Neues Prospektrecht – was kleine und mittlere Unternehmen (KMU) jetzt wissen müssen

Montag, 20. Februar 2017


Neues Prospektrecht vor der Tür! Das Europäische Parlament hat beschlossen, das Prospektrecht zu überarbeiten. Ziel soll dabei unter anderem sein, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einfacher am Kapitalmarkt partizipieren zu lassen. Auch das deutsche Wertpapierprospektgesetz könnte durch die neue Verordnung verändert bzw. in Teilen sogar verdrängt werden. Laut Medienberichten könnte die neue EU-Prospektverordnung noch im ersten Halbjahr dieses Jahres in Kraft treten. Einige wenige Regelungen sollen dann bereits unmittelbar gelten. Welche das sind und wie genau sich das Prospektrecht verändern wird, haben die Kapitalmarktexperten und Juristen Ingo Wegerich und Helmut Höfer der Börsen-Zeitung geschildert.

Hier finden Sie den Originalartikel aus der Börsen-Zeitung vom 11.02.2017:

„Neues Prospektrecht nimmt Form an“

Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen in der Finanzierung – Auch Daueremittenten und Folgeemissionen profitieren

Von Ingo Wegerich und Helmut Höfer

Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben sich auf neue Vorschriften zur Überarbeitung des Prospektrechts verständigt. Ausgangspunkt für das neue Prospektrecht war die Konsultation der EU-Kommission in 2015 zur Schaffung einer Kapitalmarktunion, das sogenannte Grünbuch. Ziel ist unter anderem, die Refinanzierung über den Kapitalmarkt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) deutlich zu vereinfachen. Die USA und Asien dienen hier als Vorbild.

Um eine einheitliche Anwendung der Prospektvorschriften in der Union zu gewährleisten, wurde als Rechtsakt nun eine Verordnung gewählt, die anders als eine Richtlinie unmittelbar in den Mitgliedsstaaten gilt. Das deutsche Wertpapierprospektgesetz wird dadurch insbesondere im Bereich des materiellen Prospektrechts weitgehend obsolet und durch die neue Verordnung verdrängt.

Es ist davon auszugehen, dass die Prospektverordnung noch im ersten Halbjahr dieses Jahres in Kraft treten wird. Einige wenige Regelungen gelten dann bereits unmittelbar. Einige neu vorgesehene Schwellenwerte als Ausnahmen von der Prospektpflicht sollen nach zwölf Monaten gelten, während das Gros der Regelungen erst 24 Monate nach Inkrafttreten Anwendung finden wird.

Großer Kreis

Die neue Prospektverordnung sieht insbesondere Erleichterungen und Kosteneinsparungen bei der Kapitalaufnahme von KMU vor – nach Einschätzung der Kommission würden jährlich 320 KMU-Prospekte hiervon profitieren. Unter die vorgesehenen Erleichterungen bei Folgeemissionen würden jährlich sogar 700 von 935 Dividendenprospekten (zum Beispiel Aktien) fallen. Aber auch Daueremittenten werden profitieren.

Zunächst sieht das neue Prospektrecht erweiterte und auch neue Ausnahmen von der Prospektpflicht vor. So ist die Prospektverordnung nicht anwendbar auf Wertpapierangebote mit einem Gesamtwert von weniger als 1 Mill. Euro (in zwölf Monaten) – bisher waren es in Deutschland lediglich 100.000 Euro.

Darüber hinaus wird den Mitgliedsstaaten nun auch erstmals für nationale öffentliche Angebote von Wertpapieren bis zu einem Gesamtgegenwert von 8 Mill. Euro (in zwölf Monaten) die Möglichkeit eröffnet, diese von der Prospektpflicht auszunehmen. Diese Ausnahme hat primär KMU im Blick, für die die Kosten und der Aufwand der Prospekterstellung im Vergleich zu der geringen Größe der Kapitalaufnahme unverhältnismäßig erscheinen.

HINWEIS: Die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft bietet interessierten Unternehmen einen kostenlosen Workshop bei dem Unternehmen vor Ort zu den geplanten Vereinfachungen und Änderungen des neuen Prospektrechts an.

Zu dem Workshop können Sie sich anmelden unter: Kapitalmarktunion@luther-lawfirm.com

Neues Format

Dem gleichen Ziel dient der sog. EU Growth Prospectus, der als neues Prospektformat für KMU EU-weit eingeführt wird. Der Anwendungsbereich dieses neuen Formats beschränkt sich jedoch nicht nur auf KMU. Der EU Growth Prospectus soll auch – unter bestimmten Voraussetzungen – von Unternehmen, die kein KMU sind, aber an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, genutzt werden können. Gleiches gilt – mit Einschränkungen – für Unternehmen, deren Kapitalaufnahme 20 Mill. Euro (in zwölf Monaten) nicht überschreitet.

