Sanochemia-Chef: „Auch nach der Anleihe werden wir eine Eigenkapitalquote von über 60 % haben“

Mittwoch, 25. Juli 2012

Dr. Werner Frantsits, CEO und CFO der Sanochemia Pharmazeutika AG, im großen Interview.

Die Anleihen Finder Redaktion sprach mit Dr. Werner Frantsits (Foto), dem Vorstandsvorsitzenden und CFO der Sanochemia Pharmazeutika AG in Wien, über das Unternehmen und die Hintergründe der Emission.

Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Dr. Frantsits, die Pharmaindustrie ist vielen Anlegern zwar über Markennamen wie Bayer, Ratiopharm und vielleicht noch Boehringer Ingelheim bekannt, nur wenige aber verstehen, wie der Markt funktioniert. Können Sie uns ein wenig über Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren der Branche, staatliche Regulierung, geistiges Eigentum und Generika aufklären?

Dr. Werner Frantsits: Pharmamarkt im Umbruch – Zeit der Blockbuster vorbei – Markt individualisiert sich: Ein gutes Beispiel für die Schlagzeilen aus der Branche ist die personalisierte Medizin. Zugleich macht es  deutlich, wie viele Stakeholder und damit natürlich auch deren Interessen zu berücksichtigen sind: Kassen, Verbände, Patientengruppen, Ärzte, Großhändler und natürlich die Pharmaindustrie

In der Branche erfolgreiche Firmen sind hochinnovativ – das zeigt sich Beispielsweise an den neuen Krebstherapien von Roche. Oder sie befriedigen spezifische Kundenbedürfnisse durch Service und Flexibilität. Zudem sind natürlich Marktführerschaft und Masse immer ein Thema. Doch interessanter Weise kommen immer mehr Innovationen von kleinen Firmen wie Sanochemia, die dann von den großen einlizensiert werden.

Die Staatliche Regulierung hat in den vergangenen zehn Jahren exponentiell zugenommen, sowohl was Preise als auch Produktsicherheit und Prozesse angeht. Das erzeugt Kosten, ist aber gleichzeitig Schutz vor unregulierten Giftküchen aus Asien.

Misserfolg werden meines Erachtens Firmen haben, die sich auf die Bedürfnisse oben genannter Stakeholder nicht einstellen können oder gar nichts Innovatives vorweisen können.

Anleihen Finder: Wie bewegt sich nun ein mittelständisches Unternehmen wie die Sanochemia in diesen Marktzusammenhängen? Was ist Ihre Marktnische, Ihr Geschäftsmodell und wo sehen Sie die Wettbewerbsvorteile Ihres Unternehmens?

Dr. Werner Frantsits: Die Marktnische ist im Moment der Radiologiemarkt, weiter die bildgebende Diagnostik, spezielle Veterinärmedizin und etwas weiter gefasst Spezialprodukte im Bereich sterile Injektabilia – Salben, Cremen. Daher auch Specialty Pharma. Da wir die ganze Wertschöpfungskette prinzipiell im Hause haben, ergeben sich diverse Möglichkeiten an der Wettbewerbsfähigkeit zu drehen. Da die Kundenwünsche individueller werden hat die Sanochemia als kleines Unternehmen Flexibilitätsvorteile und reagiert schneller.

Wir beobachten zudem die Tendenz, dass Big Pharma immer mehr Produkte in Lohn herstellen lässt. Auch auf diesem Terrain haben wir bereits Erfahrung und Expertise, so dass sich daraus in Zukunft weitere Umsatzperspektiven ergeben.

Anleihen Finder: In einer Pressemitteilung sprechen Sie von einer Wachstumsstrategie in den „Pharmerging Markets“, also den Entwicklungs- und Schwellenmärkten dieser Welt. Wie sieht diese Strategie aus und welche Rolle spielen die mit der Anleihe eingeworbenen Mittel hierbei?

Dr. Werner Frantsits: Sanochemia fokussiert sich hier auf Märkte, zu denen schon Zugang besteht, das Wachstum im Pharmabereich groß ist und die Verhältnisse relativ stabil sind, z. B. Russland, Korea, Türkei, Saudi Arabien oder Indonesien. Traditionell stark sind wir in Ägypten. Dort und in anderen MENA-Ländern (Middle East & North Africa) geht es aber teilweise noch turbulent zu. Wir sind jedoch auch jetzt als verlässlicher Partner vor Ort und halten eine Art Mindestpräsenz aufrecht. In Kürze wird sich die Situation im Land beruhigen und wir werden dann unmittelbar an alte Geschäftserfolge anknüpfen können. Sich dann ergebende Expansionsmöglichkeiten werden wir nutzen und diese natürlich auch aus dem Anleiheerlös finanzieren.

