Energiekontor: „Unsere eigenen Windparks sind unser Fangnetz im volatilen Markt“

Donnerstag, 19. Juli 2012

Thomas Walter, Vorstand der Energiekontor AG, im Exklusiv-Interview.

Seit dem 1. Juli dieses Jahres ist die „StufenzinsAnleihe IV“ der Energiekontor AG (ISIN DE0005313506/ WKN 531350) an der Börse Frankfurt notiert. Die Anleihen Finder Redaktion sprach mit Thomas Walther, Vorstand der Energiekontor AG, über die Börsennotierung seiner Mittelstandsanleihe, die Eigenkapitalausstattung der Emittentin und über die Besonderheiten der Finanzierung von Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien.

Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Walther, Ihr Unternehmen, die Energiekontor AG, existiert nun schon seit 1990 und kann auf 79 realisierte Windparks zurückblicken. Damit gehören Sie in diesem Segment in Deutschland zu den „alten Hasen“. Können Sie uns bitte trotzdem noch ein bisschen mehr von sich und Ihrem Geschäftsmodell berichten?

Thomas Walther: Unser Geschäftsmodell ist heute noch so aktuell und erfolgreich wie vor 20 Jahren, auch wenn es selbstverständlich kontinuierlich weiterentwickelt und professionalisiert worden ist. Der Grundsatz ist, dass wir alle relevanten Bereiche der Wertschöpfungskette abdecken. Das beginnt mit der Identifikation und vertraglichen Sicherung geeigneter Flächen für die Windenergienutzung. Auf dieser Basis wird dann unter technischen und wirtschaftlichen Aspekten die für den Standort optimale Windparkkonfiguration geplant. Dabei sind im direkt anschließenden Genehmigungsverfahren eine ganze Reihe von externen Belangen, z.B. Naturschutz, Schall, Schattenwurf, Radarthemen, und einige mehr, zu beachten. Nach Erhalt der Genehmigung schließen wir projektspezifisch die Finanzierung ab und unsere Bauabteilung setzt dann die Planung in die Realität um. Die Windparks, die wir nicht langfristig in den eigenen Bestand übernehmen, werden durch unser Vertriebsteam an Investoren veräußert. Mit Inbetriebnahme des Windparks wird das Management für alle kaufmännischen und technischen Belange an unsere Betriebsführungsabteilung in Bremerhaven übergeben, die über die Laufzeit von geplanten 20 Jahren den Betrieb und die grüne Stromerzeugung sicherstellt.

Dieses Modell haben wir mittlerweile erfolgreich in unseren drei deutschen Schwerpunktregionen Elbe-Weser, NRW und Brandenburg sowie in Großbritannien und Portugal umgesetzt und etabliert.

„Für mich ganz persönlich war das Unglück von Fukushima ein Schock.“

Im Bereich der Offshore-Windenergie sind wir ebenfalls seit mehreren Jahren tätig und haben drei Windparks geplant. Das erste Projekt, die Genehmigung für die Pilotphase von Borkum Riffgrund West, konnten wir Ende vergangenen Jahres erfolgreich an DONG Energy, einen großen dänischen Energieversorger, verkaufen. Da war es noch nicht möglich die gesamte Wertschöpfungskette wie im Onshore-Bereich zu realisieren, was aber für die beiden weiteren Projekte angestrebt ist.

Anleihen Finder: Welche Auswirkungen hatten bzw. haben die schrecklichen Ereignisse in Fukushima, die anschließenden Gesetzesanpassungen, gestiegene Rohstoffpreise aber auch die Anpassungen der Einspeiseregelungen auf Ihr Geschäft sowie Ihre Gewinnsituation?

Thomas Walther: Für mich ganz persönlich war das Unglück von Fukushima ein Schock. Ich habe als Jugendlicher die Katastrophe von Tschernobyl mitbekommen, aber wenn so etwas in Japan, einem Hochtechnologieland passieren kann, dann sieht man auch deutsche AKWs auf einmal mit anderen Augen.

Glücklicherweise sind in der Bundespolitik die richtigen Beschlüsse gefasst worden: Ausstieg aus der Atomenergie, beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren Energien. Auch auf Landesebene hat es deutliche Bewegung gegeben: der erste grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg, ein neuer Windenergie-Erlass in NRW sowie die Überarbeitung von Regionalen Raumordnungsplänen, in denen z.B. Höhenbegrenzungen für Windkraftanlagen weggefallen sind.

