im Insolvenzfall nur vor den Eigenkapitalträgern.

Dabei sollte sich der Investor durch den qualifizierten Rangrücktritt nicht verschrecken lassen. Dieser vorerst augenscheinliche Nachteil wird durch die zum vertraglich geregelten Festzins zusätzlich fällige variable Vergütung abgegolten. Bei der Mittelstandsanleihe heutiger Couleur steht der Anleihegläubiger vergleichsweise kaum besser da. Die Sicherheitenregelungen der Finanzinstitute bevorrechtigen im Insolvenzfall deren Ansprüche an die liquidierte Vermögensmasse. Da bleibt für Investoren, die die Anleihe erworben haben, zumeist nicht viel übrig.  Allerdings fehlt Ihr der Risikoausgleich der variablen Zusatzvergütung.

Sucht ein Unternehmer also längerfristige Mittel für Investitionen, die Ihm zusätzliche Umsätze und Erträge liefern, so ist bei nicht ausreichenden Eigenmitteln wie eh und je seine Bank die erste Wahl. In Abhängigkeit seiner Bonität (Rating) bekommt er eine Finanzierung – oder eben nicht. Ist seine Finanzierungsanfrage erfolgreich, stellt die Bank die notwendigen Mittel aber oft nicht mehr als echtes langfristiges Darlehen, sondern als wiederkehrenden (Roll-Over-)Kredit, der zu aktuell niedrigen Zinsen ausgereicht werden kann und mit einer Prolongationszusage (vorbehaltlich der Bonitätsentwicklung) ausgestaltet ist, zur Verfügung. Eine weitere Lösung zum Ausgleich des längerfristigen Finanzierungsbedarfs bieten bei Finanzierungsvolumina ab 5 Mio. Euro das Schuldscheindarlehen oder bei noch größeren Volumina ab ca. 15 Mio. Euro die Mittelstandsanleihe. Die Konstruktionen sind ähnlich: Das Geld wird längerfristig zur Verfügung gestellt und zu einem Festzins ausgereicht. Die Tilgung erfolgt bei den meisten Anleihen endfällig. Gegenüber diesen Produkten besitzt das partiarische Darlehen für das Unternehmen einen entscheidenden Vorteil. Obwohl das partiarische Darlehen als „langfristiges Fremdkapital“ in der Bilanz auftaucht, gehört es analytisch (Rating) zum wirtschaftlichen Eigenkapital. Das heißt, dass sich die Bilanzrelationen des Unternehmens im Vergleich zur Banken-, Anleihe- oder Schuldscheinfinanzierung durch die Aufnahme eines partiarischen Darlehens deutlich verbessern.

Bei Banken-, Anleihe- oder Schuldscheinfinanzierung erfolgt zudem der Nutzen- und Risikoausgleich lediglich in Form des festen Zinses. Zurzeit werden die Risiken langfristiger Kredite (je länger, desto größer) von den niedrigen Zinsen kaum noch aufgefangen. Das heißt, der Interessensausgleich zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer ist bei höherem Risiko nicht mehr gewährleistet. Erste Lösungen für neue Wege des Risikoausgleichs wurden bei mezzaninen Finanzierungsinstrumenten geschaffen, z.B. durch sogenannte Equity Kicker bzw. Wandeloptionen. Das heißt, nach Ablauf einer erfolgreichen Finanzierung muss der Unternehmer den Wertzuwachs seines Unternehmens teilweise abfinden. Entweder in Anteilen (das wollen die Wenigsten) oder umgerechnet in Geld. Bezugsgröße ist hier eine Bewertung seines Unternehmens. Dies ist bisweilen sehr aufwendig, kostenintensiv und konfliktträchtig.

Eine deutlich bessere Methode, das Risiko auszugleichen, bietet das partiarisches Darlehen. Je besser ein Unternehmen und sein zu finanzierendes Wachstumsprojekt prüf- und analysierbar sind, desto feiner lassen sich die Ausgleiche auf Erfolgsbasis definieren. Bezugsgrößen sind hier: EBIT, Rohgewinn, Rohertrag oder Umsatz. Viele Teilsummen der GuV eigenen sich hierfür.

Bei Wachstumsprojekten sind auf die Einnahmen bezogene Teilgrößen im Interesse des Investors zu bevorzugen, gestatten sie doch nur eine relativ geringe Beeinflussung durch unternehmerische Wahl- und Gestaltungsrechte und stehen recht schnell nach Abschluss des Geschäftsjahres zur Verfügung.

