En vogue trotz schlanker Kupons: Modeanleihen – Was macht Emittenten aus der Bekleidungsbranche so erfolgreich?

Freitag, 22. März 2013


Im März 2012 begründete das Bielefelder Modeunternehmen Seidensticker einen Fashiontrend der ganz besonderen Art: Seidensticker begab eine Mittelstandsanleihe. Mit durchschlagendem Erfolg, denn der Ansturm zeichnungswilliger Anleger zwang kurzzeitig sogar die Zeichnungsfunktion der Börse Düsseldorf in die Knie. Entsprechend viele Nachahmer fand der Trendsetter und heute, ein Jahr später, sind bereits 8 Mode-Anleihen auf dem Markt. Doch was macht Emittenten aus der Bekleidungsbranche so erfolgreich?

Vor wenigen Tagen hat die Textilkontor Walter Seidensticker GmbH zum ersten Mal Zinsen an ihre Anleihegläubiger ausgezahlt und kann sich über einen geradezu schwindelerregenden Kurs ihrer Anleihe von 114 Prozentpunkten freuen – der Spitzenwert unter allen Anleihen aus den Mittelstandssegmenten der Börsen. Und auch der Sportbekleidungshersteller Golfino AG, die Laurèl GmbH, die Rudolf Wöhrl AG, die eterna Mode Holding GmbH und der Modekonzern Steilmann-Boecker verzeichnen Kurse deutlich über der 100 Prozent-Marke.

Zwar sind derzeit viele Mittelstandsanleihen im Höhenflug, doch in Punkto Preis und Platzierungsgeschwindigkeit ist die Modebranche ganz vorne mit dabei. Andreas Wegerich, Vorstand der Investmentboutique youmex Invest AG, geht auf Ursachensuche: „Wir können aus Anlegersicht rational betrachtet keine Unterschiede der Modeindustrie zu anderen Branchen feststellen. Emotional gibt es sicher Unterschiede. Bestimmt sind die privaten Anleger in Modetiteln auch Käufer der Waren. Wenn die Qualität der Produkte und der Service im Einzelhandel überzeugt, ist man auch eher geneigt, dem Unternehmen zu vertrauen und in eine Anleihe zu investieren. Von Emittentenseite kann die Anleihe durchaus als Kundenbindungsinstrument betrachtet werden.“

Consumer Brand Names ziehen vor allem Privatanleger an

Auch Peter Thilo Hasler, Vorstand der Unternehmensberatung Blättchen & Partner AG, verweist auf die Bedeutung von klangvollen Markennamen im Markt mittelständischer Unternehmensanleihen. „Betrachtet man die Liste der Anleihe-Emittenten, so fällt in der Tat auf, dass diese keinen Querschnitt der deutschen Wirtschaft insgesamt oder des deutschen Mittelstandes repräsentiert. Vielmehr ist eine auffällige Häufung sogenannter Consumer Brand Names, insbesondere aus dem Modebereich, zu konstatieren. Für den Anleger erhöhen derartige Consumer Brands die Markttransparenz.“

Selbst auf institutionelle Investoren wirkt der Faktor „Marke“, wenn auch aus anderen Gründen als beim Privatanleger. Florian Weber, Vorstand der SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank AG, erläutert: „Ein weiterer Umstand für die schnellen Platzierungen war die Tatsache, dass viele professionelle  Investoren in der Hoffnung auf Überzeichnung Orders aus Tradinggründen erteilt haben. Ziel dieser Orders war nicht die langfristige Geldanlage sondern das Erzielen kurzfristiger Zeichnungsgewinne. Es bleibt aber dabei – Marken haben es in der Platzierung wesentlich einfacher.“

Große Namen drücken den Kupon

Tatsächlich repräsentieren starke Namen jedoch nicht per se auch eine überlegene Geldanlage. „Alle Modeanleihen wurden zu deutlich günstigeren Konditionen als vergleichsweise unbekannte Peers ohne Brand Name platziert. Mit der Marke erkauft sich der Anleger also einen Kupon, der niedriger liegt als der, den er mit einer Vergleichsanlage ohne entsprechender Markenqualität hätte erzielen können“, gibt Finanzierungsexperte Peter Thilo Hasler zu bedenken.

