Schuldscheindarlehen, Anleihe und Wandelanleihe bei der Unternehmensfinanzierung – eine Gegenüberstellung

Dienstag, 18. April 2017

Beitrag von Ingo Wegerich, Rechtsanwalt und Partner, und René Krümpelmann, LL.M. (Sydney), Rechtsanwalt, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Unternehmen stehen unterschiedliche Finanzierungsinstrumente zur Verfügung. Insbesondere bei der Fremdkapitalfinanzierung muss ein Unternehmen entscheiden, welche Finanzierungsform für seine Bedürfnisse die meisten Vorteile bietet. Als hauptsächliche Finanzierungsinstrumente kommen dabei die reine Bankfinanzierung, die Begebung von Unternehmensanleihen oder die Ausgabe von Schuldscheindarlehen in Betracht. Handelt es sich bei dem Unternehmen um eine Aktiengesellschaft kann zudem die Begebung einer Wandelanleihe als Finanzierungsinstrument mit Fremd- und Eigenkapitalcharakter in Betracht kommen. Die Unterschiede inklusive der Vor- und Nachteile bei einer Ausgabe von Schuldscheindarlehen bzw. einer Begebung einer Unternehmensanleihe oder einer Wandelanleihe sollen in der folgenden Gegenüberstellung erläutert werden:

  Schuldscheindarlehen Anleihe Wandelanleihe
Rechtliche Grundlage: – Darlehen im Sinne von §§ 488 ff. BGB

– Übertragung der Schuldscheine erfolgt durch Abtretung (sog. Zession)

– Schuldverschreibungen im Sinne von §§ 793 ff. BGB

– fungibles Wertpapier, i.d.R. börsennotiert bzw. im Freiverkehr

– Schuldverschreibungen im Sinne von §§ 793 ff. BGB

– gem. § 221 (1) AktG in Verbindung mit §§ 192, 193 AktG nur aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses möglich, der mindestens ¾ Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfassen muss

– mit einem Wandlungsrecht versehen (selten: Wandelpflicht): Der Inhaber einer Wandelanleihe kann (muss) das Wertpapier gemäß den Anleihebedingungen in Aktien des Unternehmens umtauschen, das die Anleihe ausgegeben hat. Der Umtausch muss innerhalb einer bestimmten Frist (Wandelfrist) zu einem vorher bestimmten Preis (Wandelpreis) erfolgen

Prospektpflicht: – keine
– Dokumentation der Finanzierung jedoch erforderlich– Dokumentation umfasst dabei u.a. die wichtigsten Vertragsbestandteile (Gesamtbetrag, Zinssatz, Kupon­tage, Abtretungsbestimmungen usw.)

– als Anhänge häufig auch Musterabtretungs- und Zahlstellen­vereinbarungen

– ja,

bei öffentlichen Angeboten besteht Prospektpflicht

– auch die AGBs beispielsweise der Deutsche Börse AG für die Einbeziehung von Anleihen in das KMU-Segment Scale verlangen einen gebilligten Wertpapierprospekt
– Inhalt des Prospekts ist in der EU-Prospekt-Verordnung detailliert geregelt

– ja,

bei öffentlichen Angeboten besteht Prospektpflicht

– auch die AGBs beispielsweise der Deutsche Börse AG für die Einbeziehung von Anleihen in das KMU-Segment Scale verlangen einen gebilligten Wertpapierprospekt
– Inhalt des Prospekts ist in der EU-Prospekt-Verordnung detailliert geregelt

