Scale: Hausaufgaben im Research-Bereich notwendig

Donnerstag, 21. September 2017

Stellungnahme der DVFA Kommission Unternehmensanalyse zum KMU-Segment Scale der Deutschen Börse

Die Deutsche Börse hat mit Scale am 1.3.2017 ein neues Segment für kleine und mittelständische Emittenten geschaffen. Auch die DVFA – Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management – fordert seit längerem, ebenso wie der DIRK – Deutscher Investor Relations Verband -, geeigneten kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) den Zugang zu Eigenkapital zu erleichtern. Für den deutschen Finanzmarkt ist das neue Segment wichtig, denn der Wettbewerb um Neu-Listings nimmt international immer weiter zu.

Für uns als Fachkommission im Berufsverband der Investment Professionals verfestigt sich der Eindruck, dass die Börse das neue KMU-Segment angesichts der Erfahrungen mit dem Neuen Markt, dem Segment für Mittelstandsanleihen und dem Entry Standard mit hohen Eintrittsbarrieren gesichert hat, was zu begrüßen ist.

Um in das Marktsegment Scale einbezogen werden zu können, müssen die Unternehmen eine Vielzahl von Voraussetzungen erfüllen. Wie bei vielen Kriterien und den damit verbundenen Hurdle Rates lässt sich auch bei Scale breit darüber diskutieren, inwiefern bei einzelnen Punkten eine richtige Trennung gezogen wurde oder nicht. Positiv sehen wir auch als Verband, dass ein von der Börse beauftragter Research-Provider Research Reports für die im Scale notierten Unternehmen veröffentlichen muss und ein weiterer Anbieter Kennzahlen berechnet. Damit hat die Deutsche Börse unseres Erachtens eine weitere wichtige Qualitätskontrolle geschaffen. Die qualitativen Reports von Edison Investment Research und die quantitativen Analysen von Morningstar sollen fortlaufende Transparenz und Visibilität schaffen.

Aber genau hier setzt eine elementarer Kritikpunkt der Investment Professionals an. Ein halbes Jahr nach der Einführung von Scale stellen wir fest, dass die veröffentlichten Reports in vielen Punkten weder den Deutschen Grundsätzen für Finanzresearch (DGFR) noch mit den Grundsätzen der DVFA Professionsordnung übereinstimmen, die wir uns als Verband der Investment Professionals gegeben haben. Wesentliche Teile eines Research-Reports, so wie in den DGFR beschrieben, sind in den Research-Publikationen zu den Scale-Emittenten nicht enthalten.

Die Research-Reports sind aus Sicht einiger Nutzer brauchbar, aber offensichtlich werden sie aufgrund des doch sehr kompakten Formats kaum von qualifizierten Anlegern genutzt – und das ist bedauerlich. Zudem zeigt uns ein Stimmungsbild der Emittenten, dass auch zahlreiche im Scale notierte Unternehmen mit dem Verfahren nicht zufrieden sind, weil wesentliche Teile ihrer potentiellen und Ist-Investoren Kernelemente eines qualifizierten Analystenreports nicht erkennen können: Hier geht es vor allem um die kritische Auseinandersetzung des Analysten mit dem Geschäftsmodell, die Formulierung von Erwartungshaltungen sowohl mit Blick auf die strategische Perspektive als auch um finanzielle Kennzahlen. Und nicht zuletzt erwarten Investoren zurecht auch eine Unternehmensbewertung aus Sicht des Analysten und damit verbunden eine Aussage über ein Kursziel. Deshalb stufen auch zahlreiche Investment Professionals die Scale-Reports nicht als Research, sondern als werbliche Mitteilung ein. Viele Emittenten bleiben unsicher, ob diese potenzielle Investoren überzeugen können, womit das gut sinnvolle Ziel verfehlt wäre.

Da Qualität und Quantität nicht notwendigerweise in Einklang stehen müssen, ist es naheliegend, dass die beauftragten Researchhäuser aus ihrer Mandatierung ein lukratives Geschäftsmodell machen. Ein einseitiges Standardprodukt ohne Finanzprognose oder nachvollziehbare Unternehmensbewertung mag vielleicht die Vorgaben der Deutsche Börse erfüllen, hat jedoch die Bezeichnung Research nach den DGFR nicht verdient. Auch sehen wir die Anforderungen der Finanzanalyseverordnung (FinAv) unzureichend erfüllt.

Eine Verbesserungsmöglichkeit als Verband sehen wir darin, den Pool der durch die Börse beauftragten Research-Häuser nicht auf zwei zu beschränken. Emittenten könnten dann unter mehreren unabhängigen Anbietern die Analysehäuser auswählen. Eine Research-Plattform, auf der sich mehrere und qualifizierte Researchanbieter akkreditieren können und die den Qualitätsanforderungen Rechnung trägt, ist aus Sicht der DVFA ein geeigneter Weg, den es zu gehen lohnt. Wichtig ist für uns als Verband aber auch die Tatsache, dass das Research-Konzept weiterentwickelt werden muss, denn aktives Marketing sollte unseres Erachtens eine ebenso zwingende Voraussetzung für die Akkreditierung sein.

Insgesamt ist es unseres Erachtens auch bedauerlich, dass die Deutsche Börse durch das auferlegte „Zwangsresearch“ all jene Analysehäuser benachteiligt, die bereits heute für kleinere Nebenwerte hochmotiviert und analytisch sauber tätig sind. Ärgerlich wird die Maßnahme, weil die Deutsche Börse in ihrem Zwangsresearch ein wichtiges Detail übersieht: Dass ein Emittent gecovert wird, ist nur die hinreichende Bedingung dafür, dass sich Investoren mit dieser Aktie beschäftigen. Die notwendige Bedingung ist, dass diese das Research auch lesen. Hierzu bedarf es eines leistungsfähigen institutionellen Sales Teams, das die Research-Ideen bei den typischen Small Caps-Investoren – also Vermögensverwaltern, dezidierten Fonds, Family Offices oder auch vermögenden Privatkunden – vermarktet. Die Motivation, Aktien bei Kunden zu vermarkten, ist bekanntlich positiv mit der Marktkapitalisierung eines Unternehmens korreliert. Für ein rein kommissionsentlohntes Sales Team macht eine Vermarktung von Small Caps-Ideen bei Investoren auch unter dem neuen Regime keinen Sinn.

DVFA Kommission Unternehmensanalyse
Leitung Christoph Schlienkamp,
Vorstandsmitglied DVFA e.V., Bankhaus Lampe AG

Foto: pixabay.com

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