Kann man Ratingagenturen und deren Ratingnoten bei der Auswahl von Unternehmensanleihen des Mittelstands (noch) vertrauen? – Kolumne von Hans-Jürgen Friedrich, Vorstand der KFM Deutsche Mittelstand AG

Dienstag, 24. Juni 2014
Hans-Jürgen Friedrich Vorstand KFM Deutsche Mittelstand AG Kolumne Anleihen Finder Redaktion anleihen-finder.de


Ratingergebnisse sollten privaten und institutionellen Anlegern als Indikatoren für Bonität und Qualität des Unternehmens und/oder der jeweiligen Finanzanlage zur Verfügung stehen. Mit der Ratingnote hatte ein Anleger oder ein Fondsmanager ein Klassifizierungsmerkmal für die Auswahl der Finanzanlage. Doch seit der Lehmann-Pleite und dem Griechenland-Desaster stehen Ratingagenturen und deren Bewertungserbnisse unter einer kritischen Beobachtung. Berichte und Meldungen zu Ratingergebnissen mittelständischer Unternehmen und den Ratingprozessen an sich verdeutlichen, dass zwischen Emittenten, Ratingagenturen und Investoren kontroverse Diskussionen stattfinden.

Hilft ein Ratingergebnis bei der Auswahl von Finanzanlagen?

Ratinganalysten monieren bei den mittelständischen Unternehmen, die sich oder das Finanzinstrument einer Bonitätsbeurteilung stellen, fehlende Transparenz und mangelnde Auskunftsbereitschaft. Die betroffenen Unternehmen beklagen die fehlende Motivation von Analysten das Geschäftsmodell der Unternehmen mit allen Chancen und Risiken verstehen zu wollen. Sie beanstanden, dass der Computer als das wichtigste Arbeitsinstrument des Analysten, nur Zahlen, Daten und Fakten der Bilanzen aus der Vergangenheit beurteilt. Neue Produkte, neue Märkte, Innovationen oder die erfolgreiche Transformation des Geschäftsmodells finden nach Meinung der beurteilten Unternehmen keine ausreichende Berücksichtigung.

Sind Ratingnoten verlässliche Indikatoren für die Beurteilung der Bonität und Qualität?

Für viele Emittenten und Anleger sind Ratingablauf und das erzielte Ratingergebnis ein Buch mit sieben Siegeln. Investoren vertreten zunehmend den Standpunkt, dass Ratingerbnisse nur bedingt als Indikatoren für Bonität und Qualität eines Unternehmens oder einer Finanzanlage herangezogen werden können. Die Ratingnote und eine Zusammenfassung des Ratingberichtes werden von vielen Emittenten zur Verfügung gestellt. Der umfassende Ratingbericht, der Aufschluss über die Bewertung gibt, ist so gut wie gar nicht verfügbar. Manche Ratingagenturen verpflichten sogar das Unternehmen, den Ratingbericht nur nach vorheriger Genehmigung einem nachfragenden Investor auszuhändigen oder untersagen eine Aushändigung. Wie die Ratingnote von A-, BBB+ oder BB- zustande gekommen ist, bleibt oftmals das Geheimnis der Ratingagenturen. Dabei wäre dies insbesondere für Investoren von großem Nutzen. Mit welchen Messinstrumenten wurde beurteilt? Was wurde bewertet und wie wurde gewichtet? Welche Bewertungsansätze und Vergleichsmaßstäbe wurden angewendet?

Unternehmen und Investoren stellen Ratingagenturen auf den Prüfstand …

Unternehmen und Investoren sind dazu übergegangen, die Bewertung des Unternehmens oder des Finanzinstruments durch eine Ratingagentur auf den Prüfstand zu stellen. Sie untersuchen den Nutzen für das Unternehmen und stellen die Kosten gegenüber. Erste Unternehmen wie die Dürr AG nehmen die Dienstleistung  der Bewertung nicht mehr in Anspruch. „Für die Dürr AG waren mehrere Aspekte ausschlaggebend für die Entscheidung, die Verträge mit den Ratingagenturen S&P und Moody’s zu kündigen“, sagt CFO Heuwing. „Die Ratingentscheidungen lagen häufig ein oder zwei Notches unter der rechnerisch ermittelten Kreditqualität. Die Ratingeinstufungen folgten den Verbesserungen unserer Kreditqualität zum Teil mit größerer Verzögerung, und Investoren vertrauten neben der Ratinganalyse zunehmend auch eigenen Einschätzungen.“ Aus Sicht der Dürr AG  habe sich daran nichts Grundlegendes verändert.

Manche Investoren beurteilen die Qualität des Ratings mittlerweile an der Adresse der Ratingagentur. Andere wiederum versuchen selbst die Bonität und Qualität des Unternehmens bzw. des angebotenen Wertpapieres zu ermitteln.

… und suchen Alternativen und transparente Bewertungen

Bei der Auswahl von Anleihen stehen die Beurteilung des Unternehmens und dessen Geschäftsmodell im Vordergrund. Auf dieser Basis lässt sich die Kreditfähigkeit ermitteln und fortlaufend überwachen. Unternehmen und Investoren sind gleichsam daran interessiert, Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit zu bewahren. Unternehmen fordern konstruktive Hinweise, die dazu beitragen, dass die Bonität erhalten bleibt und verbessert werden kann. Investoren wollen Chancen und Risiken vollständig aufgedeckt bekommen. Nur so lässt sich einschätzen, ob die Risikoprämie – sprich der Zinssatz –  angemessen ist.

Eine Alternative sind die Kreditanalysen und Unternehmensstudien von unabhängigen Analysten oder von Fachabteilungen der Banken, die über eine umfangreiche Kreditexpertise verfügen.

Auf dem Weg zu mehr Eigeninitiative und Selbstverantwortung

Die Standpunkte von Ratingagenturen, Emittenten und Investoren sind für sich allein betrachtet durchaus nachvollziehbar und plausibel.  Jeder von ihnen hat eine andere Perspektive, mit der eine Beurteilung vorgenommen und die Aufgabenstellung wahrgenommen wird. Bei einer selbstkritischen Betrachtung wird am Ende wohl jeder erkennen, dass die eigene Verantwortung für die übertragene Aufgabe und eine transparente und zeitnahe Kommunikation nicht auf andere zu delegieren ist. Dem Beispiel der Dürr AG dürften wohl weitere Unternehmen folgen.

Die KFM Deutsche Mittelstand AG hat bereits in 2010 ein eigenes Bewertungssystem, das KFM-Scoring,  für Unternehmensanleihen entwickelt. Die Auswahl der Wertpapiere für den Deutschen Mittelstandsanleihen Fonds basiert auf dem umfassenden KFM-Scoring-Modell, das vielfältige Kennzahlen insbesondere zu Bonität, Nachhaltigkeit, Wachstum und Ertrag berücksichtigt. Seit Jahren durchleuchten wir festverzinsliche Wertpapiere von mittelständischen Unternehmen und analysieren die Geschäftsmodelle. Der Deutsche Mittelstandsanleihen Fonds investiert nach sorgfältiger Analyse und intensiver Bewertung des Geschäftsmodells in Anleihen von mittelständischer Unternehmen. Eine Fleißarbeit, bei der wir sind uns sicher sind, dass sich diese lohnt!

Ihr Hans-Jürgen Friedrich

Vorstand der KFM Deutsche Mittelstand AG

Foto: KFM Deutsche Mittelstand AG

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