Anleihen Finder: Es ist leicht nachvollziehbar, dass das Wachstumsmoment in den Schwellenmärkten deutlich höher ist, als in der entwickelten Welt. Aber müssten das nicht auch die multinationalen Wettbewerber erkannt haben und massiv in diesen Ländern vertreten sein?

Dr. Werner Frantsits: Sicher – nur sind diese sehr oft mit lokalen Niederlassungen vertreten. Sanochemia ist durch langjährige, erfahrene Distributoren vor Ort vertreten, die auch in ihrem Land enger eingebunden sind. Das verschafft uns meist Vorteile.

Anleihen Finder: Die zukünftig geplanten Wachstumsmärkte der Sanochemia dürften hinsichtlich staatlicher Regulierung sowie des Schutzes geistigen Eigentums und sonstiger Rechtsunsicherheiten, der Überwindung bürokratischer Hürden, Zulassungsverfahren für Medikamenten etc. eine große Herausforderung für Sie bedeuten. Haben Sie hier schon alle Vorbereitungen getroffen oder stehen Sie hier noch vor Unwägbarkeiten?

„Wir können’s“

Dr. Werner Frantsits: Seit dem Börsengang 1999 hat Sanochemia Strukturen geschaffen, die eine hochwertige Produktion, Entwicklung und Zulassung solcher Produkte gewährleistet. Wir haben laufend Überprüfungen auch von diversen nationalen Behörden – etwa aus Korea – bestanden und Zulassungen für Scanlux von Mexico bis hin zu den Philippinen erhalten. Das zeigt: Wir können`s.

Anleihen Finder: Der Absatz von Pharmaprodukten ist stark abhängig von den Finanzen der öffentlichen Haushalte, der Krankenkassen und anderer Institutionen des Gesundheitswesens. Nun dürfen wir Ihre Kernmärkte – Österreich, Deutschland Schweiz – diesbezüglich als noch vergleichsweise stabil bezeichnen. Wie aber sieht das für Ihre Zukunftsmärkte aus?

Dr. Werner Frantsits: Unsere Zukunftsmärkte stehen finanziell stabiler da als so manches EU-Land. Sicher machen auch uns die Zahlungsrückstände in Ländern mit turbulenten politischen Zuständen zu schaffen. Doch auf Dauer wird die Gesundheit ein Gut sein, für das immer gezahlt wird. Es gibt dort eine immer größer werdende aufstrebende Mittelschicht, die sich auch entsprechende Mittel erwirtschaftet. Im Moment hat in manchen Ländern nur eine kleine Oberschicht Zugang zu unseren Gesundheitsleistungen.

Anleihen Finder: Kommen wir nun zur aktuellen Sanochemia-Anleihe über EUR 15 Mio. mit einer Laufzeit von fünf Jahren und 7,75 % Zinsen p. a. Über die Verwendung hinsichtlich der Wachstums-Strategie hatten wir bereits gesprochen, aber Sie planen auch die Ablösung kurzfristiger Kredite mit dem Anleihekapital. In welchem Umfang werden bestehende Gläubiger zurückgeführt und wie sieht Ihre weitere Finanzierungsstrategie aus?

Dr. Werner Frantsits: Da sich zeigt, dass Kreditfinanzierung immer schwieriger wird, wollen wir höherverzinste Geschäftskredite in Höhe von etwa 4 bis 5 Mio. € zurückführen. Damit verbleiben für das geplante Wachstum der nächsten Jahre neben dem erwirtschafteten Cash Flow ausreichend Finanzmittel für die weitere internationale Marktentwicklung.

Begebung einer zweiten Anleihe nicht in Planung

Anleihen Finder: Wie hoch sind derzeit die besicherten oder anderweitig gegenüber den Anleihegläubigern vorrangigen Verbindlichkeiten und planen Sie die Aufnahme weiterer besicherter oder vorrangiger Kredite?

Dr. Werner Frantsits: Die besicherten Verbindlichkeiten belaufen sich noch auf ca. 6 Mio. €. Von diesen wird jährlich circa 1 Mio. abgebaut. Es handelt sich dabei um Investitions- und ERP-Kredite.

