Dr. Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG: „Ratings wollen gepflegt werden.“

Dienstag, 2. August 2011

Im Juli diesen Jahres wurden kritische Stimmen laut, nachdem die WGF AG – die jüngst ein neues Genussrecht emittierte – Ratings der Creditrefom Rating AG veröffentlicht hat, obwohl diese ausgelaufen und somit nicht mehr gültig waren. Prompt mussten zwei der sieben an den Börsen Frankfurt und Düsseldorf notierten Anleihen der WGF AG deutlichen Kurseinbußen hinnehmen. Dr. Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG, erläutert im Gespräch mit Anleihen Finder die Gültigkeit von Ratings und die Pflichten der Emittenten.

Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Dr. Munsch, die Creditreform Rating AG hat frühzeitig den Trend der Mittelstandsanleihe erkannt und kann als Marktführer in diesem Segment angesehen werden. Von den börsennotierten Mittelstandsanleihen in Deutschland verfügen fast alle über ein Rating aus Ihrem Haus – so auch die WGF AG aus Düsseldorf, die mit aktuell 7 Anleihen und 2 Genussscheinen am Markt vertreten ist. In der jüngsten Vergangenheit zeichneten sich die mit Immobilien besicherten Emissionen jedoch eher durch ihre starken Kursverluste aus. Auslöser für die hohe Volatilität sind einige Artikel, die darüber berichten, dass die Ratings der WGF AG seit 14.06.2011 keine Gültigkeit mehr besitzen. Ist dieses Auslaufen der Ratings ein marktüblicher Prozess oder liegt hier ein tieferes Problem vor?

Dr. Michael Munsch: Das Auslaufen der Ratings ist marktüblich. Jedes Rating, ob Unternehmens- oder Emissionsrating, besitzt eine Gültigkeit von einem Jahr. Allerdings erfolgt in diesem Zeitraum ein kontinuierliches Monitoring. Sollten sich bonitätsrelevante Faktoren ändern, wird das Ratingergebnis gegebenenfalls angepasst. Nach Ablauf der Jahresfrist kann ein Folgerating beauftragt werden. Dies
hat die WGF AG für drei ihrer von uns gerateten Hypothekenanleihen getan, die Bearbeitung dauert allerdings noch an. Das Rating einer weiteren Hypothekenanleihen ist dagegen noch bis zum 30. März 2012 gültig, ebenso das Rating eines Schuldscheindarlehens, dessen Gültigkeit am 05. Dezember 2011 abläuft. Der laufende Ratingprozess ist wegen seitens der WGF AG noch unbeantworteter Fragen nicht abgeschlossen.

Anleihen Finder: Können Sie uns bitte kurz beschreiben, welche Informationen noch nicht geliefert wurden und ob Sie noch Überraschungen erwarten?

Dr. Michael Munsch: Wir befinden uns in einem laufenden Rating-Prozess, zu dessen Details ich leider keine Auskunft geben kann. Wir sind den Unternehmen, die wir bewerten, zu strenger Vertraulichkeit verpflichtet und sind nicht befugt, (Teil-)Ergebnisse eines Ratings ohne Zustimmung des auftraggebenden Unternehmens zu veröffentlichen.

Anleihen Finder: Die WGF AG hat im laufenden Jahr einen zweiten Genussschein emittiert. Welche Rolle spielt der Erfolg der Platzierung für die Einschätzung der Bonität der Emittentin? Schärfen Sie im Umkehrschluss Ihre Ratingaussage nach, falls die Platzierung hinter den Erwartungen zurückbleibt?

Dr. Michael Munsch: Hier müssen wir zunächst zwischen Emissions- und Unternehmensrating unterscheiden. Das Unternehmensrating bewertet die Bonität der Emittentin. Das Emissionsrating berücksichtigt zusätzlich spezielle Bedingungen der Anleihe bzw. des Genussscheins. In beiden Fällen wird während der zwölfmonatigen Gültigkeit des Ratings die Entwicklung des Unternehmens und der Branche fortlaufend überwacht. Hierzu bleiben die Analysten in direktem Kontakt mit dem Unternehmen und werten u.a. unterjährige
BWAs und Quartalsberichte aus. Treten in diesem Beobachtungszeitraum wesentliche Ereignisse oder Entwicklungen auf, die sich positiv oder negativ auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auswirken, kann das Unternehmensrating angepasst werden, was auch das
Emissionsrating verändern kann. Je nach vorgesehenem Verwendungszweck der aus einer Emission zu generierenden Mittel kann natürlichauch der Emissionserfolg einen bonitätsrelevanten Faktor darstellen. Ein zwingender Zusammenhang oder Automatismus existiert jedoch nicht.

