Österreichische Anleihen: Schöne Aussichten beim Nachbarn

Freitag, 13. Juli 2012

Corporate Bond Boom in Österreich. Österreichische Mittelstandsanleihen drängen auf den deutschen Markt.

Immofinanz AG, Alpine, KTM Power Sports AG, PV Invest, Wienerberger, Wienwert, togethermedien.net… Die Liste der Anleihen, die in Österreich begeben werden, ist lang und die Geschwindigkeit, mit der neue Bonds an den Markt drängen, nimmt spürbar zu. Immer öfter bemühen sich Emittenten aus unserem Nachbarland auch um deutsche Anleger.
„Wir erleben derzeit an der Wiener Börse einen richtigen Corporate Bond Boom, die Emittenten stehen sozusagen Schlange“, vermeldet Beatrix Exinger von der Wiener Börse. Die starke Zunahme der Angebote und der Größennachteil des im Vergleich zu Deutschland kleinen österreichischen Marktes führen dazu, dass Emittenten ihre Werbe- und Marketingmaßnahmen zunehmend auch auf Deutschland ausdehnen. „Der Anteil nicht-österreichischer Investoren ist von Anleihe zu Anleihe verschieden. Bei der Alpine-Anleihe betrug das außerhalb Österreichs platzierte Emissionsvolumen beispielsweise rund 48 Prozent, davon entfiel sicher ein Großteil auf deutsche Investoren, da die Anleihe in Deutschland stark beworben wurde“, erläutert Exinger. Der Baukonzern Alpine ist sowohl in Wien als auch an der Börse München gelistet.

„Der deutsche Markt ist weiter entwickelt.“


Auch der Photovoltaik-Stromproduzent PV Invest aus Velden am Wörther See tritt mit seinen aktuellen Anleihen erstmals im deutschen Markt auf. „Wir haben uns für den deutschen Markt nicht nur, aber auch wegen seiner Größe entschieden. Daneben sehen wir das Thema ‚Erneuerbare Energien‘ dort weiter entwickelt als im österreichischen Markt“, erklärt Mag. Günter Grabner, Geschäftsführer der PV Invest GmbH. Dass es aber gerade in diesem Segment in Deutschland heftig kriselt, mussten auch die Österreicher erfahren: „Die Resonanz der deutschen Anleger ist bisher leider noch schwach, da es uns bis jetzt noch nicht ausreichend gelungen ist, zu kommunizieren, dass wir nicht mit den schwächelnden deutschen PV-Firmen zu vergleichen sind. Wir haben weder eine Produktion noch sind wir Projektentwickler. Die PV-Invest investiert ausschließlich in fertig entwickelte PV-Kraftwerke und ist daher nur ein biederer Stromproduzent.“ Sollte sich die Wahrnehmung der deutschen Anleger entsprechend wandeln, könnte sich Grabner auch eine Notierung an einem der Qualitätssegmente der hiesigen Börsen vorstellen: „Wir prüfen diese Möglichkeit bereits konkret“, so Grabner.

Österreichische Emittenten nehmen Deutsche Börsen ins Visier


Auch die Wienwert Finanz AG liebäugelt mit der Notierung an einer deutschen Börse. „Wir evaluieren einen solchen Schritt gerade gemeinsam mit unserem Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers“, verrät Wolfgang Sedelmayer, Vorstand des Wiener Immobilieninvestors. Wienwert hat deutschen Anlegern erstmals 2010 eine Anleihe zur Zeichnung angeboten, zahlreiche folgten. „Die Resonanz war, für ein in Deutschland kaum präsentes Unternehmen, sehr gut“, berichtet Sedelmayer. „Rund 10 bis 5 Prozent unserer Anleihezeichner kommen aus Deutschland.“
Mittelstand ist nicht gleich Mittelstand

  „Ab einem gewissen Volumen kommt man an dem deutschen Markt einfach nicht mehr vorbei“, erklärt auch Viktor Sigl, Vorstandsmitglied der KTM AG. Das Unternehmen aus dem österreichischen Mattighofen, das unter anderem rennsporttaugliche Offroad- und Street-Motorräder baut, konnte im April dieses Jahres eine Mittelstandsanleihe mit einem Volumen von EUR 85 Mio. platzieren. Den Anteil deutscher Anleger empfindet Sigl mit weniger als 10 Prozent eher gering. Dieses Ergebnis war jedoch nicht das Resultat von mangelndem deutschen Interesse, sondern vielmehr das der unerwartet hohen Nachfrage inländischer Banken. „Hier muss man die Relationen bedenken“, erläutert KTM-Vorstand Sigl. „Was für die Deutschen noch Mittelstand ist, ist in Österreich schon ein großer Konzern und wird entsprechend nachgefragt.“
Keine sprachlichen und bürokratischen Hürden


Für deutsche Investoren bietet das reichhaltige Angebot aus dem Nachbarland in jedem Fall eine Erweiterung des Bond-Angebots mit teilweise sehr interessanten Rendite-Risiko-Profilen. Gleichzeitig bestehen keine sprachlichen und kaum organisatorische Hürden bei einer Zeichnung über die Grenze hinweg. „Österreichische Corporate Bonds werden zum Großteil nach österreichischem Recht begeben, Unterschiede zum deutschen Recht sind für private Anleger nicht praxisrelevant. Betreffend Prospekt und laufender Transparenz gelten EUeinheitliche Standards“, bestätigt Beatrix Exinger von der Wiener Börse.
Unterschiedliche Vertriebskanäle


Gute Erfahrung mit dem länderübergreifenden Angebot von Anleihen machte auch Eduard Zehetner, Vorstandsvorsitzender der IMMOFINANZ Group, Wien. „Da Deutschland zu unseren acht Kernmärkten zählt und wir aktuell unsere Aktivitäten im deutschen Büro- und Wohnbereich intensivieren, haben wir beschlossen, unsere Anleihen auch den deutschen Anlegerinnen und Anlegern anzubieten“, berichtet Zehetner. „Der Prospekt der Anleihe wurde in Luxemburg zugelassen und nach Österreich und Deutschland notifiziert. Das war mit nur geringem Mehraufwand verbunden.“
Unterschiedlich seien die Vertriebssysteme für Anleihen in den drei Ländern. „Mit dem Vertrieb waren die Syndikatsbanken betraut, die wiederum ihre eigenen Vertriebskanäle in den jeweiligen Märkten nutzten“, so Zehetner. Nachdem der deutsche Markt für Mittelstandsanleihen nach der Flaute zu Beginn des Jahres nur langsam wieder an Fahrt aufnimmt, ist das reichhaltige Angebot von Neuemissionen aus der Alpenrepublik eine willkommene Alternative für deutsche Anleger. Ein Ende des Booms in Österreich zeichnet sich laut Beatix Exinger von der Wiener Börse jedenfalls noch nicht ab: „Wir erwarten vor dem Sommer noch drei weitere Emissionen, welche das sind, darf ich aber noch nicht sagen.“

Anleihen Finder Redaktion

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