„Die großen Ausfälle liegen hinter uns. Das Marktsegment wird professioneller“ – Hans-Jürgen Friedrich und Gerhard Mayer (KFM Deutsche Mittelstand AG) im Exklusiv-Interview

Mittwoch, 14. Dezember 2016


DOPPEL-INTERVIEW mit Hans-Jürgen Friedrich und Gerhard Mayer.
Die Anleihen Finder Redaktion hat in diesem Jahr das große Jahresend-Interview 2016 mit den beiden Vorständen der KFM Deutsche Mittelstand AG (KFM), Hans-Jürgen Friedrich und Gerhard Mayer, geführt. Durch die Initiierung und erfolgreiche Entwicklung des Deutschen Mittelstandsanleihen Fonds hat sich die KFM zu einer der wichtigsten Instanzen am KMU-Anleihen-Markt entwickelt. Wir möchten das schwierige Jahr 2016 mit den Marktexperten Revue passieren lassen und einen Ausblick auf das nicht minder spannende Jahr 2017 wagen.

Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Friedrich, sehr geehrter Herr Mayer, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum 3-jährigen Geburtstag des Deutschen Mittelstandsanleihen Fonds. Das ist im Zuge der GEWA-Entwicklung leider etwas untergegangen. Sind Sie denn zufrieden mit Ihrer bisherigen Performance?

hjfHans-Jürgen Friedrich (HJF): Danke Herr Henecker für die Glückwünsche. Unsere Anleger sind mit der Entwicklung zufrieden. Das belegen die zahlreichen Rückmeldungen der privaten Anleger, der institutionellen Investoren als auch der Anlageberater. Der Deutsche Mittelstandsanleihen FONDS konnte seit Auflage ein Fondsvolumen von 36,2 Mio. Euro aufbauen. Insgesamt wurden an die Anleger bereits 1,9 Mio. Euro Erträge ausgeschüttet. Die Ausschüttungen lagen bei über 4% p.a. bezogen auf den Fondsanteilspreis von 50,00 Euro. Und auch für das Geschäftsjahr 2016 wird der Deutsche Mittelstandsanleihen FONDS abermals eine Ausschüttung oberhalb der 4% erreichen. Wir punkten aber auch mit der einzigartigen Transparenz und der Veröffentlichung der KFM-Barometer zu den ausgewählten Investments. Hier handelt es sich um die Zusammenfassung der Analyseergebnisse des KFM-Scoring. Für diese Leistungen sind wir in diesem Jahr mit dem Großen Preis des Mittelstandes ausgezeichnet worden.

Anleihen Finder: Zurück zu GEWA – das war sozusagen der erste „Live-Ausfall“ im Fonds. Müssen sich Ihre Anleger nun Sorgen machen?

gm2Gerhard Mayer (GM): Der GEWA-Fall verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig eine breite Streuung der angelegten Summe in verschiedene Investments ist. Ein Anleger, der direkt in die Anleihe investiert hat, stellt derzeit einen Kursrückgang von 73% fest. Der Deutsche Mittelstandsanleihen FONDS war durch die breite Streuung nur in Höhe von 2% betroffen. Von einem Totalausfall, wie es in der Presse mitunter geschildert wurde, kann nach unserer Einschätzung nicht die Rede sein. Aus den Gesprächen mit dem vorläufig bestellten Insolvenzverwalter, dem Treuhänder und den Anwälten konnte festgestellt werden, dass zielstrebig an einer vernünftigen wirtschaftlichen Lösung gearbeitet wird, um das Projekt fertigzustellen.

„GEWA-Insolvenz ist anders“

Darüber hinaus unterscheidet sich die GEWA-Insolvenz von anderen Insolvenzen im Mittelstandsanleihen-Markt dadurch, dass die Anleihe-Gläubiger durch eine erstrangige Grundschuld abgesichert sind. Wir lassen uns zur Sicherung der Interessen des Deutschen Mittelstandsanleihen FONDS von einer der besten Anwaltskanzleien in Deutschland unterstützen und prüfen derzeit alle rechtlichen Möglichkeiten, um einen denkbaren Schaden so gering wie möglich zu halten.

Anleihen Finder: Warum ist Ihrer Meinung nach dieses doch so sicher scheinende Projekt gescheitert?

HJF: Genaue Einzelheiten kennen wir noch nicht. Da warten wir noch die Ergebnisse ab. Wir nehmen an, dass bei der Umsetzung des Baugewerkes eine Finanzierungslücke entstanden ist, die von der GEWA 5 to 1 GmbH & Co. KG nicht gedeckt werden konnte. Das wäre aus unserer Sicht ein Managementfehler seitens der Geschäftsführung der GEWA 5 to 1 GmbH & Co.KG. Für viele professionelle Anleger war die Insolvenzmeldung überraschend, zumal das Management der GEWA noch wenige Wochen zuvor mehreren Analysten erklärt hatte, dass alles plangemäß verläuft.