Die Begebung einer weiteren Anleihe ist derzeit nicht in Planung. Erst in vier bis fünf Jahren werden wir entscheiden, ob wir eine weitere Anleihe auflegen oder eventuell eine Kapitalerhöhung durchführen.

Anleihen Finder: Vorerst sollen weder Anleihe noch Emittent einem Ratingprozess unterzogen werden – die meisten anderen im Frankfurter Entry Standard notierenden Emittenten und/oder Anleihen verfügen über ein Rating. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?

Dr. Werner Frantsits: Ein Rating von kleineren, unbekannten Agenturen hat wenig Gewicht und große wie Moodys sind einfach bei dieser Anleihegröße zu aufwendig und zu teuer. Zudem erfüllen wir auch durch unsere Börsennotierung ein hohes Maß an Publizität gegenüber unseren Anlegern.

Anleihen Finder: Noch vor wenigen Jahren – 2007 bis 2009 – hatten Sie mit negativen Bertriebsergebnissen (EBIT) von in der Spitze EUR 4,6 Mio. zu kämpfen. Nun ist das Bild ein anderes: Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2010/2011 lag das EBIT mit rund EUR 1,8 Mio. deutlich im Plus. Wie ist die Sanochemia seinerzeit in die Krise geraten und – viel wichtiger – wie haben Sie den Turnaround geschafft?

Dr. Werner Frantsits: Sanochemia hatte sich viel zu hohe Ausgaben bei Entwicklung und Akquisitionen zugemutet, die zudem noch nicht erfolgreich waren. Wir waren zu optimistisch, nachdem Verträge wie mit AVIGEN Sanochemia jährlich Millionensummen an Milestone und Down Payments bringen sollten. AVIGEN hat die Verträge nicht erfüllt und existiert heute nicht mehr. Doch die angefallenen Kosten mussten gezahlt werden. Deshalb haben wir uns wieder auf das Machbare zurückbewegt, sind dabei die letzten Baustellen zu bewältigen und entwickeln uns gut in jenen Märkten, die Zukunftswachstum versprechen.

Anleihen Finder: Wie sehen die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen aus? Was haben Sie sich an Umsatz und EBIT für das laufende, am 30.09.2012 endende Geschäftsjahr vorgenommen?

Dr. Werner Frantsits: Wir betrachten die Entwicklungen in unseren Märkten sehr genau. Aufträge, deren Bezahlung nicht schon im Vorhinein gesichert ist, führen wir nicht aus. Das heißt: Wir verzichten eher auf Umsatz als ein schwer kalkulierbares Risiko einzugehen. Für uns traditionell starke Märkte wie Ägypten oder Lybien etc. sind zurzeit nicht wirklich einzuschätzen. Daher ist es auch schwierig eine Prognose für die nächsten Monate abzugeben.

Anleihen Finder: Aus der Anleihe wird der Sanochemia bald bis zu ca. EUR 1,2 Mio. Zinsaufwand entstehen. Zusammen mit den Zinsen für andere Finanzierungen wäre da das EBIT des letzten Geschäftsjahres von EUR 1,8 Mio. schnell aufgebraucht gewesen. Was sind also Ihre Erwartungen für die Zukunft – wie entspannt werden Sie den Schuldendienst erbringen können und auch noch Ihre Aktionäre glücklich machen?

Dr. Werner Frantsits: Wir hatten im Vorjahr ein EBITDA von 5,2 Mio € – in diesem war auch ein Zinsaufwand von rund 800.000 € inbegriffen. Ähnliche Ergebnisse erwarten wir auch in den kommenden Jahren. Darüber hinaus haben wir allein seit 2010 über 10 Mio. € an Krediten an Banken rückgeführt und Zinsen bezahlt. Das zeigt – und zu diesem Zeitpunkt befanden wir uns sogar noch in der Restrukturierungsphase – dass Sanochemia gut aufgestellt ist. Zudem agieren wir hinsichtlich unseres Eigenkapitals konservativ. Auch nach der Begebung der Anleihe werden wir noch eine Eigenkapitalquote von über 60 % haben. Dass macht uns auch gegenüber potenziell schwierigeren Marktbedingungen unabhängiger.

Anleihen Finder: Vielen Dank für das sehr offene Gespräch.

Anleihen Finder Redaktion

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