Vergleicht man die Zinssätze der Mode-Emissionen im Frankfurter Entry Standard (allein fünf der sieben für Privatanleger offenen Anleihen sind hier gelistet) mit dem Durchschnittskupon der restlichen dort notierten Schuldverschreibungen, zeigt sich: Die Modelabels zahlen im Durchschnitt tatsächlich einen Zinssatz von 6,975 Prozent, während die übrigen Entry-Standard-Anleihen auf einen etwas höheren Wert von 7,183 Prozent* kommen.

Die kürzlich platzierte EUR 12 Mio.-Anleihe der Strenesse AG mit einjähriger Laufzeit fällt hier mit einem Kupon von 9 Prozent etwas aus dem Rahmen, jedoch hatte das Modehaus auch als einziger Fashion-Emittent ausschließlich institutionelle Investoren angesprochen. Als geplante Mittelverwendung gibt das Unternehmen mit Sitz im süddeutschen Nördlingen jedoch den gleichen Mix aus Ablösung bestehender Verbindlichkeiten und Unternehmenswachstum an, der auch bei dem Gros der anderen Mode-Emittenten Grund für die Emission war.

René Lezard könnte Chancen bergen

Während die Anleihen der anderen Modehäuser aktuell auf einen durchschnittlichen Kurs von mehr als 106 Prozent kommen, bleibt René Lezard als einziger Emittent unter der 100 Prozent-Marke (s. Tabelle). Fundamentale Gründe für die verhältnismäßig schlechte Notierung sind auf den ersten Blick nicht sichtbar. Schnigge-Experte Florian Weber hat jedoch eine Vermutung: „René Lezard plante eine hälftige Zuteilung zwischen institutionellen Anlegern und Zeichnern über die Börse. Aufgrund der kurzfristigen Emission wussten vor allem professionelle Anleger von der Zeichnung und füllten das Orderbuch. Während die institutionelle Tranche deutlich überzeichnet war, wurden aber die Zeichnungen über die Börse zu 100 Prozent zugeteilt. Zeichner, die sich Hoffnungen auf Zeichnungsgewinne gemacht haben und mehr Anteile erwarben, als ihnen finanzielle Mittel zur Verfügung standen, mussten mit Notierungsaufnahme diese Mehrpositionen verkaufen, was vom ersten Tag an auf die Kurse gedrückt hat. Fallende Kurse ziehen aber weitere Verkäufe nach sich von Anlegern, die mit der Kursentwicklung nicht zufrieden sind. Da es fundamental aus unserer Sicht aber keinen Grund für den starken Kursverlust gibt, bietet die aktuelle Situation für aktive Anleger eine Chance – man kann Anleihen mit hohem Kurs verkaufen und stattdessen bei gleichem Risiko und gleichem Kupon fast 20 Prozent Kursunterschied zu seinen Gunsten realisieren.“

Gute Aussichten auch bei Nahrungs- und Genussmitteln

Den Markt für Anleihen aus der Bekleidungsindustrie sehen die meisten Marktbeobachter noch lange nicht ausgereizt. Gute Chancen sollen auch Produzenten anderer Waren und Produkte haben, die „greifbar“ und den Nutzern gut bekannt sind. youmex-Chef Wegerich: „Vergleichbares Potential hat auf jeden Fall die Nahrungs- und Genussmittelbranche. Die Nachfrage dürfte hier ähnlich stark sein.“

* Nicht gewichtetes Mittel aus Summer der Kupons durch Anzahl der Emissionen.

Anleihen Finder Redaktion

Foto: Art Comments/flickr

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