„Die Hauptschuld liegt beim Management“

Anleihen Finder: GEWA war aber längst nicht der einzige Ausfall in diesem „schwarzen Jahr“ 2016 am Mittelstandsanleihen-Markt. Was sagen Sie zu den Defaults von KTG, German Pellets oder Steilmann? Wer trägt die Hauptschuld?

GM: In erster Linie ist das Management der betreffenden Gesellschaft für den Ausfall verantwortlich zu machen. Hier wurden gravierende Managementfehler in der Risikovorsorge und der Finanzierungssteuerung begangen. Bei der German Pellets und der KTG Agrar sind nach unserer Meinung die Warnsignale und die angebotene Hilfe von den emissionsbegleitenden Banken und Analysten ins Leere gelaufen. Wir konnten mit Hilfe des KFM-Scorings und durch die Managementgespräche frühzeitig die Fehlentwicklung erkennen. Der Deutsche Mittelstandsanleihen FONDS war deshalb von diesen Ausfällen nicht betroffen.

Anleihen Finder: Die negativen Fälle werden medial ausgeschlachtet, über die positiven Entwicklungen von Unternehmen wird meist nur am Rande berichtet. Was waren diesbezüglich Ihre Highlights am Markt?

„Mehrzahl der Emittenten sind gewissenhaft“

HJF: Wir stellen fest, dass die Mehrzahl der Emittenten gewissenhaft und verantwortungsvoll mit den Geldern der Investoren umgeht. Unternehmen wie zum Beispiel die MITEC AG oder die HELMA AG konnten mit Hilfe der Anleihengelder den Betriebserfolg des Unternehmens so gut entwickeln, dass eine vorzeitige Rückzahlung der Anleihen möglich wurde. Solche Entwicklungen werden wir auch künftig sehen. Bei der SNP AG oder der Pfleiderer GmbH wurde eine vorzeitige Rückzahlung der Anleihen bereits signalisiert.

Anleihen Finder: Warum sind diese Unternehmen erfolgreicher als andere? Was können sich derzeitige und zukünftige Emittenten von diesen „Gewinnern“ abschauen?

GM: Die erfolgreichen Unternehmen haben einen klar definierten strategischen Fokus und achten darauf, dass die operativen Maßnahmen konsequent strategiekonform umgesetzt werden.

„Disziplin und Transparenz“

In den Managementgesprächen können wir die Disziplin im Denken und im Handeln erkennen. Darüberhinaus kennen die erfolgreichen Unternehmen die Risiken ihres Geschäftsmodells und sind in der Lage frühzeitig gegenzusteuern. Die erfolgreichen Unternehmen informieren transparent und professionell über die betriebswirtschaftliche Entwicklung und nehmen auch die angebotene Hilfe von Spezialisten an.

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Anleihen Finder: Ein Wort noch zu den weltweiten Topthemen des Jahres: „Brexit“ und „Trump“! Alles viel zu hochgekocht oder doch noch mit nachhaltigen Auswirkungen auf die Finanzmärkte?

HJF: Wir sind weltweit von vielen Veränderungen betroffen und befinden uns in einem Transformationsprozess. Die Digitalisierung der Wirtschaft, die Überalterung der Gesellschaft, die Regulierung der Finanzmärkte, die Veränderung des Klimas, militärische Konflikte, die Überschuldung von vielen Staaten … – die Liste könnte noch um weitere Punkte ausgeweitet werden. Dies alles stellt die Weltgemeinschaft vor große Herausforderungen. Diese werden auch einen Einfluss auf die Finanzmärkte haben.

Vor fünf Jahren haben die meisten Investoren Negativzinsen nicht für möglich gehalten. Die Finanzmärkte werden nach unserer Meinung auch in den kommenden Jahren unruhig bleiben. Das bedeutet aber auch, dass es neue Anlagechancen gibt. Das war auch in der Vergangenheit der Fall. Es bedarf in solchen Phasen einer besonderen Fleißarbeit, um die Investmentchancen zu finden und anschließend fortlaufend zu überwachen. Mit dem KFM-Scoring haben wir ein funktionierendes Analysewerkzeug für die Unternehmensanleihen des Mittelstandes.

„Professionalisierung des Marktsegments“

Anleihen Finder: Wagen wir einen Ausblick ins kommende Jahr? Zahlreiche Anleihen werden in 2017 fällig. Wie ist Ihre Prognose für 2017? Wird es erneut zu großen Ausfällen kommen?