Als weitere besonders wichtige Grundlage des nachhaltigen Ausbaus der Erneuerbaren Energien ist und bleibt das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das im Jahr 2012 novelliert wurde, unverzichtbar. Das EEG dient zu Recht als Vorlage für andere europäische Tarifsysteme. Es regelt mit dem Systemdienstleistungsbonus die technische Integration in ein stabiles Stromnetz, schafft Anreize mit einem Repowering, die alten, weniger leistungsfähigen Windkraftanlagen durch neue zu ersetzen und führt nicht zuletzt die Erneuerbaren Energien an den freien Markt und den Wettbewerb mit den herkömmlichen Energieträgern heran.

Zusammengefasst sind wir mit der Entwicklung der letzten Jahre zufrieden und sehen uns gut gerüstet für einen nach wie vor wachsenden Markt und die Herausforderungen der nächsten Zeit.

Anleihen Finder: Einige deutsche Firmen aus dem Renewable Energy Sektor haben die ständig sinkenden Preise für asiatische Wettbewerbsprodukte bereits als Grund für schlechte Unternehmenszahlen oder Insolvenzen angeführt. In diesem Kontext würde uns auch interessieren, welche Gefahr von der sehr wettbewerbsintensiven Konkurrenz aus Asien auf Ihr Unternehmen ausgeht?

Thomas Walther: Unser Geschäft ist die Projektentwicklung und Realisierung vor Ort. Da liegt der Erfolg in der regionalen Vernetzung und Präsenz. Die notwendige Hardware, also Windkraftanlagen, Trafos etc., kaufen wir extern projektbezogen ein, üblicherweise von den großen, namhaften Herstellern wie Enercon, Repower, Vestas und Co. Sollten zukünftig asiatische Hersteller mit technisch gleichwertigen Anlagen auf den Markt drängen, so werden wir sicherlich über einen Einsatz in zukünftigen Projekten nachdenken müssen. Eine Gefahr für Energiekontor und unser Geschäftsmodell sehe ich aber nicht. Eher das Gegenteil könnte der Fall sein: Zunehmende Konkurrenz bei den Anlagenherstellern könnte tendenziell zu niedrigeren Einkaufspreisen für uns führen.

Anleihen Finder: Die Anleihe wird von der Energiekontor Finanzierungsdienste GmbH & Co. KG begeben. Können Sie uns bitte das Verhältnis der Gesellschaft zum eigentlich Konzern erläutern? In diesem Zusammenhang würde uns auch die Chancen- und Risikoverteilung innerhalb des Konzerns und im Besonderen in Bezug auf die Emittentin interessieren.

Thomas Walther: Die Energiekontor Finanzierungsdienste GmbH & Co. ist eine Tochter der Energiekontor AG und daher auch nicht losgelöst zu betrachten. Die Finanzierungsdienste KG dient innerhalb der Energiekontor-Gruppe zur Finanzierung eines Teils der eigenen Windparks, also eines der Standbeine der Energiekontor AG. Ich muss ein wenig ausholen, um die Bedeutung dieses Modells klar zu machen:

„Das waren Jahre, in denen Energiekontor zu kämpfen hatte.“

Die Energiekontor AG ist mit dem sehr volatilen Projektgeschäft groß geworden. Aber wir haben auch Zeiten durchgemacht, in denen sich gesetzliche Rahmenbedingungen geändert, Projekte verzögert oder Investoren in andere Märkte investiert haben. Das waren Jahre, in denen Energiekontor zu kämpfen hatte. Um aus der starken Abhängigkeit des Vertriebsmarktes herauszukommen, hat Energiekontor vor einigen Jahren beschlossen, einen Teil der errichteten Windparks im Eigenbestand zu halten und so den kurzfristigen Verkaufserlös in einen langfristigen, dafür stetigeren Cashflow zu wandeln. Sozusagen unser Fangnetz in einem volatilen Markt.

Ich glaube, es ist deutlich geworden, wie wichtig die Windparks für Energiekontor sind, die über die StufenzinsAnleihe der Finanzierungsdienste KG finanziert werden und mit 100% der Kommandit-anteile des jeweiligen Windparks als Sicherheit verpfändet sind. Im Verwertungsfall würden diese Projekte damit also eine unmittelbare Sicherheit für die Anleihegläubiger darstellen.