Meistens wird auch der Gesamtumsatz des Unternehmens als Bemessungsgrundlage für die variable Vergütung verwendet. So lässt sich der klassischen Hockey-Stick in den Erfolgskurven von Investitionsvorhaben vermeiden. Der Investor erhält eine von Anfang an relativ gleichbleibende oder leicht steigende variable Vergütung zum Risikoausgleich. Ein Festzinsanteil ist von Anfang an möglich. Dieser dient dazu, den Nutzenausgleich zu bezahlen.

Daraus resümiert: Das partiarische Darlehen berücksichtigt die Interessen beider Parteien durch einen getrennten Nutzen- und Risiko-Ausgleich in Form einer festen Verzinsung und einer variablen Vergütung. Zusätzlich verbessert es die Bilanzrelationen des Unternehmens beträchtlich und erhöht damit die Chancen auf den Ausbau der kurzfristigen Finanzmittel, z.B für Working Capital. Im Risikoprofil des Investors unterscheidet sich das partiarische Darlehen nur gering von vergleichbaren Anlagemöglichkeiten wie z.B. der Mittelstandsanleihe, bietet dabei aber transparente und interessantere Renditemöglichkeiten.

Partiarisches Darlehen richtig eingesetzt

Der deutsche Kapitalmarkt wird sich verändern. Privates Geld stellt sich zunehmend direkt neben klassische Formen der Mittelstandsfinanzierung. Vorgemacht hat es in den vergangenen Jahren die Mittelstandsanleihe. Leider wurde sie allzu oft für Umschuldungen verwendet.

Nicht so das partiarische Darlehen. Es ist nur für klar beschriebene unternehmerische Wachstumsprojekte vorgesehen. Der Unternehmer muss im Detail erklären können, wie er die vergleichsweise hohen Kosten eines partiarischen Darlehens erwirtschaften kann. Weiterhin muss er sich seinen Kapitalgebern gegenüber so auskunftsfreudig zeigen als wären sie Gesellschafter.

Das bedeutet: Stellt man dem Investor die Informationen zur Verfügung, mit denen ein Prospekt i.S.d. Gesetzes erstellt werden kann, hat das partiarische Darlehen eine ähnliche Qualität wie die Mittelstandsanleihe. Die wesentlichen Unterschiede sind: es lässt sich aufgrund viel geringerer Gestaltungskosten bei deutlich kleineren Volumina einsetzen, es sollte nur für Wachstums- bzw. Investitionsprojekte verwendet werden und es kann nur mit Zustimmung des Unternehmens abgetreten werden.

Neue Flexibilität mit partiarischem Darlehen

Das fast vergessene partiarische Darlehen ist also nicht zuletzt durch seine flexiblen Möglichkeiten in Sachen Strukturierung und Modellkonstruktion heute ein intelligentes und brandaktuelles Finanzierungsinstrument. Mit Tilgungsperioden und tilgungsfreien Perioden, in denen der Unternehmer im Rahmen seiner Cashflows tilgen kann, ist die Anpassung des Darlehens sowohl an die Interessen des Investors (tilgungsfreie Jahre mit Renditesicherheit sowie Rückzahlungsjahre mit hohen Investitionsrücklauf) als auch an die Unternehmerinteressen („ruhiges“ Kapital mit anfänglich bloß Zinsen sowie variabler Vergütung und spätere Anpassung der Rückzahlungen an die finanzielle Lage) möglich.

Der Unternehmer muss allerdings die Freiheit, die er bei der Rückzahlung hat, „bezahlen“. Bei Eintritt der erwarteten Umsatzzuwächse, steigen im Laufe der Jahre die Lasten der variablen Vergütung. Es ist eine jährliche Abwägung zu treffen: Tilge ich einen Teil oder zahle ich die teurer werdende Erfolgsvergütung?

Wichtig zu wissen: Das partiarische Darlehen ist (noch) nicht Bafin-reguliert. Es wird geschützt durch das KWG 1 und unterliegt keinen Publikationspflichten nach dem Prospektgesetz bzw. den Ordnungsregeln nach WPHG.

Fazit

Fachkundig strukturiert, definiert das partiarische Darlehen einen klaren und direkten Weg zur Verwendung von privatem Kapital in der deutschen Mittelstandsfinanzierung. So kann ein scheinbar angestaubtes Finanzinstrument, das einst Kolumbus zur Entdeckung der neuen Welt diente, eine neue und interessante Möglichkeit darstellen, das notwendige Wachstum im unteren deutschen Mittelstand langfristig und bankenunabhängig zu finanzieren.

Jürgen Leschke, P2C Private to Corporate AG

Foto: MunicipioPinas/flickr

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