Anleihen Finder: Können Sie uns einen kurzen Einblick in die Methodik für die Beurteilung von Immobilien-Unternehmen und insbesondere von Hypothekenanleihen geben? Wie detailliert ist in diesem Zusammenhang die Bewertung der Sicherheiten?

Dr. Michael Munsch: Die Besicherung einer Anleihe ist ein wesentlicher Faktor für die Einschätzung im Rating. Die Qualität der Immobilienobjekte, das Verhältnis zwischen Verkehrswerten und Einkauf sowie das realisierte Geschäftsmodell sind mit entscheidend. Der sogenannte „loan-tovalue“, also die Spanne zwischen besicherter Finanzierung und Wert der Immobilien wird in diesem Zusammenhang genau analysiert. Für ein Rating im „investment grade“ verlangen wir eine entsprechend hohe Absicherung der Anlegerforderungen.

Anleihen Finder: Die WGF AG publiziert auch nach Ablauf der Rating-Gültigkeit das Rating, damit könnte die wahre Situation des Unternehmens verschleiert werden. Können und wollen Sie dagegen etwas unternehmen?

Dr. Michael Munsch: Die WGF AG gehört zu den Unternehmen, die einer Veröffentlichung unserer Ratingergebnisse auf unserer Website www.creditreform-rating.de zugestimmt haben. Dort können Anleger den aktuellen Status der einzelnen Ratings einsehen. Solange dies gilt, können Anleger sich bei uns über die Ratingergebnisse informieren. Grundsätzlich sollte ein Ratingkunde das Ratingergebnis nicht mehr nutzen, wenn das Rating abgelaufen ist. Im Fall der WGF sollte die Situation allerdings anders beurteilt werden, da uns ein Auftrag für Folgeratings vorliegt und der Bearbeitungsprozess läuft. Deshalb stellen wir die Ratings auf unserer Internetseite mit „in Bearbeitung“ dar.

Anleihen Finder: Sehen Sie negative Konsequenzen für Mittelstandsanleihen und für Ihr Haus im Besonderen aus den Diskussionen
um die WGF AG entstehen? Ist das die Situation auf die Kritiker kleinvolumiger Emissionen immer gewartet haben?

Dr. Michael Munsch: Ich gehe nicht davon aus, dass die Irritationen rund um die Anleihen der WGF AG sich negativ auf das mittelständische Anleihensegment insgesamt auswirken werden. Dieses junge Finanzierungsinstrument für mittelständische Unternehmen wird meiner Einschätzung nach weiter an Bedeutung gewinnen. Die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihen bzw. der Emittenten können Anleger mit Hilfe der Ratingergebnisse einschätzen – immer vorausgesetzt, dass ein aktuelles und gültiges Rating vorliegt, was die meisten Börsenplätze mit Mittelstandssegmenten zu einer der Voraussetzungen für Anleihe-Emissionen gemacht haben. Was die Creditreform Rating AG angeht: Unsere Vorgehensweise war und ist transparent. In jedem Fall muss ein Investor für sich entscheiden, ob die vorliegende Anleihe und die entsprechende „Asset-Klasse“ die richtige für ihn ist. Und er muss beachten, dass
kleinvolumige Emissionen nicht immer eine befriedigende Marktliquidität haben.

Anleihen Finder: Abschließend würden uns noch Ihre Einschätzungen zu den Herausforderungen und zu den potenziellen nächsten Entwicklungsschritten des noch recht jungen Marktsegments der Mittelstandsanleihen interessieren. Inwieweit können Ratingagenturen und insbesondere die Creditreform Rating AG den Weg in die Zukunft mitgestalten?

Dr. Michael Munsch: Ich gehe davon aus, dass das Segment weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Anleihen Finder: Herr Dr. Munsch, vielen Dank für das offene Gespräch.

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