Emissionsvolumen: EUR 5 Mio. (auch geringere Volumina möglich) bis EUR 250 Mio. (im Einzelfall auch wesentlich höhere Beträge möglich; z.B. ZF Friedrichshafen mit EUR 2,2 Mrd. im Jahr 2015) Üblicherweise EUR 10 Mio. bis EUR 150 Mio., zumindest als Zielvolumen Ab EUR 5 Mio., üblicherweise EUR 10 Mio. bis EUR 150 Mio.
Stückelung: – groß
– EUR 50.000, oft EUR 100.000 oder EUR 500.000
– i.d.R. EUR 1.000 – i.d.R. EUR 1.000, auch deutlich höhere Stückelungen möglich
Laufzeit: – kann in Tranchen mit unterschiedlichen Laufzeiten begeben werden
– in der Regel Laufzeiten von 3, 5, 7 und 10 Jahren, aber auch bis zu 30 Jahre möglich
– feste Laufzeit
– bei Mittelstandsanleihen überwiegend 5 Jahre, Ausnahmefälle reichen von 3 bis 7 Jahren
– feste Laufzeit

– häufig 5 Jahre, aber auch kürzere (ab 2,5 Jahre) und längere Laufzeiten möglich

Verzinsung: – variabel (z.B. basierend auf dem Euribor zzgl. Marge) oder per Festzins
– teilweise auch beide Zinsarten
– Zinskupon ca. 0,25 bis 0,50 Prozentpunkte über dem Zinssatz einer Anleihe (basierend auf der fehlenden Liquidität)
– in der Regel per Festzins

– aber auch variable Verzinsung möglich
– hängt von Bonität und Rating ab und liegt bei Anleihen mittelständischer Unternehmen im Durchschnitt bei ca. 6,75%
– Kupons bei Wiederholungs­emittenten zuletzt mit deutlich fallender Tendenz

– in der Regel per Festzins

– hängt von Bonität und Rating ab

– Kupon liegt in der Regel unter denen einer vergleichbaren Anleihe (als Ausgleich für den Vorteil des Wandlungsrechts)

Besicherung: möglich verstärkte Marktpraxis möglich
Covenants: – nicht unüblich, insbesondere Negativverpflichtung (Negative Pledge) und vereinzelte Financial Covenants
– denkbar alle Covenants, die auch bei Anleihen vorkommen
– üblich, insbesondere Negativverpflichtung, Gleichrangklausel (Pari Passu) und Drittverzugsklausel (Cross Default)

– ggf. zusätzliche Covenants zur Wertsicherung der Gläubigeransprüche, als Krisenindikatoren und in Bezug auf Existenz, Betrieb und Eigentümerstruktur

– nicht unüblich, möglich sind insbesondere Negativverpflichtung (Negative Pledge), Gleichrangklausel (Pari Passu) und Drittverzugsklausel (Cross Default)

– ggf. zusätzliche Covenants zur Wertsicherung der Gläubigeransprüche, als Krisenindikatoren und in Bezug auf Existenz, Betrieb und Eigentümerstruktur

Rating: in der Regel nicht erforderlich – in der Regel für ein Börsenlisting erforderlich

– weniger üblich im allgemeinen Freiverkehr
– nicht erforderlich bei aktiennotierten Unternehmen

– in der Regel für ein Börsenlisting erforderlich

– weniger üblich im allgemeinen Freiverkehr
– nicht erforderlich bei aktiennotierten Unternehmen

Zeitlicher Rahmen: Analyse, Strukturierung und Platzierung ca. 10 bis 13 Wochen Vorbereitung, Dokumentenerstellung und Platzierung ca. 4 bis 6 Monate Vorbereitung, Dokumentenerstellung und Platzierung ca. 4 bis 6 Monate
Transaktions­kosten: ca. 2-3% des Volumens ca. 4-5% des Volumens ca. 4-5% des Volumens
Investoren: Banken, Sparkassen und sonstige institutionelle Investoren Institutionelle Investoren (Banken, Versicherungen, Investmentfonds) und Privatinvestoren Institutionelle Investoren (Investmentfonds, Banken) und Privatinvestoren
Vorteile: – keine formalen Offenlegungspflichten

– hohe Flexibilität

– Tranchen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Zinssätzen möglich

– einfache Dokumentation und niedrige Emissionskosten

– Bekanntheitsgrad des Unternehmens wird erhöht

– Fungibilität der Anleihe

– breit gestreuter Investorenkreis (auch Privatinvestoren)