Anleihen Finder: Ein Blick in Ihre Bilanzen zeigt ein eher trübes Bild hinsichtlich der Eigenkapitalausstattung und der Jahresüberschüsse (EK 162 TEUR in 2008, 91 TEUR in 2009, 42 TEUR in 2010 und 18 TEUR in 2011 bzw. JÜ +36,6 TEUR in 2008, 11,1 TEUR in 2009, -28 TEUR in 2010 und -24 TEUR in 2011). Können Sie dies bitte kommentieren? Wann wird sich dieser Trend zu einem Besseren hin ändern?

Thomas Walther: Mit Ihrer Frage beziehen Sie sich auf die Ausstattung der Finanzierungsdienste KG, deren Ausstattung aus unserer Sicht nicht in erster Linie relevant für den Verlauf der StufenzinsAnleihe ist. Da die Finanzierungsdienste KG zur Energiekontor AG gehört, lohnt sich ein Blick in den Jahresfinanzbericht für das Geschäftsjahr 2011, das mit einem deutlichen Gewinn in Millionenhöhe abgeschlossen wurde.

Der Unternehmenszweck der Finanzierungsdienste KG ist momentan ausschließlich die Emission, der Vertrieb und die Verwaltung von StufenzinsAnleihen/Sachwertanleihen. Die Sicherheit für die Anleihezeichner kann somit nicht wie sonst üblich aus den Geschäftsaussichten der Emittentin abgelesen werden, sondern vielmehr aus der erstrangigen Verpfändung der finanzierten Windparks. Wie wichtig diese wiederum für Energiekontor sind, hatte ich eben schon kurz erläutert.

„Die Auftragslage der Energiekontor AG ist ebenfalls durch eine  nachhaltige Projektpipeline in Deutschland, Portugal und Großbritannien  gesichert.“

Anleihen Finder: Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um den vollständigen Verzehr des EK und damit eine Insolvenz zu verhindern?

Thomas Walther: Die Eigenkapitalquote der Finanzierungsdienste KG wird jetzt stabil bleiben bzw. sich positiv entwickeln. Die Verluste aus 2010 und 2011 sind dem Sachverhalt geschuldet, dass wir zwei StufenzinsAnleihen hatten, welche über den Jahreswechsel vertrieben wurden. Die Vertriebskosten sind somit im alten Jahr angefallen und erste Zinseinnahmen aus der Darlehensvergabe wurden erst im neuen Jahr erzielt. Dies wird sich in den nächsten Jahren wieder ausgleichen, so dass in keinster Weise die Gefahr einer Insolvenz droht, was Sie auch dem Liquiditätsbestand der Bilanz entnehmen können. Die Mutter der Finanzierungsdienste KG, die Energiekontor AG, hat eine Eigenkapitalquote von über 50 Prozent.

Anleihen Finder: Wie ist das Jahr 2012 für Sie angelaufen und was können Sie uns über Ihre Auftragsbücher/-lage sagen?

Thomas Walther: Die langfristigen Einnahmen der Finanzierungsdienste KG sind wie beschrieben durch die Windparks gesichert. Es besteht damit eine belastbare Prognose, so dass wie geplant von ausgeglichenen Bilanzen ausgegangen werden kann. Die Auftragslage der Energiekontor AG ist ebenfalls durch eine nachhaltige Projektpipeline in Deutschland, Portugal und Großbritannien gesichert.

Anleihen Finder: Ihr Eigenkapital im weiteren Sinne wurde 2003 durch die Aufnahme von Genussrechtskapital verstärkt. Wann wird dies regulär auslaufen und was ist als Anschluss geplant?

Thomas Walther: Das im Jahr 2003 aufgenommene Genussrechtskapital ist bereits vollständig zurückgezahlt. Eine Fortsetzung dieses Modells ist nicht geplant. Zukünftig plant die Finanzierungsdienste KG weitere StufenzinsAnleihen aufzulegen, die den weiteren Ausbau des Bestands an eigenen Windparks mitfinanzieren sollen.

Anleihen Finder: Herr Walther, Ihr Kassenbestand ist von 2009 bis 2011 von EUR 95 TEUR auf EUR 7,38 Mio. gestiegen. Dieses Geld stammt hauptsächlich aus Anleiheemissionen. Was war ursprünglichen mit diesem Kapital geplant bzw. was ist aktuell damit geplant?