Die Prospektverordnung sieht für den EU Growth Prospectus ein standardisiertes Format und eine einfache Sprache vor. Der Prospekt soll nur einen reduzierten Inhalt haben. Bei der Festlegung der Einzelheiten des neuen Formats soll unter anderem auch die Größe des Unternehmens den Kosten für die Prospekterstellung gegenübergestellt werden. Die genauen Details sollen in delegierten Rechtsakten der Kommission festgelegt werden. Eine Verlagerung der Rechtsetzung auf delegierte Akte findet sich an zahlreichen Stellen. Damit wird die eigentliche Ausgestaltung des neuen Prospektrechts zukünftig durch die Kommission festgelegt und dem nationalen Gesetzgeber entzogen. Folgeemissionen wie beispielsweise Aufstockungen werden erheblich erleichtert. Dies betrifft Folgeemissionen von Emittenten, deren Wertpapiere über einen Zeitraum von 18 Monaten bereits an einem regulierten Markt oder an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind und deren Wertpapiere im Volumen erhöht werden sollen (Aufstockung) oder deren Aktien über einen Zeitraum von 18 Monaten an einem regulierten Markt oder an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind und die nun Anleihen begeben. Für diese ist zukünftig ein vereinfachter Prospekt vorgesehen. Der vereinfachte Prospekt soll reduzierte Informationen enthalten. Die Finanzinformationen sollen sich nur noch auf die letzten zwölf Monate erstrecken. Auch hierzu wird es noch delegierte Rechtsakte geben.

Mit dem Universal-Registrierungsformular schafft die Prospektverordnung ein neues zusätzliches Format für die Emittentenangaben im Prospekt. Dieses Registrierungsformular muss nicht mehr jährlich von der Aufsicht gebilligt werden, sondern kann einfach hinterlegt werden. Es kann von allen Emittenten genutzt werden, deren Wertpapiere an einem regulierten Markt oder an einem MTF zugelassen sind – vorausgesetzt es wurde zuvor für zwei aufeinanderfolgende Jahre von der zuständigen Aufsicht gebilligt.

Gewichtete Risikofaktoren

Aktienemittenten, die für zwei aufeinanderfolgende Jahre vor der neuen Verordnung ein Registrierungsformular haben billigen lassen, sollen bereits sofort ein Universal-Registrierungsformular ohne Billigung hinterlegen können. Das Universal-Registrierungsformular soll fortlaufend aktualisiert werden können. Nur wenn das Universal-Registrierungsformular Teil eines Prospektes ist, soll ein Nachtrag zum Prospekt erforderlich sein.

Emittenten, die das Universal-Registrierungsformular hinterlegen und unter anderem bestätigen, dass sie über die letzten 18 Monate alle Offenlegungspflichten nach der Transparenzrichtlinie und der Marktmissbrauchsverordnung erfüllt haben, sollen den Status eines Daueremittenten erhalten. Für Daueremittenten verkürzt sich die Prospektprüfungsfrist auf fünf statt zehn Arbeitstage. Universal-Registrierungsformular und Daueremittentenstatus stellen erhebliche Erleichterungen dar.

Darüber hinaus sind eine Vielzahl von weiteren Neuerungen vorgesehen. Beispielsweise sollen die Risikofaktoren zukünftig gewichtet werden – auf Basis der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens und der zu erwartenden negativen Auswirkungen. Die Zusammenfassung selbst wird stark formalisiert und an Vertriebsdokumente angenähert. Muss der Emittent zukünftig ein Basisinformationsblatt (BIB) erstellen, können die Schlüsselinformationen in Bezug auf das Wertpapier in der Zusammenfassung durch das BIB ersetzt werden. Eine weitere Erleichterung reflektiert das beginnende Zeitalter der Digitalisierung, so sind Prospekte in Papierform nicht mehr zwingend vorgeschrieben, diese sind nur noch auf besondere Nachfrage zu produzieren. Im Zuge dessen wird eine freizugängliche europäische Online Prospekt-Datenbank eingerichtet.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die neue Prospektverordnung viele Erleichterungen bringen wird. Hiervon werden in erster Linie KMU, aber auch Folgeemissionen und Daueremittenten profitieren. Im Zusammenhang mit der optionalen Ausnahme von der Prospektpflicht bis zu einem Gesamtwert von 8 Mill. Euro bleibt abzuwarten, inwieweit der deutsche Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird.

Probleme ausgeblendet

Es fällt auf, dass die Bestrebungen zur Vereinfachung des Prospektrechts die negativen Erfahrungen im grauen Kapitalmarkt in Deutschland nicht berücksichtigen. Fraglich ist, ob der Gesetzgeber das Kleinanlegerschutzgesetz anpassen wird und so von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Da die Einzelheiten der neuen Regelungen überwiegend in delegierten Akten geregelt werden, muss ebenfalls abgewartet werden, wie das neue Prospektrecht im Detail dann aussehen wird. Es wäre zu wünschen, dass die Intention der Kapitalmarktunion, die Finanzierung über die Kapitalmärkte zu stärken, in die Praxis umgesetzt wird. Die Frage inwieweit Wertpapierprospekte tatsächlich dem Anleger helfen und von ihm gelesen und verstanden werden, wird aber nicht beantwortet.

Autoren: Ingo Wegerich ist Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. Helmut Höfer ist Leiter der Rechtsabteilung Société Générale Corporate & Investment Banking Deutschland.

Foto: pixabay.com/de/gerechtigkeit-rechts-rechtsprechung-2071539/

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