– Mehrheitsbeschlüsse nach dem SchVG in Krisensituationen des Unternehmens möglich, sofern in den Anleihebedingungen vorgesehen

– Fungibilität der Anleihe

– breit gestreuter Investorenkreis (auch Privatinvestoren)

– Anleihen-Vorteil des festen Zinses verbindet sich mit dem Aktien-Vorteil der Sachwertanlage (aus Anlegersicht)

– Möglichkeit einen Schuldtitel später in einen Beteiligungstitel umzuwandeln – Chance insbesondere bei steigenden Aktienkursen (aus Anlegersicht)

– aus dem befristet verfügbaren Fremdkapital wird bei Umwandlung unbefristet verfügbares Eigenkapital

– geringere Finanzierungskosten durch geringeren Zinssatz

– Mehrheitsbeschlüsse nach dem SchVG in Krisensituationen des Unternehmens möglich, sofern in den Anleihebedingungen vorgesehen

Nachteile: – kein fungibles Wertpapier

– in Krisensituationen deutlich schwieriger tragfähige Lösungen für das Unternehmen zu finden, da mit jedem Investor einzeln verhandelt werden müsste

– höhere Finanzierungskosten

– in der Regel keine vorzeitige Tilgung bzw. Kündigung möglich

– hohes Bonitätserfordernis

– Konditionen sind Verhandlungssache

– Mark-to-market Bilanzierung

– Investor Relations, intensive Kapitalmarktkommunikation

– Erhöhte Publizitätspflichten (Ad hoc-Publizität, Directors‘ Dealings, Führen von Insiderlisten)

– höhere Dokumentationspflicht (wg. Prospektpflicht und Börsen­bestimmungen (z.B. Erstellung von Unternehmenskennzahlen)) und erhöhte Emissionskosten (u.a. für Erstellung / Billigung des Prospekts, Listing, Rating und Transaktion im Allgemeinen)

– Bilanzierung der Wandelanleihe ist komplexer (im Rahmen der Bilanzierung der Wandelanleihe sind beide Komponenten zu erfassen (Fremdkapitalcharakter und Option auf Eigenkapital)

– Investor Relations, intensive Kapitalmarktkommunikation

– Erhöhte Publizitätspflichten (Ad hoc-Publizität, Directors‘ Dealings, Führen von Insiderlisten)

– höhere Dokumentationspflicht (wg. Prospektpflicht und Börsenbestimmungen (z.B. Erstellung von Unternehmenskennzahlen)) und erhöhte Emissionskosten (u.a. für Erstellung / Billigung des Prospekts, Listing, Rating und Transaktion im Allgemeinen)

– bei Wandlung bei einem hohen Aktienkurs werden die Aktien unter ihrem aktuellen Preis ausgegeben und die Altaktionäre werden durch die Ausgabe der neuen Aktien verwässert

– vor Auflage der Wandelanleihe sind entsprechende Mehrheiten und Beschlüsse der Hauptversammlung erforderlich, s. o.

 

Fazit: Wie dargestellt bieten alle drei Finanzinstrumente sowohl Vor- als auch Nachteile. Sowohl ein potenzieller Emittent als auch ein potenzieller Investor sollte sich über das jeweilige Finanzierungsinstrument genau informieren. Insbesondere der Emittent sollte genau einschätzen, welches der Finanzinstrumente für seine (wirtschaftliche) Situation das Richtige ist. Die Wandelanleihe stellt dabei eine weitere Option der Finanzierung dar, die es im Fall von Aktiengesellschaften zu beachten gilt.

Beitrag von Ingo Wegerich und René Krümpelmann

HINWEIS: Die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft bietet interessierten Unternehmen einen kostenlosen Workshop bei dem Unternehmen vor Ort zu dem Thema „Finanzierung über den Kapitalmarkt“ an. Zu dem Workshop können Sie sich anmelden unter ingo.wegerich@luther-lawfirm.com anmelden.

Foto: pixabay.com

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