GM: Die Veränderungen durch die Digitalisierung der Wirtschaft, die Regulierung der Bankenwelt und die unkonventionellen Maßnahmen der Zentralbanken auf den Finanzmärkten haben auch einen Einfluss auf die Unternehmen. Nicht alle können dem Änderungsdruck standhalten. Wir werden in den kommenden Jahren sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen Ausfälle erleben. Das hat es auch früher schon gegeben. Bei den Unternehmensanleihen liegen die großen Ausfälle, die vor allen die privaten Anleger getroffen haben, bereits hinter uns. Insgesamt stellen wir eine Professionalisierung des Marktsegmentes fest.

Anleihen Finder: Wie muss sich der Markt in Zukunft aufstellen, um „konkurrenzfähig“ zu bleiben? Was müssen Emittenten„liefern“? Welche Rahmenbedingungen müssen sich ändern?

HJF: Alle Marktteilnehmer sind aufgefordert, Ihren Beitrag zu leisten, um das Vertrauen und die Seriosität wieder herzustellen. Besonders wichtig ist die transparente und zweifelsfreie Kommunikation der Emittenten zur geschäftlichen Entwicklung und zum begebenen Finanzinstrument. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen sowohl für die Emittenten als auch die Anleger praxisorientiert verbessert werden. Hier gibt es noch reichlich Optimierungspotenzial. Die Auswirkungen der Regelwerke BASEL III und künftig auch BASEL IV werden dazu führen, dass sich in Zukunft immer mehr Unternehmen über den Kapitalmarkt finanzieren. Das zeigen auch die aktuellen Entwicklungen.

Anleihen Finder: Also wird es auch in Zukunft einen KMU-Anleihen-Markt geben?

„Der Zugang zum Kapitalmarkt muss erleichtert werden“

HJF: Die aktuellen Maßnahmen der EU zur Bildung der Kapitalmarktunion haben das Ziel die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Es kommt in Zukunft besonders darauf an, den Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern und Anlegern die Möglichkeit zu geben, alternative Anlagemöglichkeiten zugänglich zu machen. Hier hat Europa im Vergleich zu den USA einen Entwicklungszeitraum von mehr als 20 Jahren nachzuholen. Wir stehen in Europa und in der Welt vor sehr spannenden Entwicklungen, von denen auch die privaten Anleger profitieren können.

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Anleihen Finder: Welche Pläne haben Sie beide persönlich für den Deutschen Mittelstandsanleihen Fonds? Wie wird/soll sich das Portfolio und die Performance des Fonds in 2017 entwickeln?

GM: Wir planen einen weiteren kontinuierlichen Aufbau des Fondsvolumens. Dabei legen wir großen Wert auf ein organisches Wachstum, so dass die Wertentwicklung des Fonds positiv bleibt. Unsere Anleger sollen auch künftig von laufenden Ausschüttungen oberhalb von 4% pro Jahr partizipieren. Mit einem derzeitigen durchschnittlichen Zinskupon des gehaltenen Wertpapierportfolios in Höhe von rund 6,4% ist der Deutsche Mittelstandsanleihen FONDS für die kommende Entwicklung gut aufgestellt. Darüber hinaus arbeiten wir auch an der Verbesserung der Kostenstruktur, die den Anlegern zusätzlich zu Gute kommen wird.

Anleihen Finder: Und generell zum Abschluss: Was raten Sie als Investmentprofis Anlegern für Ihre Anlagestrategien in 2017?

HJF: Eine breite Streuung auf verschiedene Anlageformen ist aus unserer Sicht von entscheidender Bedeutung. Anstatt in Einzeltitel zu investieren ist es sinnvoller Fonds zu nutzen. Institutionelle Anleger nutzen schon seit Jahren Investmentfonds, die sich spezialisiert haben. So gibt es zum Beispiel interessante Rohstoff-, Aktien-, Immobilien- oder Anleihenfonds, bei den die Anleger vom Spezialwissen der Fondsverantwortlichen profitieren können. Private und institutionelle Anleger sollten auf eine transparente und kontinuierliche Berichterstattung der Anbieter Wert legen. Nur so lassen sich die ausgewählten Investments und die Anlageerfolge auch nachvollziehen.

Anleihen Finder: Herr Friedrich, Herr Mayer, besten Dank für das spannende Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

Das Interview führte Timm Henecker.

Titelbild: Susanne Nilsson/ flickr.com

Portraitfotos: KFM Deutsche Mittelstand AG

Foto #1: Logan Brumm / flickr.com

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