Thomas Walther: Der Kassenbestand zum 31.12.2011 setzt sich zum Teil aus geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen der Windparks zusammen, die Darlehen aus den ersten beiden StufenzinsAnleihen erhalten haben. Der größere Teil entfällt jedoch auf geleistete Einzahlungen aus der Emission der dritten StufenzinsAnleihe, aus der Anfang 2012 der Windpark Krempel ein Finanzierungsdarlehen erhalten hat. Der Liquiditätsstand hat sich dementsprechend reduziert.

Anleihen Finder: Könnten Sie in diesem Zusammenhang bitte auch gleich auf den Verwendungszweck des nun einzusammelnden Kapitals eingehen?

Thomas Walther: Hinter unserer aktuellen StufenzinsAnleihe stehen insgesamt drei Windparkprojekte. Diese werden ausschließlich aus den Anleihemitteln finanziert und sind ansonsten schuldenfrei. Die Grundstücke der Windparks sind langfristig gesichert und befinden sich fast ausschließlich in so genannten Windvorrangflächen, was den Substanzwert der Windparks unterstreicht. Für alle drei Projekte liegen mehrjährige Betriebsdaten vor, so dass die Planung auf sehr solider Basis erfolgt ist.

Anleihen Finder: In Bezug auf Ihre neue Anleihe möchten wir Sie bitten, unseren Lesern kurz die Funktionsweise des Stufenzinses – sowohl Zins als auch Tilgungsplan – zu erläutern?

Thomas Walther: Die Laufzeit der Anleihe liegt insgesamt bei 10 Jahren. Die Besonderheit ist, dass bereits nach sechs Jahren 20 % des eingesetzten Kapitals zurückfließen. Diese ersten 6 Jahre werden mit 6% verzinst. Für die verbleibenden vier Jahre steigt der Zinssatz dann auf 6,5% p.a. Nach insgesamt zehn Jahren werden die restlichen 80% an den Investor zurückgezahlt.

Anleihen Finder: Bei der Einschätzung der Qualität Ihres Wertpapiers spielt die Art der Besicherung eine entscheidende Rolle. Können Sie bitte kurz die Sicherheitenstruktur und die konkreten Sicherheiten beschreiben?

Thomas Walther: Grundsätzlich hat das Unternehmen zwei Typen von Anleihen herausgegeben. Zum einen herkömmliche Unternehmensanleihen, die für die Zwischenfinanzierung neuer Projekte genutzt werden. Hier ist die Energiekontor AG die Emittentin und gleichzeitig auch Anleiheschuldnerin. Zum anderen Stufenzinsanleihen, auf deren Entwicklung wir auch ein bisschen stolz sind, weil es diese Art von Stufenzinsanleihe vorher in dieser Form im Bereich der Erneuerbaren Energien nicht gab. Das Konzept ist ähnlich einem „Pfandbrief“, da das Anleihekapital in konkrete Windparks investiert wird, die den Anlegern als erstrangige Sicherheit dienen. Im Worst Case gibt es hier also eine direkte Verwertungsmöglichkeit.

Anleihen Finder: Sie haben sich bei Ihrer Emission explizit gegen ein Rating ausgesprochen. Was waren die Überlegungen dafür?

Thomas Walther: Ein Rating wird üblicherweise für sehr hohe Finanzierungsvolumen und / oder sehr komplexe wirtschaftliche Konstruktionen erwartet und durchgeführt. Beides haben wir hier nicht. Es handelt sich um ein überschaubares Anleihevolumen mit einer klaren Sicherheitsstruktur.

Anleihen Finder: Eine letzte Frage sei uns noch gestattet. Das Prospekt ermöglicht ein Börsenlisting im Frankfurter Freiverkehr. Wann soll dieses umgesetzt werden und was waren die Argumente für diesen Standort?

Thomas Walther: Die Börsennotierung ist aus unserer Sicht ein wichtiges Element der Stufenzinsanleihe. Denn damit wird der ohnehin gegebenen Handelbarkeit, neben dem freien Markt, ein klar definiertes Umfeld gegeben. Die Börsennotierung ist in diesen Tagen mit Beginn des ersten Zinslaufes erteilt worden. Aufgrund der Tradition und der hohen öffentlichen Wertschätzung der Frankfurter Börse haben wir uns erneut für diesen Standort entschieden.

Anleihen Finder: Vielen Dank für das sehr offene Gespräch.

Anleihen Finder Redaktion

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