Deutscher Mittelstand: Starke Momentaufnahme – doch dann?
Beitrag von Holger Clemens Hinz, Quirin Privatbank. Der vielzitierte Motor der deutschen Wirtschaft brummt. Oder mit anderen Worten: Die aktuelle Lage im deutschen Mittelstand ist „ebenso hervorragend wie die gesamtwirtschaftliche Situation und die öffentliche Finanzlage in Deutschland.“
So lautet das Fazit der jüngsten Studie des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), die den Titel „Diagnose: Mittelstand 2018“ trägt und die unter anderem darstellt, wie die Sparkassen die Situation ihrer Kundenunternehmen einschätzen. Aus keiner einzigen Region Deutschlands wurde den Machern der Studie eine Verschlechterung gegenüber dem Vorjahr gemeldet – das hatte es in der Geschichte dieser Erhebung noch nicht gegeben.
Bemerkenswerte Zahlen für den Mittelstand
Gerade im Detail sind die Daten, die der DSGV dazu liefert und die unter anderem auf der aus jährlich 300.000 Abschlüssen bestehenden Bilanzdatensammlung der Sparkassen-Finanzgruppe basiert, beeindruckend. Mehr als die Hälfte der Befragten (52,5 Prozent) kommt zu dem Urteil, dass sich die Lage zwischen Sommer 2016 und Sommer 2017„verbessert“ hat, der Rest schätzt die Situation „unverändert“ ein. Zudem ist bemerkenswert, dass die große Mehrheit auch für das laufende Jahr erwartet, dass die Lage im Mittelstand mindestens unverändert gut bleibt (83 Prozent) oder sich sogar noch weiter verbessert (gut 14 Prozent). Ein Bereich, in dem sich der Mittelstand ebenfalls äußerst robust präsentiert, ist das Thema Eigenkapitalausstattung: Die Eigenkapitalquote stieg von 24,2 Prozent aus dem Jahr 2015 auf 28,3 Prozent im Jahr 2016.
Was ist mit morgen?
Keine Frage, diese Entwicklung ist für den Mittelstand erfreulich. Bei aller Freude über die Ist-Situation sollte aber eine kritische Betrachtung von Themen nicht zu kurz kommen, bei denen sich noch Optimierungspotenzial ergibt. Das versucht zwar auch die Studie anzureißen. So sehen 80 Prozent der darin befragten Unternehmen realistischer Weise den Fachkräftemangel als drängendstes Problem an. Doch das Thema Finanzierung hat kaum einer als Herausforderung für die Zukunft oben auf der Agenda; nur in zwei Bundesländern werden bei der Frage nach den Hemmnissen, die einer stärkeren Investitionsbereitschaft entgegenstehen, Finanzierungshürden genannt. Das erweckt den Verdacht, dass hier ein Problem massiv unterschätzt wird.
Mittelstand: Kein Mangel an Optionen
Es besteht schließlich kein Zweifel: Wer auch auf lange Sicht als KMU erfolgreich sein möchte, sollte bedenken, dass die Zinsen nicht ewig auf niedrigem Niveau verharren bleiben. Zudem werden die Banken auch aufgrund von Basel III künftig zu einer restriktiveren Kreditvergabe neigen. Wohl dem, der schon jetzt seine Finanzierung auf mehrere Schultern verteilt – er ist in der Zukunft klar im Vorteil.
Nun geht aus der Studie des DSGV nicht hervor, wie gut die Unternehmen grundsätzlich über die Optionen informiert sind, die sie in Sachen Mittelstandsfinanzierung haben – man möchte aber darauf wetten, dass bei weitem nicht alle wissen, dass ihnen unter anderem mit Schuldscheindarlehen, Mittelstandsanleihen, Debt-Fonds und Börsengänge gleich eine ganze Palette an interessanten Alternativen zur Verfügung steht.
Holger Clemens Hinz,
Leiter Corporate Finance bei der Quirin Privatbank
Hinweis: Hier finden Sie den Kapitalmarkt-Blog der Quirin-Bank.
Foto: pixabay.com
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